Am Mittwoch ist das griechische Parlament dazu aufgerufen, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Diese Nachricht löste starke Turbulenzen aus, die Athener Aktienbörse sackte kräftig ab, die Zeichen in der Politik stehen auf Sturm: Es steht einiges auf dem Spiel.
Wenn am Mittwoch nicht mindestens 200 der 300 Volksvertreter den konservativen Kandidaten Stavros Dimas (ND) wählen, findet eine zweite Runde am 23. Dezember statt. Bei einem abermaligen negativen Ergebnis wäre dann der 29. Dezember der letzte Rettungsanker. Dann sind nur noch 180 Mandate nötig. Findet man auch dann keinen Konsens, müssten voraussichtlich am 25. Januar Neuwahlen stattfinden. Für sich entscheiden könnte diese wahrscheinlich das Linksbündnis SYRIZA, allerdings ist der Abstand zu den Konservativen (ND) nicht mehr so groß wie noch vor einigen Wochen, als das Bündnis noch mit rund 10 Prozentpunkten (PP) vorn lag. Jüngste Umfragen weisen SYRIZA 3,6 PP aus (Alco) bzw. nur mehr 2,8 PP (Kappa Research). Die Mehrheit der Befragten (57,8 %) sprach sich in dieser Kappa-Erhebung dafür aus, bis Ende des Jahres einen neuen Präsidenten zu wählen, um einen vorverlegten Urnengang zu vermeiden. 36,5 % wünschen hingegen, dass es zu Parlamentswahlen kommt.
Dass 200 der 300 Volksvertreter dem Kandidaten für das Präsidentenamt ihre Stimme geben könnten, gilt als unwahrscheinlich. Die Zweiparteienregierung aus ND und PASOK verfügt nur mehr über 155 Sitze im Parlament. Offen bleibt aber, wie sich die 24 unabhängigen Abgeordneten verhalten; einige habe bereits erklärt, für Dimas zu votieren, um das Land nicht in neue Abenteuer zu stürzen. Eventuell könnte die Regierung auch mit den Stimmen einiger Vertreter der Unabhängigen Griechen (ANEL) und der Demokratischen Linken (DIMAR) rechnen, die gemeinsam über 22 Mandate verfügen.
Gerüchte über „Stimmenkauf“
Der Vorsitzende der DIMAR, Fotis Kouvelis, gab am Montag – entgegen der bisherigen Parteilinie – seinen Abgeordneten indirekt „Grünes Licht“, falls sie für den Präsidentschaftskandidaten stimmen würden. Wer mit „Ja“ votieren würde, sei für ihn kein Verräter, sagte er. Auch bei der rechtspopulistischen ANEL könnte es Abtrünnige geben; obwohl die offizielle Parteilinie strikt ein solches Szenario verbietet. Um Abweichungen von der Parteilinie zu verhindern, streuen ANEL-Funktionäre immer wieder Gerüchte, wonach versucht werde, Stimmen einzelner Parlamentarier „zu kaufen“. Neben der Zahlung von Bargeld verspreche man auch Ministerposten. Präsidentschaftskandidat Dimas, so die Kritik, greife unterdessen immer wieder zum Telefonhörer, um bei ANEL-Abgeordneten für Stimmen zu werben.
Die beiden Hauptkontrahenten ND und SYRIZA wetzen unterdessen kräftig die Messer. In einem Zeitungsinterview warf Ministerpräsident Antonis Samaras (ND) dem SYRIZA-Chef Alexis Tsipras vor, dass er „ein Klima der Angst an den internationalen Märkten“ schüre. Tsipras hingegen erklärte, dass der Regierungschef einen „bank run“ inszeniere, um das Land ins Chaos zu stürzen. Unsere Aufnahme zeigt Samaras (r.) am Montagnachmittag bei einem Treffen mit dem EU-Kommissar Pierre Moscovici in Athen.
(Griechenland Zeitung / eh, Foto: Eurokinissi)