Nachdem Anfang der Woche bekannt gegeben wurde, dass am 17. Dezember Präsidentschaftswahlen stattfinden, zeigt das politische Barometer in Athen auf Sturm. Während in den ersten beiden Abstimmungsrunden 200 der 300 Stimmen benötigt werden, um sich auf einen Kandidaten zu einigen, sind zwar in der dritten Rund nur mehr 180 Stimmen notwendig.
Die Regierungskoalition aus Konservativen (ND) und Sozialisten (PASOK) verfügt aber nur über 155 Sitze in der Volksvertretung. Daher konzentriert man sich nun darauf, eventuell Stimmen aus anderen Lagern zu bekommen, etwa von den 25 unabhängigen Parlamentariern. Potentielle Kandidaten für ein Votum mit „Ja“ könnte es eventuell auch in der Partei der „Unabhängigen Griechen (ANEL)“ oder unter den zehn Parlamentariern der „Demokratische Linken“ (DIMAR) geben. Die offizielle Parteilinie von ANEL und DIMAR ist allerdings gegen die Wahl eines neuen Präsidenten, um damit Neuwahlen zu erzwingen. Dass sich einzelne Abgeordnete aus diesem Lager der Parteilinie widersetzen, scheint nicht ausgeschlossen.
Kritik an der Wahl des Kandidaten
Kritik wurde seit Dienstag vor allem daran geübt, dass die Regierungskoalition als Kandidaten für das höchste Amt im Staate den früheren EU-Kommissar Stavros Dimas benannte. Diese Wahl gilt als eine „parteiliche“ Entscheidung der konservativen ND von Ministerpräsident Samaras und nicht als eine „politische Entscheidung“, für die auch Parlamentarier aus anderen politischen Formationen hätten stimmen können.
Der Wahlkampf läuft an
Angesichts dieser Entwicklungen bereitet sich das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), Griechenlands größte Oppositionspartei, bereits auf den Wahlkampf sowie auf eine eventuelle anschließende Regierungsübernahme vor. Die Zeitung „To Vima“ berichtete, dass das Bündnis bereits den Auftrag erteilt habe, erste Gesetzesinitiativen auszuarbeiten.
Wenn die Regierung die erforderlichen 180 „Ja“-Stimmen nicht auf die Waage bringt, wird es zwangsläufig Ende Januar oder Anfang Februar zu einem vorverlegten Urnengang kommen. Angesichts der Umfragewerte hätte
SYRIZA gute Chancen, den Sieg davon zu tragen. Das Linksbündnis müsste jedoch Koalitionspartner finden. Dazu wären die Rechtspopulisten (ANEL) sowie vielleicht einige Mitglieder der DIMAR, die sich für eine Vereinigung mit SYRIZA aussprechen, bereit.
Ex-Regierungschefs der PASOK
Zu Wort meldeten sich in diesem politischen Klima zwei frühere Ministerpräsidenten aus der sozialistischen PASOK, die derzeit gemeinsam mit der ND die Regierung trägt. Der eine von ihnen ist Kostas Simitis, der von 1996 bis 2004 das Land regierte. Er stellte fest, es sei nicht realistisch, dass 180 Abgeordnete dem Kandidaten für das Amt des Präsidenten ihre Stimme geben würden. Sein Nachfolger Jorgos Papandreou, der zwischen 2009 und 2011 regiert hat, spielt unterdessen mit dem Gedanken, eine eigene neue Partei zu gründen. Unterstützung haben ihm bereits einige PASOK-Funktionäre zugesagt. Ob sie bei einem Urnengang Erfolg haben könnten, ist aber eine ganz andere Frage. Unser Archivfoto aus dem Jahre 2008 (Eurokinissi) zeigt alte PASOK-Genossen in trauter Eintracht: links Papandreou, rechts Simitis. – Damals hatte die PASOK noch Grund zum Feiern: Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2009 erhielten die Sozialisten 43,92 % der Stimmen. Heute erreicht sie Umfragewerte um die 5 %.
Elisa Hübel