Nach einer Vielzahl von Archäologen, Byzantinisten, Fachverbänden und Bürgerinitiativen hat sich jetzt auch der europäische Denkmalschutz-Verbund Europa Nostra für die Erhaltung von als wichtig eingestuften Altertümern ausgesprochen, die beim U-Bahnbau in Thessaloniki gefunden wurden.
Konkret handelt es sich um eine Kreuzung der spätantiken ost-westlich verlaufenden Hauptstraße Decumanus Maximus (Via Egnatia) mit einer zum Hafen führenden Querstraße. Dort wurden unter anderem die Reste einer großen Toranalage sowie die Fundamente von Geschäften, Werkstätten und Kolonnaden gefunden.
Am Fundort soll der zentrale U-Bahnhof „Venizelou“ gebaut werden. Die U-Bahngesellschaft, die Stadtverwaltung und das Kulturministerium haben sich dafür ausgesprochen, die Funde abzubauen und nach der Errichtung des Bahnhofs wieder an Ort und Stelle anzubringen. Teile der Wissenschaftlergemeinschaft halten dies für praktisch undurchführbar: Die Authentizität des für die Stadtgeschichte äußerst wichtigen Fundes sei nicht gewahrt. Anfang des Monats wurde der Fall zum wiederholten Male vor dem Staatsrat, Griechenlands höchstem Verwaltungsgericht, verhandelt (die GZ berichtete).
Nun setzt sich also mit Europa Nostra ein besonders gewichtiger Player für die Erhaltung der Altertümer vor Ort ein. In einer Erklärung vom vergangenen Mittwoch betont die Organisation, dass die Erhaltung vor Ort „die einzige Lösung (sei), welche die Erhaltung der Authentizität dieses Kulturerbes von herausragender Bedeutung für das Verständnis unseres gemeinsamen europäischen Erbes und unserer gemeinsamen europäischen Geschichte gewährleistet“. In der Periode vom 4. bis ins 9. Jahrhundert, aus der die Funde stammten, sei Thessaloniki eine der wichtigsten Städte des Oströmisch-Byzantinischen Reiches gewesen. Die Metro-Funde würden sich würdig in das UNESCO-Weltkulturerbe der byzantinischen Kirchen der Stadt einfügen. Der Europa-Nostra-Rat sei auf seiner Online-Sitzung am 16. November einstimmig zu diesem Schluss gelangt. Er ruft Griechenland und die EU-Institutionen auf, die internationalen und europäischen Konventionen, Empfehlungen und bewährten Verfahren zu wahren.
Vor etwa zwei Wochen hatte sich auch der zuständige Archäologische Zentralrat in einem langen offenen Brief zu dieser Frage geäußert. Unter anderem betonte der Rat, dass die Lösung des Abbaus und Wiederaufbaus die anfängliche gewesen sei, und dass die 2017 beschlossene Erhaltung am Ort nicht praktikabel und die Pläne unausgereift gewesen seien. Außerdem verweist das Gremium auf den Abbau „ungleich wichtigerer“ Altertümer am Bahnhof „Agia Sofia“ 300 Meter weiter östlich, woran sich niemand gestört habe. Dort habe man das monumentale Zentrum des frühbyzantinischen Thessaloniki längs der Decumanus Maximus mit einem Brunnenhaus, Plätzen und Kolonnaden gefunden. (GZak)