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Boten und Botschaften, früher und heute

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Schwalben bringen nicht immer den Frühling. (Foto: ek/Archiv) Schwalben bringen nicht immer den Frühling. (Foto: ek/Archiv)

Offenbar ist das englische Wort delivery vom griechischen ντελιβεράς (deliverás) abgeleitet, was Bote heißt – der Überbringer also, der Lieferant. Ein anderes Wort für Bote, das sich aus Ankündigung und Träger zusammensetzt, ist der αγγελιοφόρος (angeliofóros). In der griechischen Mythologie ist dieser Nachrichtenvermittler der von der Peloponnes stammende Götterbote Hermes.

Mit seinem geflügelten Helm, den geflügelten Schuhen und mit dem zaubermächtigen Hermesstab überbringt er den göttlichen Kollegen die Botschaften schneller als das Licht. Superman eifert dem Unsterblichen nach, saust ebenfalls durch die Luft und ist bei jeder Kalamität sofort an Ort und Stelle. Von der Schnelligkeit des olympischen Lieferanten inspiriert ist ein Paketversand nach Hermes benannt. Viele jahrhundertalte Botschaften haben sich bis zum heutigen Tag erhalten und gehen alle Jahre wieder von Mund zu Mund. Zur Osterzeit wird hierzulande die frohe Botschaft von Jesus’ Auferstehung mit jedem Gruß angekündigt: Καλή Aνάσταση (frohe Auferstehung). Ostern und die Tage danach begrüßt man sich dann mit dem bestätigenden Χριστός Ανέστη (Christus ist auferstanden). Zugvögel sind Boten. Im Kafenion legt Lollos Holz im Ofen nach. „Dort“, sagt er und wirft einen missbilligenden Blick auf den Wandkalender, „haben wir Frühling, doch die Schwalben sind noch nicht da!“ Diese Jahreszeit richtet sich eher nach der Ankunft der Schwalben, den Vorboten milderen Wetters, als nach dem Kalender. „Dem Ding da oben traue ich nicht“, murmelt der 82-jährige Spyros beim zweiten Ouzo, „das sah mir beim Pinkeln zu!“ Alle lachen, denn Spyros sah kürzlich, als er mit dem Auto am Straßenrand eine Pause einlegte, das Satellitennetzwerk Starlink am Himmel und hielt es für ein UFO. „Das flog so dicht heran“, kam er atemlos ins Kafenion gestürmt und klärte alle auf: „Die wollen mit uns kommunizieren!“ Jetzt sind die Schwalben angekommen. Draußen im Sonnenschein sitzt eine Gruppe von acht Leuten. Fünf von ihnen richten ihre Aufmerksamkeit auf den technischen Nachrichtenübermittler in ihrer Hand, nicht auf die Anwesenden am Tisch. Sie kommunizieren mit jemandem anderem, mit jemandem anderswo als hier. Hermes’ Zeiten sind längst passé, vorbei sind auch die Zeiten der Orakelstätten, zu denen man zwecks Hoffnung auf klärende Sprüche und Botschaften pilgerte. Heutzutage hält man den Messenger in der Hand, seine Nachrichten erreichen dich wie im Flug! Hermes kann sich das Herumfliegen um den Globus sparen. Trotz allem: Mir ist ein nachrichtenüberbringender Gott mit Flügeln am Hut lieber. Oder eine Botschaft von Mund zu Mund, bei der man sich in die Augen schaut. (Griechenland Zeitung / Linda Graf)

 

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