Auf einen sonnigen Morgen, an dem man richtig in Hochstimmung kommt, folgen wieder ein, zwei verregnete Tage. Gestern war es warm, beinahe schon heiß, heute verdecken Wolken den Himmel, es ist kalt, feucht. „Der April tut, was er will“, auch in hellenischen Gefilden.
Aber verschwinden die Wolken und legt der ersehnte Sonnenschein sich über Berge, Meer und Wiesen, dann geht es richtig los! Dann explodieren die Natur und die Lebenslust! Aus dem Nachbarhaus klingen Lieder aus dem Fernsehapparat, und nebenan in Jorgosʼ Holzwerkstatt tönt laute Klarinettenmusik (κλαρίνα) aus dem Autoradio, die Autotür ist weit geöffnet. Alle Vögel sind schon da und singen in allen Tönen, die Spatzen zwitschern fröhlich, die Schwalben pfeifen melodisch und fliegen mich furchtlos unter dem Vordach der Eingangstür an, weil sie hier partout ein Nest bauen möchten. Und im Hof (αυλή) pickt ein Wiedehopf nach Insekten. Alle Jahre wieder sehe ich diesen wunderschönen Vogel im Frühling. Wie aus meinen Notizen hervorgeht, erscheinen die Schwalben und der Wiedehopf nicht wie im vorigen Jahr Mitte März, sondern erst nach dem 10. April. In der Nacht hat es geregnet, jetzt bricht die Sonne hervor. Prompt pfeift der Nachbar eine fröhliche Melodie. Und im Dorf hupt jeder jedem, die Kafenions sind mit einem Schlag von plaudernden Männern besetzt, die Jugendlichen fahren lachend, oft zu zweit und ohne Helm, Slalom durchs Dorf. Die Strahlen der Sonne kitzeln wildwachsende Blumen wach: Iris, Narzissen, Scharbockskraut, Kamille. Von einem Tag zum andern stehen die Bäume in voller Blütenpracht. In diesem Jahr sticht der Judasbaum mit seinen satt mauvefarbenen Blüten als einer der ersten aus der erwachenden Natur hervor. Ich freue mich bereits auf den Marktbesuch und auf das frische Frühlingsgemüse: Rucola, Mangold, Spinat, Rote Bete und Möhren. Beim Herumstreifen in den Bergwiesen um die Schaffarm ihres Vaters herum pflückt die zwölfjährige Matina ein Bündel Narzissen für mich. Und heute steht sie mit einer besonders köstlichen Delikatesse in der Haustür: mit einer Handvoll Wildspargel. „Der wächst nur im Schatten“, erklärt sie, „und du musst wissen, ich habe ihn frisch gepflückt.“ (Griechenland Zeitung / Linda Graf)