Im Clinch der neuen Athener Regierung mit den Geldgebern des Landes zeigen sich beide Seiten noch unnachgiebig. Der gesunde Menschenverstand sagt jedoch, dass am Ende ein Kompromiss möglich sein wird – im Fall des endgültigen Zusammenstoßes hätten beide Seiten mehr zu verlieren als zu gewinnen.
Noch gibt es aber wenig Anzeichen, dass in dieser Debatte mit gesundem Menschenverstand operiert wird. Der emotionale Ausbruch des Premierministers Alexis Tsipras bei seiner Programmrede im Parlament zeigt, dass vor allem auf der griechischen Seite der Affekt am Steuer sitzt. Tsipras war den Tränen nahe, als er am Ende seiner Rede den Wählern versicherte, dass er „niemals über die Geschichte und die Würde der Griechen verhandeln“ werde. Sein Koalitionspartner und Verteidigungsminister Panos Kammenos sagte später gegenüber Journalisten, man werde nicht „auf allen Vieren“ vor den Geldgebern kriechen oder sich „prostituieren“, um deren Wohlwollen zu gewinnen.
Solche Statements zeugen eher von Nervosität als von Zuversicht.
Athen wünscht sich mehr Zeit, um sein eigenes Reformprogramm vorzubereiten. Die Europäer scheinen dem jedoch abgeneigt zu sein: stattdessen wollen sie der griechischen Regierung bis Ende des Monats die Zusicherung abtrotzen, dass sie wenigstens im Prinzip am Rahmen des alten Programms festhält.
Diese Meinungsverschiedenheit könnte formaljuristisch überbrückt werden. Die eigentliche Kluft zwischen den beiden Seiten ist aber noch tiefer und noch scheint es keinen Weg zu geben, um sie zu überwinden – ob in den nächsten zwei, zehn oder zwanzig Wochen. Die griechische Regierung strebt eine nachfrageorientierte, expansionistische, staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik an. Die Geldgeber bestehen aber auf einem angebotsorientierten, haushaltsmäßig restriktiven und wirtschaftsliberalen Programm. Wenn die Zeit kommt, ins Detail des nächsten Griechenland-Pakets zu gehen, wird diese Kluft erst recht offen zu Tage treten.
Dimos Chatzichristou
Unser Foto (Eurokinissi) entstand am Donnerstag in Brüssel und zeigt Ministerpräsident Alexis Tsipras im Gespräch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.