Pame gia mia vόlta, ist ein vielgebrauchter Satz im griechischen Tagesablauf. Er lädt zu einer Auto- oder Motorradfahrt, zu einem Sprung ins Kaffeehaus oder zu einem Spaziergang an der Promenade ein. Früher, wenn junge Frauen und Mädchen in Griechenland vόlta gingen, war das wohl zum Vergnügen, doch Anstand muss sein: Besonders auf dem Land waren die Spaziergänge mit festen Verhaltensregeln verbunden.
Die vόltas am Wochenende waren die herbeigesehnte Gelegenheit, um dem Familienhaus und den Pflichten zu entkommen, um sich hübsch zurechtgemacht zu zeigen und sich nach heiratswilligen Männern umzusehen. Das galt ebenso für die jungen Männer. Auch sie machten sich für das Schauspiel fein. Heutzutage sind die vόltas immer noch ein fester Bestandteil der griechischen Kultur. Zur vόlta schlendert man auf der Hauptstraße des Ortes. Um sicher zu stellen, dass man dabei tatsächlich beachtet wird, geht man dieselbe Straße mehrmals auf und ab. Dabei begegnen die Spaziergänger einander immer wieder. So hat man die Gelegenheit, einander verstohlen aus den Augenwinkeln zu betrachten, sich zuzulächeln, miteinander zu reden. Im Gegensatz zu früher sind die Röcke kürzer geworden, die Dekolletés freizügiger; junge Männer tragen ihre im Fitnessstudio antrainierten Muskeln in engen T-Shirts zur Schau. Und die in den Tavernen und Kaffeehäusern herumsitzenden Leute nehmen gleichsam am Schauspiel teil. Niemand dreht den Paradierenden den Rücken zu, vielmehr macht das Publikum, vor einem Kaffee oder sonstigem Drink sitzend, sich ein Vergnügen daraus, das Treiben zu beobachten. Man grüßt einander, die Flaneure bleiben kurz stehen, Neuigkeiten werden ausgetauscht, dann wird die vόlta fortgesetzt. Nektarios arbeitet in einer Taverne am Strand. Er errötet stark, wenn sein Lieblingsmädchen vorbeiflaniert. Vom Abendlicht durchleuchtet glühen seine abstehenden Ohren wie Lampen. Sie sieht es, wir alle sehen es. Sie kichert. Sie grüßen einander, sie geht weiter. Sie trägt Hotpants, er sieht ihr hinterher. Das alte Spiel bewährt sich seit Jahrhunderten: Pame gia mia vόlta!
Linda Graf