Die Zukunft Griechenlands zeichnet sich nach den Wahlen am 25. Januar noch leicht verschwommen ab. Es gibt Stimmen, die meinen, dass die von Ministerpräsident Alexis Tsipras betriebene Politik auf einen Bruch mit den internationalen Geldgebern hinaus laufe. In den vergangenen Tagen häufen sich jedoch die Indizien, dass man doch auf einen Kompromiss zusteuern könnte.
Das bisher deutlichste Zeichen für das Szenario einer Konfrontation lieferte die Begegnung des Vorsitzenden der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem mit dem neuen Finanzminister Janis Varoufakis am Freitag in Athen. Das Bild der offensichtlichen Uneinigkeit der beiden Politiker zum Abschluss der Pressekonferenz ging um die Welt und sorgte für Besorgnis. Varoufakis, ein ausgewiesener Wirtschaftstheoretiker, der – betont leger gekleidet – viele Konventionen im Bereich der großen Politik ablehnt, forderte bei diesem Treffen vor allem einen Abbruch der Kontrollen durch die sogenannte „Troika“, was der Gast aus den Niederlanden brüsk ausschloss. Wenig erfreut hatte sich bereits am Vortag der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz nach einer Begegnung mit Premier Tsipras gezeigt. Der Gast aus Straßburg hat nach dem zweistündigen Gespräch einen erneuten Schuldenschnitt für Griechenland, den sich die neue Regierung zum Ziel gesetzt hat, deutlich abgelehnt. Einen Tag nach diesem Treffen informierte er die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Staatspräsidenten Francois Hollande während eines gemeinsamen Essens über die Ansichten Athens.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich bisher klar dafür ausgesprochen, dass die Institution der „Troika“, die die in Griechenland erzielten Reformen regelmäßig bewertet, nicht abgeschafft werden kann. Auch ein Schuldenschnitt sei nicht möglich. Bei der Troika handle sich um einen bewährten Mechanismus, auf den man nicht verzichten könne, teilte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung Christiane Wirtz mit. Sie fügte hinzu, dass Tsipras als Gesprächspartner in Berlin gern gesehen sei und dass man ihn dort „mit Freude“ erwarte. Gesprächsbereitschaft hat auch Athen signalisiert.
„Erschütterungen der Weltwirtschaft vermeiden“
Mit großer Sicherheit wird es bereits in der kommenden Woche zu einer Begegnung zwischen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem griechischen Amtskollegen Alexis Tsipras kommen. Anlass dafür ist der EU-Gipfel in Brüssel am 12. Februar. Bereits bei einem Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und Merkel, das am Montag (9. Februar) im Weißen Haus anberaumt ist, soll das Thema Griechenland zur Sprache kommen.
Washington hatte sich in den letzten Tagen deutlich dafür ausgesprochen, dass man Athen unbedingt in der Eurozone halten müsse. Obama, der Tsipras kurz nach dessen Wahlsieg telefonisch gratuliert hatte, begründete das damit, dass man Erschütterungen der Weltwirtschaft vermeiden müsse. Wenn eine Wirtschaft im freien Fall sei, so sagte er mit Blick auf Griechenland, müsse es eine „strategische Entwicklung“ geben, ein weiterer ökonomischer Druck auf die Bevölkerung führe nicht zum Ziel. Das hieße allerdings nicht, dass man auf Reformen verzichten könne, ganz im Gegenteil.
Zu Zugeständnissen bei der in Griechenland praktizierten Sparpolitik scheinen vor allem Frankreich und Italien zu tendieren, die sich selbst gegen eine straffe Austeritätspolitik aussprechen. Staaten wie Spanien, Portugal und Irland, die bereits schmerzhafte Reformen und einschneidende Sparmaßnahmen durchgeführt haben, plädieren hingegen dafür, dass Athen am verordneten Kurs festhalten müsse.
Wie fast immer in der Politik wird die Lösung des Konfliktes wohl in einem Kompromiss liegen. Griechenlands Premier Tsipras hatte bereits am Freitagabend nach der Begegnung zwischen Varoufakis und Dijsselbloem versucht, die Wogen zu glätten: Er führte Telefongespräche sowohl mit dem Chef der Eurogruppe als auch mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi. Am Samstag stellte er in einem Beitrag für die Nachrichtenagentur Bloomberg fest, dass man die von der EZB und dem Internationalen Währungsfonds erhaltenen Kredite zurückzahlen werde. Athen strebe keinen Konflikt an, man werde seine Verpflichtungen einhalten. Niemals sei es das Ziel gewesen, einseitig vorzugehen.
Tsipras möchte die Troika abschaffen
Um die Lage bei einigen europäischen Partnern zu sondieren, hat Tsipras bereits am Montag seine erste offizielle Auslandsreise begonnen. Reiseziele waren Nikosia, Rom, Brüssel und Paris. Wie traditionell üblich führte ihn sein erster Besuch auf die seit 1974 geteilte Insel Zypern, mit dem Griechenland eng verbunden ist. Er traf sich dort mit dem Präsidenten der Republik Nikos Anastasiadis. Erörtert wurden die Entwicklungen in der Zypernfrage sowie wirtschaftliche Themen. Vor allem brachte der Gast aus Athen ins Gespräch, dass die Troika der internationalen Geldgeber in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden müsse. Dies sei an der Zeit und „notwendig“ für Europa. Zudem stellte er klar, dass man bei den bevorstehenden Verhandlungen „geopolitische Argumente“ einbringen werde. Eine Europäische Union ohne Griechenland und Zypern erscheine regelrecht „amputiert“. Gerade das südöstliche Ende Europas sei inmitten einer geopolitisch erschütterten weiteren Region besonders wichtig für Stabilität und Sicherheit. Lügen gestraft würden dabei jene, die „nur ökonomische Berechnungen“ vor Augen haben, sagte er.
Von Zypern aus flog der frisch gebackene Regierungschef am Dienstag direkt nach Rom weiter, wo eine Begegnung mit seinem italienischen Amtskollegen Matteo Renzi auf dem Programm stand. In Brüssel stehen am Mittwoch Unterredungen mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker an. Am Donnerstag hat der Grieche in Paris schließlich ein Tête-à-tête mit dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande.
Dass Griechenland mit Unterstützung aus Washington rechnen kann, hatte in diesen Tagen auch der Pressesprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, deponiert. Sein Land werde Athen weiterhin unterstützen, um die Finanzlage im Lande zu stabilisieren.
Vor diesem Hintergrund versucht das Kabinett Tsipras vor allem um Verständnis bei den europäischen Partnern zu werben. Einerseits soll das Sparpaket, das frühere Regierungen mit der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem internationalen Währungsfonds geschnürt hatten, beendet werden. Im Gegenzug möchte die neue Regierung – anders als zum Teil im Wahlkampf dargestellt – tiefgreifende Reformen umsetzen. Dazu zählt die Bekämpfung der Klientelpolitik sowie der Steuerflucht.
Text: Elisa Hübel, Foto: Eurokinissi