Einhundert Tage sind seit dem Amtsantritt der neuen Regierung unter dem Linkspolitiker Alexis Tsipras (SYRIZA) vergangen. Einiges von dem, was im Wahlkampf versprochen wurde, hat die Regierung – an der sich auch die rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ (ANEL) beteiligen – bereits umgesetzt.
So sollen ab Juni rund zweieinhalb Millionen Griechen, die ohne Krankenversicherung sind, Zugang zur öffentlichen Gesundheitsbetreuung erhalten. Außerdem erhalten Arme Essensmarken, Mietzuschüsse und kostenlose Elektroenergie. Doch Maßnahmen wie die Anhebung der Niedrigrenten und der Mindestlöhne in der Privatwirtschaft auf 751 Euro, die Abschaffung der Immobiliensteuer (ENFIA) oder gar die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen lassen noch auf sich warten. Auch von der versprochenen staatlichen Förderbank für den Mittelstand und die Bauern ist bisher noch nichts zu hören.
Es ist das Problem der Finanzierbarkeit, das sich vor den Zukunftsvisionen der neuen Regierung aufbaut. Das Wirtschaftsklima hat sich unterdessen deutlich verschlechtert. Der Index dafür ist für den April der schlechteste seit 16 Monaten und liegt derzeit bei 92,7 Punkten. Am Montag sickerte die Einschätzung des Internationalen Währungsfonds durch, dass das Haushaltsdefizit in diesem Jahr bei 1,5 % liegen wird – bilanziert war eigentlich ein Überschuss von 3 %. Gleichzeitig sind die finanziellen Reserven des Staates völlig aufgebraucht; die rechtzeitige Auszahlung von Renten und Gehältern ist abermals in Gefahr. Ohne neue Hilfsgelder wird Athen seinen Verbindlichkeiten gegenüber den internationalen Geldgebern wohl nicht mehr nachkommen können. Mit dem Ziel, eine finanzielle Verschnaufpause zu erhalten, telefonierte Tsipras am Montag mit IWF-Chefin Christine Lagarde und mit seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel. Der stellvertretende Premier Jannis Dragasakis reiste am Dienstag – gemeinsam mit dem neuen griechischen Verhandlungsführer Efklidis Tsakalotos – nach Frankfurt, um sich dort mit EZB-Präsident Mario Draghi zu treffen. Parallel dazu sondierte Finanzminister Janis Varoufakis in Paris. Einige Analysten veranschlagen die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland die Eurozone verlassen muss (Grexit) inzwischen auf 60 Prozent. (Griechenland Zeitung / jh)
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Ministerpräsident Alexis Tsipras.