Ende November stellte der Historiker Dr. Valentin Schneider im Institut für Historische Forschung der Nationalen Griechischen Forschungsstiftung ein Projekt über die Zeit der deutschen Besatzung in Griechenland vor. Die Wunden von damals sind bis heute nicht vollständig verheilt.
Anhand von deutschen Militärarchiven soll ein Portal entstehen, welches die Anwesenheit deutscher Einheiten und ihre Bewegungen in Griechenland kartografiert. Das Projekt besteht seit 2018 und wird am Institut für Historische Forschung der Nationalen Griechischen Forschungsstiftung durchgeführt. Ziel der Arbeit ist eine „Datenbank der deutschen militärischen und paramilitärischen Einheiten in Griechenland 1941-1944/45“. Es handelt sich dabei um die erste systematische Erfassung aller deutschen militärischen und paramilitärischen Einheiten auf griechischem Boden währende der Besatzung. Finanziert wird dieses Forschungsprojekt bislang ausschließlich durch den Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland.
Besonders interessant dabei: Das Ergebnis soll nicht nur Wissenschaftlern zugänglich sein, sondern wird als ein öffentliches Internetportal für alle Interessierten angelegt. So kann es beispielsweise auch als Ausgangspunkt zur Nachforschung über die eigene Familiengeschichte fungieren, erklärte Projektleiter Schneider.
Außerdem berichtete er über Details der Arbeit, welche er und seine Kolleginnen leisten. Das Kartografieren sei kleinteilig und sehr komplex, beispielsweise herrsche in den Quellen teilweise Uneinigkeit über die Namen mancher Dörfer, sogar unter Einheimischen sei das keine Seltenheit. Die Forscher und Forscherinnen des Projekts lösten dies, indem sie den jeweiligen Orten einen festgelegten Code zuschrieben und somit die vorliegenden Daten vereinheitlichten. Das gleiche Vorgehen wandten sie auch bezüglich der Truppen und Kommandos der deutschen Armee an. Als Ergebnis sollen deren Bewegungen nachverfolgt werden können. Dies ermöglicht, dass Kriegsverbrechen wie beispielsweise das Massaker von Kalavytra, bei dem am 13. Dezember 1943 hunderte Zivilisten von deutschen Soldaten – als sogenannte „Vergeltungsmaßnahme“ gegen den griechischen Widerstand – ermordet wurden, in einen größeren historischen Kontext gesetzt werden können. Die Datenbank könnte etwa dazu benutzt werden herauszufinden, wer an dem Massaker beteiligt war und was davor oder danach geschah.
Dabei soll das Projekt vor allem auch als ein Beitrag zur weiteren Verbesserung der deutsch-griechischen Beziehungen dienen. Das Portal wäre auch als Medium geeignet, Nachkommen – sowohl der Opfer als auch der Täter – in Verbindung zueinander zu bringen und einen Dialog zu eröffnen. Auf die Frage der Griechenland Zeitung, welchen übergeordneten Zweck das Projekt im Kontext der deutsch-griechischen Geschichte hat, sagt Dr. Schneider in der Debatte: „Wir wollen versuchen, den Leuten Antworten zu geben.“
Text und Foto: Griechenland Zeitung / Alexandra Lioliopoulou