Langgestreckt schmiegt sich Euböa, die zweitgrößte Insel des Landes, vor die Ostküste Mittelgriechenlands. Dort wo der Abstand zum Festland am größten ist, beträgt er mehr als 20 Kilometer, bei Chalkis (modern: Chalkida) dagegen, der Inselhauptstadt, schmilzt er auf gerade einmal 40 Meter zusammen. Es handelt sich hier um die engste Stelle eines etwa neun Kilometer langen Kanals, der den nördlichen und den südlichen Teil des Golfes von Euböa mit einander verbindet. Er gilt gemeinhin als die schmalste Meerenge der Welt und ist schon seit der Antike unter dem Namen Euripos bekannt.
In Chalkis überspannt ihn eine kleine Brücke, die für den Durchlass von Schiffen im Bedarfsfall geöffnet werden kann. Ihr erster Vorläufer war bereits im Jahre 411 v. Chr. gebaut worden, seit 1992 wird die Verkehrssituation im Ort durch eine zweite Brücke etwas weiter südlich entlastet. Schiffbar war der Euripos bereits im Altertum, bei Chalkis aber behinderte stets ein Riff die Durchfahrt. In Zusammenhang mit Arbeiten zur Erweiterung der Fahrtrinne wurde es in den 1890er Jahren fortgesprengt. Besonderes Aufsehen erregt der Euripos seit alters aufgrund eines eigentümlichen Naturphänomens, das sich hier beobachten lässt. Mehrmals täglich nämlich wechselt die Strömung des durchfließenden Wassers ihre Richtung. In der Antike war das Wissen um diese Besonderheit so verbreitet, dass im Sprachgebrauch der Zeit der Begriff Euripos als Bezeichnung für einen unbeständigen Menschen verwendet werden konnte.
Jens Rohmann