Bürger belagern das Parlament in Athen
Die Gewerkschaften Öffentlicher Dienst (ADEDY), der
Gewerkschaftsbund der Privatwirtschaft (GSEE) und die
kommunistische PAME führen seit heut einen zweitägigen Streik
durch. Zudem kündigten „empörte Bürger“ an, erneut das Parlament zu
belagern, um dort die Abstimmung über das Mittelfristige Programm
zur Sanierung des Haushalts bis 2015 am Mittwoch zu verhindern.
Dieses ist nach der erfolgreichen Vertrauensabstimmung in der
vorigen Woche für die Regierung Papandreou die zweite große Hürde
innerhalb weniger Tage. Für Donnerstag ist dann die Verabschiedung
des entsprechenden Gesetzes zur Anwendung der einzelnen Maßnahmen
geplant. Beides ist die Voraussetzung dafür, dass Griechenland eine
fünfte Kreditrate in Höhe von 12 Mrd. Euro erhält. Außerdem wurde
ein weiterer Großkredit in Höhe von über 100 Mrd. Euro in Aussicht
gestellt, mit dem Griechenland bis 2014 seine Schulden
refinanzieren könnte. Geldgeber sind die EU und der Internationale
Währungsfonds.
Um das Mittelfristige Programm abzusegnen, benötigt die Regierung
beim Votum am Mittwoch mindestens 151 der 300 Stimmen. Zwar verfügt
sie noch über eine Mehrheit von 155 Sitzen, es könnte aber knapp
werden. Die Oppositionsparteien werden mit „Nein“ stimmen, außerdem
haben vier Abgeordnete aus den eigenen Reihen ihren Unmut
signalisiert. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, dass
Parlamentarier aus den Reihen der großen Oppositionspartei Nea
Dimokratia (ND) mit „Ja“ stimmen.
Papandreou fordert „patriotisches Verhalten“
Zum Auftakt der Parlamentsdebatte über das neue Sparprogramm
wandte sich Papandreou am Montag an die eigenen Genossen mit den
Worten, dass die Fraktion „ihre Pflicht gegenüber dem Land tut“.
Dies sei ein „patriotisches Verhalten“. Man stehe am Rande des
Abgrundes, werde aber ohne zu zögern für eine bessere Zukunft
sorgen. Schon 2013 werde die Lage der Wirtschaft eine andere sein,
dann könnten die Vorzüge des Landes besser genutzt werden. Scharf
kritisierte Papandreou die ND. Die Griechen müssten heute die
Rechnung für deren „katastrophale“ Regierungspolitik bezahlen (2004
bis 2009). Nun aber stelle sich diese Partei auch noch auf eine
Stufe mit all jenen, die darauf wetten, dass Griechenland Bankrott
gehe.
Aus den Reihen der ND wurde gekontert, das von Papandreou
aufgeworfene Dilemma „Mittelfristiges Programm – oder Bankrott“ sei
lediglich ein politischer Trick. Besonders scharf kritisiert wurden
Erklärungen des Vizepremiers Theodoros Pangalos. Dieser hatte
gegenüber der spanischen Zeitung „El Mundo“ erklärt, dass die Armee
die Geldinstitute mit Panzern schützen müsse, falls das Land
eventuell die Euro-Zone verlassen müsste. „Die Banken wären dann
umringt von Menschen, die ihr Geld abheben wollen.“ Landesweit gäbe
es dann „Aufstände“. Diese Erklärungen stießen nicht nur bei der
Opposition, sondern auch in den Reihen der Sozialisten auf
Unverständnis. Papandreou versuchte, die Wogen in den eigenen
Reihen zu glätten und gab zu verstehen, dass er die Ansichten
seines Vizechefs „nicht im geringsten“ teile.
Auch Touristen vom Streik betroffen
Im Vorfeld der Abstimmung über das Mittelfristige Programm zur
Sanierung des griechischen Haushaltes – das mit umfassenden
Privatisierungen und weiteren einschneidenden Sparmaßnahmen
verbunden ist – kommt es am Dienstag und Mittwoch zu massiven
Protesten. Daran beteiligen sich die großen Gewerkschaften des
Landes: Öffentlicher Dienst (ADEDY), der Gewerkschaftsbund der
Privatwirtschaft (GSEE) und die kommunistische PAME. Auch die
„Empörten Bürger“ am Athener Syntagma-Platz und in anderen Städten
des Landes haben zu Protesten aufgerufen. Einige von ihnen
kampieren seit nunmehr über einen Monat vor dem Parlament in der
griechischen Hauptstadt, um ihren Unmut gegen die Wirtschafts- und
Finanzkrise und gegen die Sparmaßnahmen zum Ausdruck zu bringen.
Täglich nach 18 Uhr treffen sie sich und halten Versammlungen ab.
Dabei diskutieren sie auch über alternative Möglichkeiten, einen
Ausweg aus der Krise zu finden.
Bereits am Dienstagvormittag fanden in der Hauptstadt große
Kundgebungen der Gewerkschaften statt. Für Mittwochabend haben
diese und empörte Bürger erneut zu Massenprotesten aufgerufen.
Durch einen Verkehrsarbeiterstreik drehen sich heute und am
Mittwoch in der Hauptstadt die Räder langsamer – oder gar nicht. In
Mitleidenschaft gezogen wurden auch viele Touristen, weil auch
Fähren und die Eisenbahn bestreikt wurden. Durch zweimal
vierstündige Arbeitsniederlegungen der Fluglotsen am Dienstag und
Mittwoch kam es zu starken Behinderungen im Flugverkehr. Für
spürbare Probleme sorgt zudem ein bereits seit Montag voriger Woche
anhaltender Streik der Mitarbeiter des Stromproduzenten DEI.
Unterstützt wird der Generalstreik am Dienstag und Mittwoch auch
von den Journalisten des Landes. Sie legen an beiden Tagen in der
Zeit zwischen 11 und 15 Uhr ihre Arbeit nieder. Zu Problemen kam es
in diesen Tagen auch bei der Müllabfuhr, weil Kommunalangestellte
seit Sonntagabend die Mülldeponien XYTA im Attischen Fili und von
Mavrorachi bei Thessaloniki besetzten. Zudem wurden am Montag
sämtliche Rathäuser des Landes symbolisch besetzt. (GZeh)