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Beendet Zwangsrekrutierung den Streik bei der U-Bahn? Tagesthema

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Beendet Zwangsrekrutierung den Streik bei der U-Bahn?
Am Donnerstag wurde in Griechenland entschieden, die seit Tagen streikenden U-Bahner zum Dienst zu verpflichten. Daraufhin entschlossen sich andere Gewerkschaften ebenfalls zum Streik. Inzwischen aber scheint die Front zu bröckeln. Die Angestellten der öffentlichen Nahverkehrsmitteln Athens und Attikas haben am Donnerstag beschlossen, vorerst bis zum kommenden Dienstag, dem 29. Januar, aufeinanderfolgende 24-stündige Arbeitsniederlegungen durchzuführen.
tsniederlegungen durchzuführen. In der Praxis entspricht das einem mehrtägigen Streik. Auf den Straßen der griechischen Hauptstadt kommt es bis auf weiteres zu chaotischen Verkehrsstaus. Die Regelung des Innenstadtringes, in dem immer nur eine begrenzte Anzahl von Fahrzeugen verkehren darf, wurde außer Kraft gesetzt.
Hintergrund für die Verschärfung des Streiks ist eine Entscheidung der Regierung, die Ministerpräsident Antonis Samaras am Donnerstag traf. Demnach werden die Streikenden zum Dienst verpflichtet. Der Form nach kommt dies einer Einberufung zum Militär gleich, es handelt sich um eine Zwangsrekrutierung. Zuvor wurden die 24-stündigen Arbeitsniederlegungen, die seit der vorigen Woche anhalten, mehrfach per Gericht als illegal eingestuft. Wer dem Gestellungsbefehl nicht nachkommt, riskierte eine Festnahme durch die Polizei und muss mit hohen Strafen rechnen.

Gewerkschaften reagieren solidarisch
Daraufhin setzten die Gewerkschaften zunächst die Zeichen auf Sturm. Antonis Stamatopoulos, Vorsitzender der Arbeitnehmer bei der Untergrundbahn, verglich die Zwangsrekrutierung mit den Methoden der Junta. Er hatte bei den letzten Wahlen für die Partei „Antikapitalistische linke Kooperation für den Umsturz“ kandidiert, die aber nicht ins Parlament kam. Nach der Ankündigung, dass die U-Bahner zwangsrekrutiert werden sollen, zeigten sich die Mitarbeiter der anderen Athener Nahverkehrsmittel mit den Betroffenen solidarisch und traten ebenfalls in den Ausstand. Am Wochenende wollen auch die Angestellten bei der staatlichen Eisenbahn OSE streiken. Auch der Gewerkschaftsdachverband der Privatwirtschaft GSEE setzten Zeichen der Solidarität. Der GSEE-Vorsitzende Jannis Panagopoulos forderte die Regierung dazu auf, unverzüglich den Dialog mit den Arbeitnehmern aufzunehmen und die Maßnahme der Zwangsrekrutierung rückgängig zu machen. Heute will die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ADEDY über ihr weiteres Vorgehen beraten. Ein Generalstreik ist nicht auszuschließen.

Leichte Beruhigung der Lage
Parallel zu diesen Entwicklungen könnte sich die Lage im Nahverkehr aber allmählich beruhigen. Die Unternehmensleitungen der U-Bahn (Attiko Metro), der S-Bahn (ISAP) und der Straßenbahn (Tram) registrierten am Freitag, dass sich viele Angestellte wieder zur Arbeit melden. Die Unternehmen setzten sich das Ziel, den Schienennahverkehr möglichst noch bis Freitagabend wieder in Gang zu bringen. Regierungssprecher Simos Kedikoglou geht davon aus, dass sich die Situation im Nahverkehr am Wochenende beruhigen wird.

Einsatz der Bereitschaftspolizei
Eine Eskalation drohte am Donnerstagnachmittag, als Angestellte der U-Bahn Fahrzeugdepots des Unternehmens besetzten. Gegen 3.30 Uhr in der Nacht wurde diese Besetzung durch einen Einsatz der Bereitschaftspolizei (MAT) beendet. Drei Personen wurden vorläufig festgenommen und anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt. Ministerpräsident Samaras hatte am Donnerstag darauf hingewiesen, dass die öffentlichen Nahverkehrsmittel „dem Volk gehören und nicht den Zünften“. Finanzminister Jannis Stournaras erklärte entschieden, dass man entschlossen sei, die Vereinheitlichung der Gehälter aller Staatsdiener, durchzusetzen. Vor allem gegen diese Maßnahme richtet sich der seit 9 Tagen anhaltende Streik der U-Bahn-Angestellten. Verkehrsminister Kostis Chatzidakis stellte fest, die Streikenden würden versuchen, das öffentliche Leben zu lähmen. Das bereite der Wirtschaft große Probleme.

Bewährungsprobe für Regierung
Die Regierung wird damit einer harten Bewährungsprobe unterzogen. Zwar steht die sozialistische PASOK, die mit in der Dreiparteien-Koalition sitzt, hinter der Entscheidung. Doch die Demokratische Linke (Dimar), Juniorpartner in der Regierung, zeigte sich mit der Zwangsrekrutierung pro forma nicht einverstanden. Veto legte sie gegen diese Entscheidung aber nicht ein.
Scharfe Kritik hagelte es seitens der linken Opposition: von der kommunistischen KKE und dem radikalen Linksbündnis Syriza. Die der kommunistischen Partei nahe stehende Gewerkschaft PAME hat für Samstag um 11.00 Uhr zu einer Solidaritätsdemonstration am Athener Omonia-Platz aufgerufen. SYRIZA sprach von einem „Putsch gegen die Verfassung“.

Kritik wegen geringer Streikbeteiligung
Bereits ab Montag hatte ein Athener Gericht die täglichen Streiks der Metro-Angestellten jeden Tag erneut als illegal eingestuft. Grund dafür sei, dass diese ihre Arbeitsniederlegungen zu spät ankündigen würden. Doch die Gewerkschafter umgingen diese Beschlüsse, indem sie jeden Tag neue Forderungen stellten und damit den gerichtlichen Beschluss des Vortages aufhoben. 
Kritik müssen sich die Gewerkschafter wegen der sehr geringen Streikbeteiligung anhören. Transportminister Chatzidakis stellte fest, dass am ersten Streiktag, dem Donnerstag voriger Woche (17. Januar), 33 % der Angestellten am Streik beteiligt waren. Am darauf folgenden Tag seien es 48 % gewesen, am Samstag und Sonntag sei diese Zahl dann auf 16 % bzw. 14 % gesunken. Die übrigen Angestellten hätten sich frei genommen oder krank gemeldet. Ähnliche niedrige Beteiligungszahlen wurden für den Montag gemeldet. Auch darüber soll nun das Gericht befinden. Allein der Streik bei der U-Bahn verursachte pro Tag einen Schaden zwischen 800.000 und 1 Million Euro. Dabei gelten die Mitarbeiter des Unternehmens als besonders privilegiert. Minister Chatzidakis rechnete vor, dass sie durchschnittlich inklusive aller Zulagen im Monat über 3.000 Euro verdienen – bei der S-Bahn (ISAP) soll der Durchschnittsverdienst sogar über 4.000 Euro liegen. Diese Angaben werden von den Gewerkschaften allerdings bestritten.

Solidarität und verlorene Lebenszeit
Der tägliche Weg zur Arbeit wird durch die Streiksituation für viele Griechen zu einem Martyrium. Die 35-jährige Frau Sofia zum Beispiel lebt im nordöstlichen Athener Vorort Agia Paraskevi. Im Normalfall fährt sie morgens mit der U-Bahn zur Arbeit. Das dauert 30 bis 40 Minuten. In den letzten Tagen brauchte sie für die Hinfahrt sowie für die Rückfahrt jeweils drei Stunden. Die 35-Jährige spricht sichtlich wütend von „verlorenen Stunden meines Lebens“. Sie hat für den anhaltenden Ausstand kein Verständnis. Die Situation, so sagt sie, zermürbe sie. Anderer Meinung ist der 78-jährige Herr Panajiotis. Er geht im Athener Stadtzentrum spazieren. In der rechten Hand hält er einen Regenschirm, der Himmel über ihn ist grau – die Straßen sind überschwemmt. Trotz aller Strapazen fragt er rhetorisch, warum sich nicht auch die anderen Gewerkschaften am Streik beteiligen. „Jetzt“, so meint er, „ist doch die Gelegenheit, das Sparkabinett von Samaras endlich zu stürzen.“

Der Ministerpräsident ist auf der Hut
Ministerpräsident Antonis Samaras ist unterdessen auf der Hut. Der konservative Chef der Dreiparteienregierung zeigt in dieser schwierigen Situation politische Elastizität. Entgegen aller Prognosen hat er die politischen und wirtschaftlichen Klippen seit seiner Kür zum Ministerpräsidenten im vergangenen Juni gut umschifft. Der 62-Jährige gilt als einer der erfahrensten Politiker des Landes. Bereits 1977 saß er als damals jüngster Abgeordneter erstmals im Parlament. Bisher hat er es gut verstanden, seinen beiden Koalitionspartner aus dem linken Lager bei der Stange zu halten. Es bleibt anzuwarten, wie die Regierung den begonnen Streik aller Verkehrsmittel übersteht.
Unterdessen haben auch die Seemänner für den 31. Januar und den 1. Februar eine 48-stündige Arbeitsniederlegung beschlossen. Die Bauern werden am kommenden Sonntag, dem 27. Januar, darüber entscheiden, ob auch sie diverse Protestaktionen gegen die Sparvorlagen der Regierung durchführen werden. (Griechenland Zeitung / eh, Foto: Eurokinissi)

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