Die Finanzminister der Eurozone und die Europäische Zentralbank entschieden sich vergangene Woche, den Geldhahn für Griechenland vorerst nicht zuzudrehen. Zuvor hatte die neue Regierung in Athen deutliche Abstriche an ihren im Wahlkampf gegebenen Versprechungen gemacht.
Das neue Kabinett aus dem Radikalen Linksbündnis SYRIZA und der rechtspopulistischen ANEL erkannte gegenüber den europäischen Partnern und Geldgebern die griechischen Staatsschulden gegenüber ihren Gläubigern in voller Höhe an. Und: Sie ließ ihre Forderung fallen, das geltende Reform- und Sparprogramm zu Grabe zu tragen und es sofort durch ein neues zu ersetzen – mit milderen Haushaltszielen. Ein Zugeständnis konnte die neue Regierung ihren Geldgebern trotzdem abringen: Am Dienstag legte sie einen eigenen, wenn auch skizzenhaften Reformkatalog vor, um damit dem laufenden Griechenland-Programm ihren eigenen Stempel aufzudrücken.
Auflagen mit wirtschaftsliberalem Akzent
Es bleibt aber fraglich, in welchem Ausmaß die neue Regierung diese Absicht verwirklichen kann. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte schon in der Nacht des Kompromisses vom 20. zum 21. Februar klargestellt, dass „der Kern“ des neuen, für vier Monate verlängerten Programms, das alte „Memorandum“ bleibe, - mit seinen harten haushaltspolitischen Auflagen und seinem eindeutig wirtschaftsliberalen Akzent. Im Übrigen verpflichtete sich Finanzminister Janis Varoufakis, dass die neue Regierung keine einseitigen Handlungen durchführen werde, um von ihren Vorgängern bereits getroffenen Maßnahmen zurückzunehmen. Das dürfte vor allem für zwei Bereiche von Bedeutung sein: für die Deregulierung des Arbeitsrechts, wo das Reformprogramm der Troika das alte System der kollektiven Tarifverhandlungen aushöhlte und den Mindestlohn auf weniger als 600 Euro im Monat drückte; und für die Privatisierungen, die der SYRIZA immer schon ein Dorn im Auge waren und die man – so die bisherigen Äußerungen – rückgängig machen wollte.
Was die Haushaltspolitik betrifft, so haben sich die EU-Finanzminister – dem Wortlaut des gemeinsamen Kommuniqués zufolge – schon damit abgefunden, dass Athen den in diesem Jahr angepeilten primären Haushaltsüberschuss von 3 % am Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht erzielen kann. Das ist aber kaum ein Zugeständnis an die griechische Seite, eine lockerere Haushaltspolitik zu realisieren: Es reflektiert vielmehr die resignative Einsicht der Gläubiger, dass die Steuereinnahmen im Zug der politischen Krise, die durch die Wahlen ausgelöst wurde, derart schrumpften, dass die 3 % unmöglich zu erreichen sind. Das Ziel eines primären Überschusses von 4,5 % am BIP für das nächste Jahr bleibt unverändert – zumindest auf dem Papier.
Dimos Chatzichristou
Den kompletten Beitrag zu diesem Thema können Sie in der Ausgabe der Griechenland Zeitung (GZ 469), die am Mittwoch erscheint, lesen. Darin erfahren Sie Einzelheiten über die Verhandlungen der griechischen Seite mit der Eurogruppe. Neben den Maßnahmen zur Bewältigung der humanitären Krise werden außerdem Themen wie Mindestlohn und dem „Thessaloniki-Programm“ von SYRIZA ausführlicher beschrieben. Mehr Informationen gibt es zusätzlich zu den Plänen, das korrupte „Amigo-System“ in Griechenland zu beseitigen und zum Aufbau eines gerechteren Steuersystems. Ebenfalls werden die radikalen Neuregelungen für die Streichung von Steuerschulden beschrieben.
Unser Foto (Eurokinissi) zeigt Finanzminister Varoufakis (l.) mit Ministerpräsident Tsipras im griechischen Parlament.