Grieche erhält wichtiges Ressort
Nach der Ankündigung des neuen Kabinetts unter Juncker teilte
Ministerpräsident Samaras mit: „Es ist außerordentlich ehrenhaft
für Griechenland und ein wichtiges Zeichen des Vertrauens in unser
Land."
Beobachter gingen bereits seit Wochen davon aus, dass Griechenland
eine wichtige Aufgabe in der Europäischen Kommission erhalten
würde. Das Land hat aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise in
den vergangenen Jahren harte Spar- und Reformmaßnahmen durchsetzen
müssen. Darunter haben nicht nur die Bürger gelitten, sondern auch
die Regierungsparteien in Griechenland, die stark an Wählerkraft
einbüßten.
Umfragen zufolge sind die Karten für die konservative Nea
Dimokratia von Ministerpräsident Samaras derzeit nicht besonders
gut. Die linke Opposition hat die Nase deutlich vorn, gleichzeitig
fordert sie vorverlegte Parlamentswahlen. Der ebenfalls
konservativen Führung in Europa dürfte allerdings nur wenig daran
gelegen sein, dass in Athen eine Linkspartei das Ruder übernimmt.
So gesehen war die Vergabe des wichtigen Kommissionspostens an den
bisherigen griechischen Verteidigungsminister Avramopoulos auch als
politisches Signal dafür zu verstehen, dass man Samaras weiterhin
unterstützen werde. Außerdem hatte das griechische
Regierungsoberhaupt den neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude
Juncker seinerseits bei dessen Kandidatur für das Amt des
EU-Kommissionspräsidenten uneingeschränkt unter die Arme gegriffen.
Juncker hatte in diesem Sommer seine Europa-Tournee in Athen
begonnen und bereits bei dieser Gelegenheit angekündigt, dass der
neue griechische EU-Kommissar Avramopoulos „einen wichtigen Posten"
erhalten werde.
Migration an oberster Stelle
Dass Athen
ausgerechnet das Ressort erhalten hat, das auch für die
Migrationspolitik und dazugehörige Bereiche zuständig ist, kommt
nicht von ungefähr. Griechenland hat eine schwer zu überwachende
EU-Außengrenze. Das Land an der Ägäis ist mit der immer stärker
werdenden illegalen Einwanderung deutlich überfordert. Erhöht wurde
der Migrationsdruck noch durch die Krisensituation vor allem in
Syrien und in Afghanistan. Die Anzahl der Flüchtlinge, die
aus jenen Ländern über Hellas weiter nach Europa wollen, reißt
einfach nicht ab – im Gegenteil. Wenn die illegalen Ankömmlinge in
Griechenland von der Polizei oder der Hafenbehörde aufgegriffen
werden, werden sie über das ganze Land in Auffanglager eingewiesen,
die über das ganze Land verstreut sind. Dort bleiben sie bis zu
ihrer Repatriierung oder bis ihnen Asyl zugesprochen wird. Die
Gesetzgebung sieht vor, dass der Aufenthalt in diesen Lagern
maximal sechs Monate dauern darf. Doch dieser zeitliche Rahmen
werde oft nicht eingehalten, teilen Menschenrechtsorganisationen
immer wieder mit. In diesem Zusammenhang ist auch oft die Rede von
„menschenunwürdigen Bedingungen". Selbst das Personal in diesen
Lagern spricht von absolut unzureichenden hygienischen Bedingungen.
Dies sei nicht nur eine gesundheitliche Gefahr für die Immigranten,
sondern auch für die Aufsichtspersonen.
Erschwerend kommt für die Lage in Griechenland hinzu, dass
Einwanderer in Europa ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung bzw. ohne
Reisepapiere in jenes Land abgeschoben werden sollen, wo sie zum
ersten Mal europäischen Boden betreten haben: das sind in den
meisten Fällen Griechenland, Spanien und Italien. Auch aus diesem
Grund drängt Athen seit längerem, dass das Problem
Migrationspolitik auf die Schultern aller europäischen Länder
gleichmäßig verteilt werden müsse und nicht allein von den
Mittelmeerländern getragen werden könne.
Gegen Terrorismus und
Homophobie
Avramopoulos ist auf seinem neuen Posten
auch für den Schutz von Minderheiten und für die Bekämpfung der
Homophobie zuständig. Erst am Dienstag dieser Woche wurde in
Griechenland ein neues Gesetz zur Bekämpfung des Rassismus
abgesegnet. Ein Paragraf, der Lebenspartnerschaften
Gleichgeschlechtiger mit der Institution der Ehe gleichstellen
sollte, wurde trotz anderslautender Versprechungen in letzter
Minute gestrichen; nicht zuletzt auf Druck der orthodoxen
Kirche.
Der neue griechische EU-Kommissar wird in seinem Ressort auch für
die Bekämpfung des Terrorismus verantwortlich sein. In diesem
Bereich sieht man sich in Griechenland selbst mit einem noch nicht
gelösten Problem konfrontiert.
Text: Elisa Hübel, Foto: Eurokinissi