Zu „Kefi“ könnte jede Person in Griechenland eine individuelle Geschichte erzählen. Allerdings, wie viel Lebensphilosophie in diesem kleinen Wort tatsächlich verborgen liegt, davon soll folgende Geschichte handeln, von der ich heute berichten möchte: Kommt ein Tourist zu einem alten Kreter, der gerade am Meeresufer sitzt, seinen Gedanken nachhängt und dabei in die Ferne blickt. Der junge Westeuropäer möchte vom nachdenklichen Griechen wissen, was sich hinter dem Wort „Kefi“ eigentlich verbirgt.
Er höre es, so erklärt er, immer wieder, wenn Griechen zusammen sitzen, verstehe dessen Sinn aber noch nicht. – Ist es wie Kefir und kann man es trinken? Ist es ein Vogel? Oder gar ein Tanz? Eine Musik? Ein Gegenstand, etwas Materielles? Kann man es kaufen oder bekommt man es als Geschenk verpackt? Der alte Mann blickt zunächst etwas verwundert, ob es dem jungen Reisenden wohl ernst mit dieser Frage sei? Jedoch als er bemerkt, wie sehr es ihn beschäftigt, zaudert er nicht, holt einmal Luft und stimmt sich auf die folgenden Sätze ein: Weißt du, wie es ist, wenn man nach tiefer Trauer wieder lächelt? Wenn nach dem Regen der Boden duftet und der Regenbogen am Himmel strahlt? Wenn eine lang verschlossene Tür sich wieder öffnet? Ein neuer Weg sich anbahnt, wo man doch am Abgrund stand? Und eine Hand nach deiner greift. Dies alles kann dir Kefi geben und nicht nur das allein. Kefi, mein lieber Freund, ist ebenso die gute Laune, es ist die Lust am Fröhlich- und am Ausgelassensein. Vor allem bedarf es der hohen Kunst des Zulassens, und das erst recht, wenn du nicht daran glaubst. Kefi ist somit die geistige Synthese, die Quelle innerer Energie, die dich auffordert, das Leben positiv zu nehmen und fest daran zu glauben, dass alles Negative wieder geht. Und nun gib acht! Das eine sollst du wissen, so fährt der alte Kreter fort: Kefi kannst du weder fassen, planen noch organisieren. Es ist ein ganz spontaner Akt. Eine ekstatische innere Regung und eine so typisch griechische Lebensart! Kompromisslos musst du dich ihr hingeben, ohne zu wissen, was sie am Ende mit dir macht. Nicht denken, eingrenzen oder zögern! Mitmachen, mitreißen lassen ist das Ideal. Beim Kefi arbeiten zwei Kräfte eng zusammen: Die Eine regt dich an zu handeln, die Andere, mächtig, reißt dich mit in einen ewigen Lebenstanz. Und dann mein lieber Freund! So spricht der alte Kreter weiter, während der junge Gast seiner Beschreibung mit allen Sinnen folgt: Dann passiert das unerwartet Unvorhersehbare! Mit Kefi stellt sich mysteriös, ein kleines Wunder bei dir ein. Verschwunden scheint alle ermüdende Routine und eingrenzende Alltäglichkeit. Alle Trübsal und Melancholie lösen sich auf, verschwinden. Es bricht ein Glücksmoment über dich herein. Kefi ist, wenn du dir sagst: das macht nichts, und alles ist nicht so düster. Wenn du vom Ärger ausgezehrt, zu dir herüber rufst: Was soll‘s! Zwei Wege gibt’s mein Freund in diesem Leben: der Eine, hm, nicht gut, ist, sich dem Unglück hinzugeben. Der zweite ist, und das klingt schon viel besser: dem Unglück zeigen, wo das Glück verborgen liegt. Schließlich heißt Kefi, wie bei Alexis Sorbas, aufzustehen, wenn du gefallen bist und dich beschwingt auf einen neuen Lebenstanz einstimmst. (Griechenland Zeitung / Marianthi Milona)