Login RSS

Sperrbezirk Nationaltheater

  • geschrieben von 
Sperrbezirk Nationaltheater

Savvas Xiros und Dimitris Koufodinas sind zwei für mehrfache Morde verurteilte Mitglieder der ausgehebelten extremistischen Gruppe „17. November“. Seit ihrer Inhaftierung durften sie von ihren Zellen aus Bücher veröffentlichen und Medieninterviews geben, in denen sie für ihre Taten kaum Reue zeigen. Manch einer mag diese Großzügigkeit gegenüber den Haftinsassen bedauern. Sie gehört aber ohne Zweifel zu einer freiheitlich demokratischen Grundordnung dazu.


Vor diesem Hintergrund ist es eher unverständlich, wie eine Theatervorstellung zum Skandal werden kann, weil sie Passagen aus einem dieser Bücher zitiert. Die Aufregung wäre vielleicht verständlich, wenn „Das Nash-Gleichgewicht“, das Werk einer Experimentalgruppe am Nationalen Staatstheater, die betreffenden Passagen glorifiziert hätte und das Stück sich die menschenverachtende Botschaft des 17. November zu eigen gemacht hätte. Die Gruppe bestreitet dies vehement.
Die Verwaltung des Nationaltheaters beugte sich jedoch dem Druck von Medien, konservativen Politikern und Opfern des 17. November, und entschied sich, das Werk abzusetzen. Die Schauspieler ignorierten diese Entscheidung und führten die Vorstellungen, wie vorgesehen, bis zum 31. Januar fort.
Die Entscheidung der Schauspieler war richtig. Die Gegner der Aufführung befürchten anscheinend, dass Savvas Xiros salonfähig wird und seine Ansichten gerechtfertigt werden, allein dadurch, dass seine Schriftstücke in einem staatlich finanzierten Schauspiel vorkommen und öffentlich verlesen werden. Es handelt sich im Grunde um die paternalistisch-autoritäre Vorstellung, dass man schädliche Ansichten beseitigt, indem man sie unter Verschluss hält oder unter den Teppich kehrt. Mündige Bürger mündiger Gesellschaften gehen mit solchen Fragen anders um.
Solange das Nationaltheater, eine durch Steuergelder finanzierte Institution, keine Botschaften propagiert, die mit den Grundrechten offensichtlich unvereinbar sind und solange es keine Urheberrechte an Xiros oder andere verurteilte Kriminellen zahlt, darf es im Rahmen seiner künstlerischen Freiheit aufführen, was es will.

Dimos Chatzichristou

Einen ausführlichen Hintergrundbericht zu diesem Thema finden Sie in der aktuellen Ausgabe der Griechenland Zeitung (GZ 515) auf Seite 7. Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt das Nationaltheater, das übrigens vom deutschstämmigen Architekten Ernst Ziller projektiert wurde. Fertiggestellt wurde es ca. 1890. Ende 2009 wurde es nach aufwändiger Renovierung der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.

 

Nach oben

 Warenkorb