Liste auf USB-Stick im Schreibtisch
Durch diese Entwicklungen kommt PASOK-Chef Venizelos zunehmend unter Druck. Er selbst hatte zwischen Juni 2011 und März 2012 das Finanzministerium geleitet. Nachdem die Falciani-CD Anfang dieser Woche zunächst als vermisst eingestuft worden ist, stellte sich im Nachhinein heraus, dass die darauf enthaltenen Daten auf einem USB-Stick in einer Schublade des PASOK-Chefs gelandet war. Dort soll sie für etwa zwei Jahre gelegen haben. Der studierte Verfassungsrechtler Venizelos erklärte, dass es gegen das Gesetz verstoße, Daten zu nutzen, die man auf illegalem Wege erhalten habe. Im Anschluss überreichte er die anrüchige Liste an Ministerpräsident Antonis Samaras. Dieser gab sie weiter an die Steuerfahndung, anschließend gelangte sie in die Hände der Staatsanwaltschaft. Diese gelangte zur Schlussfolgerung, es sei statthaft, auf Basis dieser Daten zu untersuchen, wer eventuell Steuern hinterzogen haben könnte. Vor dem Gericht dürfe man diese allerdings nicht als Beweismaterial benutzen. Am Mittwoch haben zwei ehemalige Vorsitzende der Steuerfahndung, die bis vor zwei Jahren im Amt waren, vor dem Ausschuss für Institutionen und Transparenz des Parlaments ihre Aussage zu Protokoll gegeben. Einer der beiden gab zu, dass er einen Teil dieser Liste in der Hand gehabt habe – doch es habe sich lediglich um zehn Personen gehandelt – die komplette Liste habe er nie zu Gesicht bekommen. Die Inhaber der Bankkonten, die er überprüft habe, seien jedenfalls keine Politiker gewesen. Der andere sagte aus, dass man mit den Nachforschungen anhand der Daten auf der Liste begonnen hätte, wenn er vom damaligen Finanzminister Venizelos Grünes Licht dafür erhalten hätte.
„Versuch der Destabilisierung“
Venizelos erklärte am Mittwochabend in einem Fernsehinterview, dass bestimmte Kreise versuchten, das Land durch derartige Verfahren zu destabilisieren. Die von ihm geführte PASOK ist eine wichtige Stütze der Regierung Antonis Samaras. Sollten die Sozialisten in der sich nun abahnende Krise weiter in einen Prozess der allmählichen Auflösung geraten, könnte dies auch das Ende der jetzigen Regierung bedeuten. Um ein derartiges Szenario zu verhindern, hat Venizelos am Mittwochmittag die Parlamentsfraktion zusammengerufen, um den Zusammenhalt der Sozialisten zu gewährleisten.
„Entehrung des politischen Systems“
Bereits jetzt muss Venizelos scharfe Kritik auch seitens von
Parlamentariern aus den Reihen der Demokratischen Linken (DIMAR)
einstecken, die ebenfalls die Regierung mit tragen. Das Mitglied
des Exekutivkomitees der DIMAR Theodoros Margaritis sprach in einem
Interview von einer „Entehrung des politischen Systems“. Seiner
Meinung nach wurde diese Liste niemals untersucht, weil sie
„offensichtlich hochrangige Namen“ beinhalte. Eine Destabilisierung
der Koalitionsregierung schloss er aber aus. Die Korruption des
politischen Systems und des Staates werde die Linkspartei
entschieden bekämpfen.
Die größte Oppositionspartei des Landes, das Linksbündnis Syriza,
verlangt sowohl die Prüfung einer eventuellen Schuld der ehemaligen
PASOK-Finanzministers Jorgos Papakonstantinou (Oktober 2009 – Juni
2011) als auch von Venizelos.
Ähnlich sehen es auch die Unabhängigen Griechen. Deren
Fraktionssprecher plädierte dafür, dass niemand ungestraft davon
kommen dürfe. Zudem brachte seine Befürchtung zum Ausdruck, dass
Daten auf der Falciani-CD in den vergangenen beiden Jahren verloren
gegangen sein könnten. Die kommunistische Partei KKE äußerte, dass
das Volk das Recht habe die Wahrheit zu erfahren. (GZeh, Foto:
Eurokinissi)