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Antiparochi: Ein griechisches Baumodell

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Foto (© Griechenland Zeitung / mw) Foto (© Griechenland Zeitung / mw)

ΔΊΝΕΤΑΙ ΠΡΟΣ ΑΝΤΙΠΑΡΟΧΉ (Dínete pros antiparochí, dt.: „In die Antiparochi abzugeben“): Mit diesem Schriftzug an einem kleinen, unbewohnten Haus im Athener Vorort Nea Philadelphia setzt der Eigentümer potenzielle Interessenten davon in Kenntnis, dass er seinen Besitz auf Grundlage der sogenannten Antiparochi (dt.: „Gegenleistung“) zu veräußern gedenkt.

Dieses früher überaus verbreitete Verfahren sieht die Übernahme eines Grundstücks durch einen neuen Besitzer vor, der – sehr häufig selbst Bauunternehmer – auf ihm eine mehrgeschossige Polikatikía (Πολυκατοικία, dt.: „Mehrfamilienhaus“) errichtet. Als „Bezahlung“ für den überlassenen Baugrund erhält der alte Eigner eine zuvor vereinbarte Anzahl von Wohnungen in dem neuen Bau. Diese kann er nicht nur selbst nutzen, sondern auch möglichst lukrativ verkaufen oder vermieten. Das Modell der Antiparochi war eines der großen Projekte, für die Konstantinos Karamanlis in seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident Griechenlands (1955-1963) verantwortlich zeichnete. Der massiven und geradezu ungebremsten Zuwanderung aus anderen Landesteilen, die nach dem Zweiten Weltkrieg und den Wirren des anschließenden Bürgerkriegs in den 1950er Jahren gerade in Athen zu einem rasant ansteigenden Bedarf an Wohnraum führte, war mit den begrenzten Mitteln, die dem Staat damals zur Verfügung standen, kaum angemessen beizukommen. 1959 verabschiedete die Regierung Karamanlis deshalb das Antiparochi-Gesetz, um den privaten Sektor zur Bewältigung des Problems einzubinden. Die Regelung sah für die beteiligten Seiten so günstige Konditionen vor, dass sowohl die Eigentümer der zumeist älteren Einfamilienhäuser von dem Verfahren profitierten als auch die Bauherren, die auf den übernommenen Grundstücken neue, große Wohnbauten errichteten. Die komfortablen Rahmenbedingungen lösten einen regelrechten Bauboom aus, womit nicht zuletzt auch die Bauwirtschaft erheblich angekurbelt wurde. Allerdings hatte die Entwicklung vielfach auch einen städtebaulichen Wildwuchs zur Folge, der bis heute das Erscheinungsbild weiter Teile der griechischen Hauptstadt prägt. 2006 hat das System der Antiparochi mit der Einführung höherer steuerlicher Belastungen freilich gewaltig an Attraktivität eingebüßt.

Jens Rohmann

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