Einer Zerreißprobe unterzogen
Die Verabschiedung des mit der Troika vereinbarten Spar- und
Maßnahmepaketes durch das griechische Parlament steht
voraussichtlich erst im November ins Haus. Zwar hatte
Ministerpräsident Antonis Samaras am Montag auf einem Kongress
erklärt, dass das Schlimmste überwunden sei. Dennoch könnten die
Forderungen der Troika zu einer Zerreißprobe für die Regierung
werden. Die PASOK und die Demokratische Linke (DIMAR), die die
Regierung Samaras (Nea Demokratia) unterstützen, melden vor allem
Vorbehalte gegen Entlassungen im öffentlichen Sektor und
Veränderungen bei den Arbeitsbeziehungen an, was weitere
Einschnitte bei den Rechten der Arbeitnehmer bedeuten würde.
Der PASOK-Vorsitzende Evangelos Venizelos stellte am Montag klar,
das Griechenland „kein Drittweltland“ sei. Vielmehr sei man ein
Land der Europäischen Union, in dem der europäische Besitzstand
gelte. Er verwies darauf, dass bereits große Veränderungen bei den
Arbeitsbeziehungen umgesetzt worden seien. Die Wettbewerbsfähigkeit
sei um zwei Drittel gestärkt worden. PASOK-Sprecherin Fofi
Gennimata sagte, man nicht zulassen werde, dass die Rechte der
Arbeitnehmer dem Prinzip des Dschungels geopfert würden. Darüber
diskutiere man nicht. DIMAR-Sprecher Andreas Papadopoulos sprach
von einer „Bombe an den Fundamenten der Regierung“. Parteiführer
Fotis Kouvelis werde eine Diskussion darüber ablehnen. Die
Oppositionspartei der Unabhängigen Griechen warnte vor
„Arbeitsbeziehungen wie im Mittelalter“. Troika und Regierung
würden Griechenland zu einer „Sonderwirtschaftszone vom Typ
Bangladesch“ umgestalten.
Generalstreik am Donnerstag
Starken Widerstand gegen die geplanten Maßnahmen haben vor allem
auch die Gewerkschaften angekündigt. Sie führen am Donnerstag
anlässlich des EU-Gipfels in Brüssel einen weiteren Generalstreik
durch. Es ist der zweite Generalstreik seit Amtsantritt von Samaras
im Juni. Dazu aufgerufen haben die beiden größten Gewerkschaften
des Landes GSEE (Privatwirtschaft) und ADEDY (Öffentlicher Dienst).
Die zentrale Kundgebung findet um 11 Uhr auf dem Athener Pedion tou
Areos-Platz statt. Die der kommunistischen Partei nahe stehende
Gewerkschaft PAME will am gleichen Tag in vielen Landesteilen
zahlreiche Proteste organisieren. In Athen treffen sich die
kommunistischen Gewerkschafter um 10.30 Uhr am Omonia-Platz. Ihre
Geschäfte geschlossen halten wollen an diesem Tag auch die
Mitglieder des Verbandes der griechischen Händlervereinigung ESEE.
Die Taxifahrer wollen landesweit zwischen 8 und 17 Uhr ihre Arbeit
niederlegen.
Am Donnerstag wird es voraussichtlich auch zu Problemen in
öffentlichen Ämtern und Schulen, in staatlichen Betrieben und
Krankenhäusern kommen. Auch mit Verzögerungen im Flugverkehr ist zu
rechnen: die Fluglotsen wollen zwischen 10.00 und 13.00 Uhr ihre
Arbeit niederlegen. Bestreikt wird auch der öffentliche Nahverkehr.
Die Vorortbahn Proastiakos, die u. a. auch den Athener Flughafen
„Eleftherios Venizelos“ bedient, wird den ganzen Tag nicht
verkehren. Das gleiche gilt auch für die Oberleitungsbusse. Auch
die Angestellten bei den Bussen, der Straßenbahn, der U-Bahn und
der Elektrobahn wollen am Donnerstag ihre Arbeit niederlegen.
Entsprechende Entscheidungen über den Zeitraum dieser
Arbeitsniederlegungen sollen jedoch erst im Laufe des heutigen
Tages getroffen werden. Fest steht bereits jetzt, dass am
Donnerstag landesweit keine Eisenbahnzüge verkehren werden.
Warnung vor der „Mutter aller Schlachten“
Bereits am morgigen Mittwoch wollen auch die Journalisten für 24
Stunden ihre Arbeit niederlegen. Am Donnerstag wollen sie zwischen
11.00 und 15.00 die Arbeit verweigern. Zudem bleiben am Mittwoch in
ganz Griechenland u. a. Notare, Krankenhausärzte und Apotheker
ihrer Arbeit fern. Sie wollen auch eine Demonstration vor dem
Finanzministerium durchführen. Ab Mittwoch und bis einschließlich
Freitag wollen außerdem auch die Rechtsanwälte ihre Arbeit
verweigern.
Einen ersten Geschmack auf die kommenden Arbeitsniederlegungen
erhielten die Athener bereits heute Morgen. Kurzfristig haben sich
die Angestellten der U-Bahn und der Elektrobahn dazu entschlossen,
erst ab 9.00 Uhr den Dienst aufzunehmen. Sie protestieren damit
gegen mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen an ihrem Arbeitsplatz. Es
soll immer wieder zu Attacken von Unbekannten gegen das Personal
dieser Nahverkehrsmittel kommen. Gewerkschafter kritisierten, dass
deshalb bereits zwei ihrer Kollegen im Krankenhaus behandelt werden
müssen. Auch die Gewerkschafter der staatlichen Stromgesellschaft
DEI wollen in den Streik treten, falls die Regierung mit ihren
Privatisierungsplänen des Stromerzeugers fortfahren sollte. Die
kampferprobte Gewerkschaft droht mit der „Mutter aller
Schlachten“.
Bereits jetzt hat die Seite der Arbeitnehmer weitere Proteste für
den Tag angekündigt, an dem das Paket im Parlament verabschiedet
werden soll. (Griechenland Zeitung / eh, Foto: Eurokinissi)