Verhandlungen mit der Troika
Am
Dienstagvormittag hat sich der Minister für Verwaltungsreformen
Kyriakos Mitsotakis mit hochrangigen Troika-Inspektoren aus
Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und
Internationalem Währungsfonds getroffen. Hauptgesprächsthema war
auch hier die Maßnahme der Arbeitsreserve. Die Regierung will
durchsetzen, dass die 15.000 entlassenen Staatsdiener durch neue
Kräfte mit größeren Fähigkeiten ersetzt werden. Als Beispiel dafür
wird der staatliche Fernseh- und Radiosender ERT genannt, der im
Juni ohne Vorwarnung geschlossen wurde. 2.600 Journalisten,
Techniker und sonstiges Personal wurden entlassen. Einige von ihnen
wurden vom kürzlich neu eröffneten Sender DT wieder eingestellt.
Allerdings gibt es hier Kritik, dass diese Einstellungen mit
parteipolitischen Kriterien erfolgt seien.
Glockenläuten in Athen
Am Generalstreik der
ADEDY heute und morgen beteiligen sich u. a. Kommunalangestellte,
Krankenhauspersonal, Grundschullehrer und Angestellte in
Finanzämtern. Die Lotsendienste in vielen Häfen des Landes werden
nur mit Notpersonal besetzt sein. Journalisten legen zwischen 10.00
und 13.00 Uhr die Arbeit nieder. Massiv ist auch der Protest von
etwa 3.500 Gemeindepolizisten, deren Posten am Montag auch
offiziell abgeschafft worden ist. Seither befinden sie sich in der
Arbeitsreserve. Am Montag hatten sie im Zentrum Athens
Trauerglocken läuten lassen – um somit symbolisch auf die
„Beerdigung“ ihrer Arbeitsstellen aufmerksam zu machen.
Unterdessen erlahmen die Streiks der Lehrer. Sie hatten in der
vorigen Woche landesweit fünftägige rollende Arbeitsniederlegungen
angekündigt. In dieser Woche wollen sie lediglich für 48 Stunden
streiken. Die Beteiligung lag am Anfang des Streiks bei 50 bis 80
Prozent, flaute aber merklich ab. In einigen Landesteilen legen nur
mehr knapp 6 % des Lehrpersonals die Arbeit nieder. Allerdings
haben zahlreiche Schüler vor allem im Großraum Athen seit voriger
Woche rund 70 Schulen besetzt. Damit wollen sie sich solidarisch
auf die Seite ihrer Lehrern stellen, wozu letztere aufgerufen
hatten. Die Schülerproteste richten sich zudem gegen eine
Gesetzesnovelle des Bildungsministeriums. Am heutigen Dienstag
wurden auch in anderen Landesteilen Schulen besetzt.
Protest gegen Faschismus
Insgesamt ist ein
allmähliches Abflauen der Streikfront zu beobachten. Auch die
Beteiligung an Kundgebungen scheint rückläufig zu sein.
Gewerkschafter und Angestellte haben offenbar nicht mehr die
finanzielle Kraft, wochenland auf die Barrikaden zu gehen. Seit
Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise vor etwa dreieinhalb Jahren
wurden ihnen die Gehälter um bis zu 45 % gekürzt. Letztlich dürfte
auch politisches Fingerspitzengefühl der im vorigen Frühsommer
gewählten Koalitionsregierung dazu beigetragen haben, die
Streikfront etwas aufzuweichen.
Nun gilt es vor allem, illegale und gewaltsame Aktivitäten der
faschistischen Chryssi Avgi zu bremsen. Die griechischen Neonazis
hatten bisher vor allem illegale Einwanderer attackiert. Nachdem in
der vorigen Woche ein antifaschistischer Musiker von einem Anhänger
dieser Partei umgebracht worden war, engagieren sich nun auch die
Gewerkschaften im Kampf gegen faschistische Tendenzen. Am morgigen
Mittwoch findet um 18.00 vor dem Parlament am Athener
Syntagma-Platz eine antifaschistische Gewerkschaftskundgebung
statt.
(Text: Elisa Hübel, Foto: Eurokinissi, Archiv)