Verglichen mit früheren Monaten scheinen die Proteste allerdings langsam zu erlahmen. Am Streik beteiligten sich etwa Bankangestellte oder Krankenhausärzte, doch eher zögerlich. Die U-Bahn wurde ganztägig bestreikt, bei den anderen Nahverkehrsmitteln kam es nur zu kürzeren Arbeitsniederlegungen. Am streikfreudigsten zeigten sich die Journalisten, sie traten am Dienstag und Mittwoch landesweit in einen 48-stündigen Ausstand. Die Bürger des Landes sind daher von aktuellen Nachrichten so gut wie abgeschnitten – auch, was die Verhandlungen mit der Troika betrifft.
Optimistischer Ministerpräsident
Dabei steht
Vieles auf dem Spiel. Es geht vor allem um ein neues dreijähriges
Rettungspaket in Höhe von 130 Mrd. Euro. Voraussetzung dafür ist
ein erfolgreich durchgeführter Anleihenaustausch (Schuldenschnitt),
an dem sich auch Privatgläubiger beteiligen sollen (PSI). Dadurch
sollen die Schulden des Landes um mindestens 100 Mrd. reduziert
werden. Sollte das missglücken, wäre Griechenland am 20. März
bankrott, dann laufen Anleihen in Höhe von über 14 Mrd. Euro aus.
Die in der vorigen Woche abgebrochenen Gespräche über den
Schuldenschnitt werden voraussichtlich am Donnerstag wieder
aufgenommen. Vor diesem Hintergrund gerät die Regierung unter
Loukas Papadimos immer stärker unter Druck. Im Eiltempo müssen nun
136 bisher geschlossene Berufe liberalisiert werden. Dazu gehören
nicht nur Spediteure, sondern auch Rechtsanwälte oder Friseure oder
Zeitungsverkäufer. Auf der Tagesordnung stehen auch die
Zusammenlegung öffentlicher Betriebe, Entlassungen im Staatssektor,
weitere Senkungen von Zusatzrenten und Lohnkürzungen auch in der
Privatwirtschaft.
Aufschwung der Linken
Ihren Niederschlag
findet diese Politik im Moment nicht so sehr in Form von Protesten,
sondern vor allem in Umfragen. Einer jüngsten Erhebung zufolge
würden die drei linken Parteien – die kommunistische KKE, das linke
Wahlbündnis Syriza und die Demokratische Linke (Dimar) – etwa 38 %
der Wählerstimmen erhalten. Gemeinsam könnten sie damit theoretisch
eine Regierung bilden. Wegen unüberwindbarer
Meinungsverschiedenheiten ist ein solches Szenarium aber nicht
realistisch. Profiteur der allgemeinen politischen Enttäuschung ist
vor allem die konservative Nea Dimokratia (ND). Sie konnte jüngst
wieder mit ihrer ablehnenden Haltung gegen neue Sparmaßnahmen und
weitere Kürzungen bei den Zusatzrenten punkten: Sie käme derzeit
auf 30,5 %. Damit erreichte die ND fast ihr Ergebnis des Jahres
2009 (33,47 %). Was damals als Desaster empfunden wurde, gilt heute
als ein Triumph.
Verlierer der Krise
Große Verliererin in der
Krise ist die PASOK, der die Wähler scharenweise davon laufen. Der
jüngsten Umfrage zufolge würden dieser Partei, die 2009 siegreich
mit 43,92 % der Stimmen ins Parlament eingezogen war, gerade noch
14 % ihre Stimmen gegeben. Das sind nur 0,5 % mehr als bei der erst
2010 gegründeten Dimar. Nicht wenige Sozialisten befürchten sogar
ein Auseinanderbrechen ihrer Partei. Um das Schlimmste zu
verhindern, soll nun ein neuer PASOK-Chef ans Ruder. Die Amtszeit
des derzeitigen Vorsitzenden Jorgos Papandreou ist offiziell
abgelaufen. Nachdem er im November vom Posten des
Ministerpräsidenten zurücktreten musste, blickt er – wie die
meisten Griechen – in eine eher düstere Zukunft.
Text: Elisa Hübel, Foto: Eurokinissi, Archiv