Das Flaggschiff unter den griechischen Bibliotheken mit rund zwei Millionen Titeln und einer ausgesprochen wertvollen Handschriftensammlung ist gerade in sein neues Domizil, den supermodernen 22.000 Quadratmeter-Neubau aus Glas, Beton, Stahl und Holz des italienischen Stararchitekten Renzo Piano an der Athener Küste, gezogen.
Nach einem langen Dornröschenschlaf im schönen, aber leider längst viel zu kleinen klassizistischen alten Bibliotheksbau an der zentralen Athener Panepistimiou-Straße sowie mehreren über die Stadt verteilten Außenposten, kann die Nationalbibliothek jetzt endlich wieder voll genutzt werden. Historisch ist die Nationalbibliothek ein „schweizerisch-griechisches“ Kind, sie geht auf einen Vorschlag des Philhellenen und Journalisten Johann Jakob Meyer (1798-1826) aus dem Jahr 1824 zurück, den der erste Gouverneur von Griechenland, Graf Ioannis Kapodistrias 1829 erstmals in seiner provisorischen Hauptstadt auf der Insel Ägina realisierte. 1834 zog die Bibliothek in die frischgebackene Hauptstadt Athen um, wo sie 1842 ihr erstes festes Domizil in der neu gebauten Universität bekam. Dank einer Stiftung der Reederfamilie Vallianos (oder Vagliano) aus Kefalonia erhielt die Nationalbibliothek 1885 bis 1891 ein eigenes Haus in dem strengen, dorischen Marmorbau des dänischen Architekten Theophil von Hansen gleich nebenan, der als drittes Gebäude der „Athener Trilogie“ gebaut wurde. 1903 erfolgte der Umzug in das Haus, das für 115 Jahre der Sitz der Bibliothek sein sollte. Zu den besonderen Schätzen der Nationalbibliothek zählen die ungefähr 5.400 Handschriften vom 9. bis ins 19. Jahrhundert, darunter allein 300 griechische Handschriften des Neuen Testaments. Außerdem zählen dazu mittelalterliche Abschriften der antiken Philosophen Aristoteles und Platon sowie zahlreiche medizinische und pharmazeutische Abhandlungen. Bedeutend ist auch die Sammlung der Inkunabeln der Bibliothek, also der frühen Buchdrucke aus der Zeit vor 1500, darunter das erste ausschließlich mit griechischen Lettern (nicht zweisprachig) gedruckte Buch, eine Grammatik des Gelehrten Konstantinos Laskaris, die 1476 in Mailand erschien. Außerdem bewahrt die Nationalbibliothek das Archiv der griechischen Freiheitskämpfer und des Londoner Philhellenenkomitees sowie bedeutende Privatarchive, etwa des griechischen Nationaldichters Dionysios Solomos. Mit dem imposanten Neubau der Stavros-Niarchos-Stiftung tritt die Bibliothek in eine neue Ära. „Unser wichtigstes Ziel ist es, diesen unvergleichlichen Reichtum nicht nur zu bewahren, sondern in Wissen umzuwandeln, das sich in der Gesellschaft ausbreitet“, beschreibt die Bibliothek ihren Auftrag. Mit der Zusammenführung der zerstreuten Sammlung, einem zentralen Lesesaal, der eintausend Wissbegierigen Platz bietet, einer neuen Leihabteilung und einem attraktiven, lichtdurchfluteten Neubau kommt die Griechische Nationalbibliothek diesem Auftrag einen wichtigen Schritt näher und entwickelt sich von einer Forschungsbibliothek in eine Bücherei für Alle. In Planung ist zudem ein griechischer Gesamtkatalog, in dem zentral alle Bibliotheken des Landes erfasst sind. Der historische Hansen-Bau im Stadtzentrum soll aber weiter als zentrale Anlaufstelle, Lesesaal vor allem für digitale Medien und Ort für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt werden. (GZak; Foto: snf)