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„Botschafter einer Musik, die uns alle verbindet” – Interview mit Mulo Francel von Quadro Nuevo

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„Botschafter einer Musik, die uns alle verbindet” – Interview mit Mulo Francel von Quadro Nuevo

Vom 25. bis 29.5.16 findet in Athen das 16. Athener Technopolis Jazz Festival statt. Am Sonntag, den 29.5. tritt dort auch die Band Quadro Nuevo aus Deutschland auf. Arabesken, Balkan-Swing, Balladen, waghalsige Improvisationen, Melodien aus dem alten Europa und mediterrane Leichtigkeit verdichten sich zu märchenhaften Klangfarben. Die Gruppe gab bereits zahlreiche Konzerte in verschiedensten Metropolen der Welt und gewann u.a. den Deutschen Jazz Award und den Europäischen Phonopreis Impala. Die GZ sprach vor dem Konzert mit einem Mitglied des Quartetts.

GZ: Können Sie sich kurz vorstellen und erzählen, was Sie als Quartett musikalisch machen?

FRANCEL: Mein Name ist Mulo Francel. Ich bin Saxophonist von Quadro Nuevo, nebenbei spiele ich noch Klarinette und Mandoline. Wir kommen mit der Harfsolistin Evelyn Huber, dem Bassisten D.D. Lowka und unserem Akkordeonist Andreas Hinterseher nach Athen. Jeder unserer Musiker spielt mehrere Instrumente u.a. Bandoneon, Percussions oder Salterio. Die Band Quadro Nuevo gibt es seit 20 Jahren. Von Anfang an haben wir eine Musikrichtung gespielt, die man unter Weltmusik subsumieren könnte. Wir interessieren uns sehr für südamerikanische Musik, speziell für Tango, für orientalische Musik und auch für alteuropäische Musik. Kürzlich hatten wir eine Tour beim Goethe Institut in Jordanien, an der türkisch-syrischen Grenze haben wir eine CD aufgenommen. Der Kulturraum, der vom Osmanischen Reich, von der arabischen Welt beeinflusst wurde, interessiert uns sehr – auch griechische Musik. Kürzlich habe ich eine ganz tolle CD von dem griechischen Lyra-Spieler Sokratis Sinopoulos (Eight Winds) gehört, so etwas fließt in unsere Musik mit ein. Wir improvisieren viel, wir spielen zwar keinen Jazz, aber die Improvisationskunst des Jazz erfreut uns sehr, weil man die Stücke auf diese Weise immer wieder anders interpretieren kann. So ist es für uns keine Routine, sondern immer wieder ein neues Abenteuer auf die Bühne zu gehen.

GZ: Sie sind bereits durch viele Städte der Welt getourt und haben schon einige Preise gewonnen. Was bringt Sie nach Athen?

FRANCEL: Wir haben schon ein paar Mal in Griechenland gespielt, letztes Jahr waren wir auf dem Samos-Festival, wo uns einige Leute aus Athen gehört haben, auch von der Deutschen Botschaft. Wir finden es immer sehr spannend mit Musik – in unserem Fall mit reiner Instrumentalmusik – eine Brücke über ökonomische, religiöse und nationale Grenzen hinweg zu schlagen. Wir finden es wahnsinnig schön, wenn wir im Ausland sind und vor einheimischem und anderem Publikum spielen und es schaffen, zwischen Menschen über die Musik eine Verbindung zu schaffen. Es sind die Menschen, die uns interessieren, nicht woher sie genau kommen. Es ist immer toll, wenn wir etwas Musikalisches aus dem jeweiligen Land, wo wir spielen, aufgreifen, um zu zeigen: Auch eure Kultur inspiriert uns! Wir sind keine Botschafter unserer Kultur, sondern von einer Musik, die uns alle verbindet.

GZ: Haben Sie persönlich einen Bezug zu Griechenland?

FRANCEL: Ich habe einen Bezug zu Griechenland, weil ich schon ganz oft dort war und meine freie Zeit gerne in Griechenland verbringe. Mein Schwager, mein mbatzanakis ist Grieche, ein Samiot aus Samos, der in Athen lebt und dort aufgewachsen ist. Wir machen daher in Griechenland öfter Familienzusammenführung.

GZ: Wie sehen Sie die derzeitige Lage in Griechenland? Die Krise, die Flüchtlingsproblematik?

FRANCEL: Ich stehe auf alle Fälle auf der Seite, dass man den Flüchtlingen unbedingt helfen muss. Ich bin kein Politiker, aber ich finde, dass diejenigen, die dazu gewählt wurden Politiker zu sein, sich wirklich anstrengen müssen, an dieser Problematik zu arbeiten. Ich finde es ganz wichtig, dass ganz Europa zusammen helfen muss, und die Hilfeleistung nicht nur den Ländern an der Grenze, wie Griechenland und Italien, überlassen werden sollte. Auch die Länder, die keine europäischen Außengrenzen haben und wo Flüchtlinge eintreffen, wie Polen, Tschechoslowakei, England und die skandinavischen Länder, müssen alle zusammen helfen. Es geht nicht, dass wir als Staatengemeinschaft einerseits die Grenzen öffnen, um den Güterverkehr zu erleichtern und Fracht- und Zollkosten zu minimieren, um gemeinsam Geschäfte zu machen, andererseits dann aber bei Auftritt einer Krise sagen, dass müssen jetzt die Griechen irgendwie stemmen. Noch dazu in dieser schwierigen ökonomischen Situation, in der sich Griechenland gerade befindet. Der Mensch ist per se egoistisch. Man sitzt hier in Mitteleuropa, fern der Grenzen, da kann man schnell mal die Augen verschließen. Das ist leicht, aber ethisch nicht korrekt und nicht nachvollziehbar. Wenn Österreich den Brenner dichtmacht, schiebt es das Problem eigentlich nach Italien und Griechenland rüber. Wir wollen als Musiker keine politischen Aussagen treffen, weil wir eigentlich von der anderen Seite her kommen und für eine Gegenwelt zuständig sind.

GZ: Können Sie das genauer erklären?

FRANCEL: Wir sind für eine Welt zuständig, in die man sich legitim vor diesen Alltagsproblemen flüchten kann. Jeder hat Probleme, sei es mit dem Bankkonto, mit dem Chef, mit dem Partner, in zunehmendem Alter vielleicht mit der Gesundheit. Dann ist es sehr wichtig, wenn man Parallelwelten hat, in die man gehen kann und wo man sich wohlfühlen kann. Man kann dort zwar nicht bleiben, aber zumindest für zwei Stunden auf einem Konzert oder beim Hören einer CD Energie tanken und auf einer Brücke zu anderen Menschen gehen, mit denen sonst eine Kommunikation schwierig ist, weil sie eine andere Sprache sprechen oder eine andere Religion haben. Das ist denke ich für uns Musiker die Aufgabe: Musik zu spielen zur Verständigung und als Parallelwelt, in der man Kraft schöpfen kann.

GZ: Was erwartet das Publikum am 29.5. auf dem Technopolis Jazz Festival?

FRANCEL: Wir spielen unsere Lieder aus den Musikrichtungen, die ich vorhin genannt habe. Wir improvisieren viel, es macht immer großen Spaß zu spielen und vor allem über Grenzen zu gehen, das heißt, in anderen Ländern zu spielen. Wir sehen uns nicht als deutsche Musikgruppe, sondern als Weltbürger, Kosmopoliten, und freuen uns auf das Athener Publikum. Ich habe mich viel mit griechischer Geschichte beschäftigt. Letzten Sommer, als wir in Griechenland waren, habe ich ein tolles Buch gelesen von Sofka Zinovieff: "Athen Paradiesstraße". Darin werden nochmal die ganzen letzten hundert Jahre griechische Geschichte aufgerollt, wie alles bis heute kam: kommunistische Bewegung, Straflager auch nach dem Krieg, was ich bisher nicht wusste und was man hier nicht mitbekommen hat. Dadurch kann man vielleicht auch besser die heutige Situation Griechenlands verstehen und deswegen freue ich mich einfach vor griechischem Publikum zu spielen!

Das Interview führte Anna Kassaras.
Foto: © Quadro Nuevo

Weitere Informationen zum Festival finden Sie unter: http://www.technopolis-athens.comInformationen zum Quartett Quadro Nuevo finden Sie unter: http://www.quadronuevo.de

 

Der Eintritt ist frei.

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