Da das berühmte Grab von Alexanders Vater Philipp II. in Vergina deutlich kleiner und nicht umfriedet ist, begannen sofort die Spekulationen, für wen diese wahrhaft pharaonische Grabstätte wohl bestimmt war. Lagen hier vielleicht Alexanders persische Gattin Roxane und ihr gemeinsamer Sohn Alexander IV. Aigos, die 310 v. Chr. auf Geheiß des um den makedonischen Thron rivalisierenden Kassander in Amphipolis ermordet wurden? Bei den Dimensionen wollte man es lieber eine Nummer größer: Niemand anders als der große makedonische Feldherr selbst sei hier bestattet, rumorte es im griechischen Internet, und sofort wurden Vorwürfe laut, dass der Staat nicht genug Geld für einen derartigen Jahrhundertfund bereitstelle.
Das Kulturministerium bemühte sich, den Ball möglichst flach zu halten. Die Generaldirektion für Altertümer gab eine lapidare Notiz heraus, wonach an der betreffenden Stelle seit den 1960er Jahren gegraben werde. Tatsächlich hätten die Grabungen eine besonders bedeutende kreisförmige Umfriedung vermutlich vom Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. zutage gefördert, die einen irdenen Grabhügel mit einer Basis und Aufbauten aus Marmor umgeben habe. Die Einfriedung sei drei Meter hoch, ihr Durchmesser betrage 160 und der Umfang annähernd 500 Meter, von denen 405 Meter ausgegraben seien. Das Monument sei später zerstört und als Steinbruch genutzt worden, so das Ministerium. Eine Verbindung mit dem Löwen von Amphipolis sei nicht auszuschließen, nach einer Lesart habe er auf dem Grabhügel gestanden. Der Fund sei ohne Zweifel besonders bedeutsam, bevor jedoch die Ausgrabungen weitergeführt würden, sei jede Interpretation und vor allem Identifikation mit historischen Persönlichkeiten wissenschaftlich unbegründet, so das Ministerium.
Alexandergräber von
Ägypten bis Unsbekkistan
Tatsächlich kann die Suche nach dem Alexandergrab auf eine lange
Tradition blicken. Schriftlichen Quellen zufolge lag der
einbalsamierte Leichnam Alexanders während der gesamten Spätantike
in einem Mausoleum in der von ihm gegründeten Metropole Alexandria
in Ägypten. Zunächst habe er in einem goldenen Sarkophag gelegen,
den Ptolemaios X. durch einen gläsernen ersetzt habe, was ihm die
Alexandriner als Grabschändung ankreideten. Cäsar und Augustus
sollen zu seinem Grab gepilgert sein. Das Mausoleum wurde offenbar
in den ersten Jahrhunderten christlicher Zeitrechnung zerstört und
konnte bislang nicht lokalisiert werden.
Trotz dieser Quellen versuchen vor allem griechische
Altertumsforscher immer wieder, das Alexandergrab an anderer Stelle
zu orten. Neben Amphipolis beanspruchen auch die Insel Thassos und
die makedonischen Königsstadt Vergina (Aigai) die Ehre für sich,
die letzte Ruhestätte des Makedonen-Königs zu beherbergen. Das Grab
Philipps sei in Wirklichkeit das seines Sohnes, so die Theorie im
letzteren Fall.
Mitte der 1990er Jahre erregte die Archäologin Liana Souvlatzi mit
der Nachricht Aufsehen, sie habe das Grab in der Oase Siwa geortet,
wo Alexander seinem eigenen Wunsch nach im Ammonheiligtum
beigesetzt werden sollte. Das Team unter Souvlatzi entdeckte sogar
zwei „Alexandergräber“ 1992 und 1995. Es stellte sich jedoch rasch
heraus, dass Souvlatzi die Inschriften auf den gefundenen Bauten
falsch interpretiert und sich in einem Fall sogar um 400 Jahre
vertan hatte.
Nicht weniger grotesk ist die Entdeckung des Alexandergrabes im
fernen Usbekistan durch die Journalistin Marina Doicinovska aus der
benachbarten ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM),
die Alexander bekanntlich gerne für sich vereinnahmen möchte. In
einem usbekischen Dorf, dessen Bewohner sich als „Mazedonier“
bezeichneten, sei ihr ein Grabmonument gezeigt worden, wo Alexander
bestattet sei. Die nahe liegende Frage, wie es den 323 v. Chr. in
Babylon gestorbenen Alexander nach Usbekistan am äußersten Rand des
von hm eroberten Weltreiches verschlagen haben könnte, beantwortete
sie aber nicht. (Griechenland Zeitung / ak, Foto: Eurokinissi)