In den letzten Jahrzehnten ist das Straßennetz in weiten Teilen Griechenlands mit großem Ehrgeiz ausgebaut worden, und auch heute noch sind entsprechende Arbeiten in vollem Gange. Eines der wichtigsten all dieser Projekte ist jene Autobahn, die ausgehend von der Hafenstadt Igoumenitsa an der Westküste den Norden des Landes bis hin zur türkischen Grenze durchzieht, und dabei an Städten wie Kozani, Thessaloniki und Kavala vorbeiführt. Sie ist eine der bedeutendsten Verkehrsachsen auf dem gesamten Balkan und als Εγνατία Οδός (Egnatía Odós) hinlänglich bekannt.
Der Name reicht zurück ins Altertum, als die so genannte „Via Egnatia“ zu den berühmtesten Straßen des Römischen Reichs zählte. Sie galt damals als Fortsetzung der ehrwürdigen „Via Appia“, die in Italien von Rom bis hinunter nach Brindisi verlief. Von dort gab es eine Schiffsverbindung hinüber nach Dyrrhachium, dem heutigen Durres in Albanien, in der Antike neben Apollonia (beim ebenfalls albanischen Fier gelegen) einer der beiden Ausgangspunkte der Via Egnatia. Endlich dort angekommen konnte der Reisende aus Rom seinen Weg auf der befestigten Straße dann Richtung Thessaloniki und letztlich bis hin zum Bosporus fortsetzen. Namensgeber der Straße war Gnaeus Egnatius, Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. Prokonsul der römischen Provinz Macedonia. Mit sicherem Gespür für ihren unschätzbaren Stellenwert baute er sie damals – auf Grundlage bereits vorhandener Straßen aus der makedonischen Königszeit – als einen der wichtigsten Verkehrswege Südosteuropas dauerhaft aus. Die Erhebung Konstantinopels zur Hauptstadt des Imperiums im Jahre 330 n. Chr. sollte die Bedeutung der Via Egnatia nochmals nachhaltig steigern, und so war sie schließlich viele Jahrhunderte lang bis in die Türkenzeit hinein eine unverzichtbare und überaus stark frequentierte Achse, die von der Kapitale aus in den Westen führte. Spuren der Straße mit ihrem einstigen Belag sind noch heute an verschiedenen Stellen erhalten, sehr schön beispielsweise unmittelbar bei Kavala.
Jens Rohmann