„Weltweite Erschütterung“, „Griechenland trauert“. So lauten heute morgen in den griechischen Medien die Schlagzeilen anlässlich des Todes des wohl bekanntesten griechischen Komponisten Mikis Theodorakis. Schon gestern hatte es Indizien dafür gegeben, dass sich der Gesundheitszustand des Künstlers rapide verschlechtert hat. Heute wurden diese Gerüchte bestätigt.
„Der Mensch, der mit den wichtigsten Momenten der zeitgenössischen Geschichte verbunden ist, der unerschöpfliche Komponist und unbeugsame Kämpfer, ist nicht mehr unter uns“, schreibt etwa die Tageszeitung „Kathimerini“.
Mikis Theodorakis wird 1925 auf der Insel Chios geboren. Schon von frühester Kindheit an beschäftigt er sich mit Musik. Erste Lieder und Werke für Violine und Klavier entstehen Ende der 1930er Jahre. Kammermusik und diverse Chorstücke werden erstmals zwischen 1940 und 1942 in der peloponnesischen Stadt Tripolis aufgeführt.
Bald zieht Theodorakis aber auch die Politik in ihren Bann. Nach der Besetzung des Landes durch italienische, deutsche und bulgarische Truppen schließt sich Theodorakis 1942 dem Widerstand an. Ein Jahr später wurde er erstmals verhaftet und kam mit dem Marxismus in Berührung, der sein Weltbild zeitlebens prägen sollte. 1947 wurde er erstmals als Regimegegner verhaftet und kam ins Exil auf die Insel Ikaria. Ein Jahr später musste er auf die berüchtigte Lagerinsel Makronissos vor Attika, wo er bis zu seiner Entlassung 1949 schwer gefoltert wurde.
Von der Politik zur Musik
Anfang der 1950er Jahre kehrte Ruhe in das Leben von Theodorakis ein, er begann am Athener Konservatorium zu studieren. 1954 bis 1959 setzte Theodorakis seine Studien in Paris fort und konnte schon in dieser Zeit seine ersten Kompositionen erfolgreich aufführen. Seinen Weltruhm begründete Theodorakis aber in den 1960er Jahren in Athen. In dieser Zeit vertonte er griechische Lyriker wie Jannis Ritsos und Odysseas Elytis und wandte sich seinen Wurzeln in der griechischen Volksmusik zu. Zu den bekanntesten Werken jener Schaffensperiode gehört „Die Ballade von Mauthausen“ nach dem Gedichtzyklus des ehemaligen KZ-Insassen und Schriftstellers Jakovos Kambanellis (1964). Zu einem Höhepunkt seiner musikalischen Erfolge zählte damals natürlich die Filmmusik zu "Zorba the Greek" (1964).
Nach dem Obristenputsch am 21. April 1967 ging Theodorakis erneut in den Untergrund und gründet seine eigene Widerstandsorganisation PAM, die Patriotische Front. Die Diktatoren in Hellas verbieten mit dem Erlass Nr. 13 auch die Musik des Komponisten. Es folgen erneute Verhaftungen, Exil, Folter und Lagerhaft. 1970 entlässt ihn die Junta ins Pariser Exil.
Nach der Wiederherstellung der Demokratie in seinem Heimatland dirigiert Theodorakis 1974 bei drei Konzerten im Karaiskakis-Stadion von Athen eins seiner bedeutendsten Werke, das Oratorium „Canto General“ auf Grundlage von Texten des Nobelpreisträgerns Pablo Neruda, das er in den 1980er Jahren in fast allen westeuropäischen Ländern und in Lateinamerika vorstellt.
Theodorakisʼ Werkverzeichnis umfasst etwa 900 Lieder und an die 100 größere Werke, darunter Sinfonik, Bühnen- und Filmmusik, Opern, Oratorien, geistliche Liturgien.
Als Bürger stets präsent
Theodorakis intervenierte bis zuletzt auch im politischen Geschehen seines Landes. Schon nach dem Ende der Diktatur in Griechenland engagierte er sich, der mittlerweile den Nimbus eines Volkshelden hatte, zunächst als Parteiloser bei den Linken. 1989/90, nachdem die sozialistische Regierung Papandreou über ihre Skandale gestürzt war, vollzog er aber eine überraschende Wende, die ihm viele bis heute nachtragen: Unter dem Konservativen Konstantinos Mitsotakis wurde Theodorakis Minister ohne Geschäftsbereich und beschäftigte sich unter anderem mit der Bildungs-, Kultur- und Drogenpolitik, aber auch mit der griechisch-türkischen Aussöhnung. Er ergriff im Jugoslawien-Krieg in den 1990er Jahren auch offen Stellung für die serbische Seite; einige warfen ihm im Zusammenhang mit der Palästina-Frage auch antisemitische Positionen vor. Den letzten großen öffentlichen Auftritt hatte Thedorakis im Juni 2018, als er sich vor Tausenden von Menschen auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament gegen das Abkommen mit der damals noch so bezeichneten Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien aussprach (heute: Nordmazedonien).
Alexandros Karozas, ein griechischer Komponist, mit dem Theodorakis lange zusammengearbeitet hat, schrieb in der Griechenland Zeitung: „Ich kenne kaum einen anderen Griechen, außer aus der antiken Zeit, der Griechenland und seine Kultur weltweit so bekannt gemacht hat wie Theodorakis.“
(Griechenland Zeitung / rs)