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„Wer war der Mörder meines Bruders“ von Georgios Vizyinos

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Der Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt Konstantinopel. Dort spielen u. a. auch die Erzählungen von Georgios Vizyinos Der Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt Konstantinopel. Dort spielen u. a. auch die Erzählungen von Georgios Vizyinos

Auszug aus der gleichnamigen Erzählung: Als die Zeit der Hochzeit nahte, stiegen Kiamil und sein Blutsbruder aufs Pferd, um der Einkäufe wegen in die Stadt zu kommen. Die Eisenbahn war in der Nähe, aber die jungen Leute liebten die Pferde und wollten unbedingt reitend in die Stadt einziehen, mit den goldenen Knöpfen an ihren Westen, mit den Pistolen an der Taille und den Karabinern über der Schulter. So machten sie sich mit den Goldstücken in ihren Hüftgürteln auf den Weg.

Auf diese Weise kamen sie an die Brücke von Lüleburgaz, dieselbe Brücke, auf der später auch dein armer Bruder getötet wurde. Wie mir der Effendi, der sie sah, sagte, ist die Brücke eng und hoch; der Fluss ist tief und schnell; das eine Ufer kahl und das andere mit vielen wilden Weiden und anderen Bäumen bedeckt, die sich mit dem etwas entfernt beginnenden Wald vermischen.“ Der betrunkene Effendi war nicht in der Lage, die Richtigkeit der Beschreibung zu bestätigen, denn er war, in der Nähe des Tisches liegend, schon lange am Schnarchen. „Als sie die Mitte der Brücke erreicht hatten“, fuhr die Alte fort, „sah Kiamil, mein Kind, eine Flamme durch die Weiden und hörte einen Gewehrknall! Und bevor er es richtig erfasst hatte, mein Kind, stürzte sein Gefährte verwundet! Und das Pferd von Kiamil erschreckte sich, neigte sich zur Seite, das Gitter der Brücke brach, und es stürzte zusammen mit meinem Kind in den Fluss! Gott behüte die Menschen vor der bösen Stunde! Wer weiß, wie viele Stunden er mit dem Tod rang! Du siehst aber, es war ihm nicht bestimmt. Das Pferd wurde tot gefunden, und er wurde gerettet. Ich danke dir, Herr! Selbst so, wie er gerettet wurde, nochmals Gott sei gedankt! Drei Tage wusste er nicht, wo er war. Als er ein wenig zu sich gekommen war, begriff er, dass er im Inneren einer Mühle war. So weit hatte ihn der Strom getrieben, in den Riemen des Pferdes verfangen! Und wenn der Müller ihn nicht im allerletzten Moment gerettet hätte – lass gut sein! Ein sehr guter Mensch war der Müller nun nicht, aber lass gut sein. Denn als mein Kind zu sich kam, bemerkte es, dass er ihm den Hüftgürtel abgenommen hatte. Er sagte aber nichts. Sowieso hätte er ihm das Geld mit eigener Hand gegeben. Er bedankte sich also, soweit es ihm möglich war, und machte sich auf den Weg, um zum Gut seines Schwiegervaters zu gehen, zu sehen, ob seinem Blutsbruder etwas Schlimmes geschehen wäre, um die Nachricht zu überbringen. Als er aber halbtot an seine Tür kam, ließ er ihn nicht herein. Er wandte nur sein Gesicht zur anderen Seite, damit er ihn nicht sähe, und sagte: ‚Du hast zugelassen, dass dein Blutsbruder getötet wurde, ohne dein Gewehr zu entleeren; und du kommst in mein Haus, ohne den Kopf des Mörders in deiner Hand? Du bist kein Mann! Du bist ein Verräter!‘ Und er warf ihn hinaus, und schloss die Tür! Ohne Leben in seinem Leib, ohne Geld in seiner Tasche. Wer weiß, auf welchem Feld seine Knochen jetzt verstreut wären, wenn er nicht das Glück gehabt hätte, in eurem Dorf zu landen, wenn sich nicht diese heilige Frau, deine Mutter, die Valide, gefunden hätte, ihn in ihrem Haus aufzunehmen und zu pflegen. Wir Türken sagen, dass alle Christen in die Hölle kommen werden; wenn ich aber das Gute bedenke, das deine Mutter getan hat, sage ich mit meinem Verstand: Wenn diese Christin nicht ins Paradies kommt, weiß ich nicht, welcher Türke dahin käme! Lass gut sein! Die Wege Gottes sind unergründlich! Die ganze Zeit damals hielt ich mein Kind für verloren. Von dem Mord, der geschah, erfuhren wir, aber der Effendi war noch nicht bei der Polizei, und der Sultanide, Kiamils böser Schwiegervater, gab an, dass er ihn nicht wiedergesehen habe. So schrieben wir ihn bei den Toten ein. Als dein Bruder kam und ihn mir so dünn und totenbleich brachte, schien es mir, dass er aus seinem Grab herausgetreten sei. Und so viel Freude soll Gott eurem Leben geben, mein Kind, wie ich an jenem Tag Freude empfand! Es ist wahrlich viel Zeit vergangen, aber zuletzt ist mein Kind gesund geworden. Als es gesund war, erhob es sich und wollte gehen.

Auszug aus der Neuerscheinung „Zwei Erzählungen von Georgios Vizyinos“: „Wer war der Mörder meines Bruders?“ und „Die Sünde meiner Mutter“.

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