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Von Norden nach Süden: Auf dem Weg nach Drosopigi

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Von Norden nach Süden: Auf dem Weg nach Drosopigi
Was tut man, wenn die Cousine sich ausgerechnet einen weit abgelegenen Ort fast am Ende Griechenlands zum Heiraten aussucht, während man selbst am anderen Ende lebt? Man holt die Landkarte heraus und versucht, auf der Reise von Thessaloniki nach Drosopigi in der Mani interessante Stopps einzulegen und Orte aufzusuchen, die man bislang noch nie besucht hat.
Zugleich ist diese Fahrt quer durch Griechenland eine schöne Gelegenheit, mit den Menschen in den verschiedenen Landstrichen zu sprechen und Eindrücke zu sammeln.
 
Der erste Teil der Route bis Lamia ist mir von vielen Athen-Reisen bereits vertraut. Die Höhepunkte auf dieser Strecke sind immer wieder der majestätische Olymp, der seinen Kopf meist tief in die Wolken steckt, als öde es ihn an, die Welt und seine Bewohner zu betrachten. Mit seinen scharfkantigen Schluchten flößt er mir stets etwas Furcht ein, und dann, ein paar Kilometer weiter, das dunkelgrüne Tempi-Tal zwischen Olymp- und Ossa-Gebirge, wo die Straßen abenteuerlich eng werden und man sich als Fahrer auf gar keinen Fall von der Schönheit der Umgebung ablenken lassen darf, wenn man sich nicht in Lebensgefahr begeben will. 
Nach Lamia geht es die Berge hinauf Richtung Amfissa. Hier im Parnass-Gebirge wurde 1952 ein österreichischer Bergbau-Ingenieur eingestellt. Das Bauxit, das unter seiner Leitung abgebaut wurde, wurde von Itea aus in die ganze Welt transportiert. Der Österreicher, der mitsamt Frau und Tochter nach Griechenland kam, war der Großvater meines Mannes. Er liebte Griechenland so sehr, dass er die Staatsangehörigkeit seiner neuen Heimat annahm und hier in betagtem Alter starb. Der Abbau des Bauxit sicherte den Menschen der Region Fokida Arbeitsplätze und ein gutes Einkommen. Auf der Straße von Lamia Richtung Amfissa befindet sich eine alte Mine, die man besichtigen kann.
 
Delphi – die perfekte klassische Kulisse
 
Jetzt geht es hinunter zum Golf von Korinth. Während wir schon Itea mit seiner langen Uferpromenade sehen, biegen wir nach links Richtung Delphi ab. Hier, wo sich dem Mythos nach die zwei von Zeus ausgesandten Adler trafen, um den schönsten Ort  und den Mittelpunkt der Welt zu finden, kommt man nach Griechenland. Ich lebe seit 20 Jahren in Hellas, aber habe heute das Gefühl, ich bin angekommen. Eigentlich fühle ich mich wie in einem Film. Wenn ich mich an die Säulen des Apollon-Tempels lehne, müssten sie kippen, denn ist das nicht alles Kulisse? Wie war es möglich, in dieser Höhe eine solche Anlage zu schaffen? Von Terrasse zu Terrasse wurden erst die Schatzhäuser angelegt, dann der Tempel, Sitz des Orakels, darüber das Theater und ganz oben, völlig unerwartet, öffnet sich ein Stadion mit Sitztribünen, das aussieht als seien dort erst gestern die letzten Wettkämpfe zu Ende gegangen. Unterhalb des Gipfels und eingerahmt von den letzten grünen Bäumen wurden hier die Pythischen Spiele, die zweitwichtigsten Spiele der Antike, durchgeführt. Allein hier oben anzugelangen, ist schon eine olympische Disziplin für sich. 
 
Berühmtes Marzipan aus Galaxidi
 
Nach dem Besuch des Museums geht es weiter durch Itea nach Galaxidi. Der Österreicher und seine Frau fuhren damals noch mit dem Fischerboot hinüber in den malerischen Ort mit den gepflegten Kapitänshäusern. Eine Landverbindung gab es lange nicht. Und noch heute bewahrt sich Galaxidi seinen Inselcharakter. Wir haben zwei Zimmer in der neoklassizistischen „Villa Oiantheia” gemietet. „Es hat Jahre gedauert, bis wir alles so restauriert hatten, wie wir es uns vorgestellt haben“, erzählt die Besitzerin, Frau Rena, als sie uns zum Frühstück die mit Käse und Schinken gefüllten Pfannkuchen serviert. Wir sind die einzigen Gäste, eine geisterhafte Stille erfüllt das alte Haus. „Hätten wir doch eure Strände! Da oben in Makedonien hat die Krise sicher nicht so zugeschlagen“, ruft sie aus. Seltsamerweise teilen diese Meinung auch andere Geschäftsleute in Galaxidi. Der junge Andreas, der den wunderschönen „Tante Emma“-Laden führt und die Besitzerin des für seine frisch zubereiteten Nudelgerichte bekannten Restaurants „Maritsa“ sind davon überzeugt, dass die Krise ihre Region stärker getroffen hat als uns im Norden. 
In der Tat ist jetzt, Ende August, wirklich nicht mehr viel los. Es liegen ein paar große Segeljachten im Hafen der ehemaligen starken Mittelmeer-Handelsflotte Galaxidi, aber die liebevoll eingerichteten Tavernen sind nicht gut besucht. Weiße, endlose Sandstrände wie in Makedonien gibt es nicht, da müssen wir Frau Rena Recht geben. Direkt am Hafen ist jedoch ein Ponton zu einer  hübschen „Beach Bar” umfunktioniert worden, wo man gleichzeitig baden und Kaffee oder einen Abenddrink zu sich nehmen kann. Das ist doch mal eine nette Abwechslung!
Oma hat uns aufgetragen, in Galaxidi auf jeden Fall Marzipan einzukaufen. Und so treten wir in einen urigen Süßwarenladen, der diese sonst in Griechenland nur schwer zu findende Köstlichkeit in vielen Variationen anbietet: Mal zu Kugeln gerollt und aromatisiert von Rosenwasser, mal in Schokolade gehüllt, mal als γλυκό του κουταλιού, zum Löffeln sozusagen. In diesem hübschen Laden wird eine ganze Menge orientalischer Leckereien angeboten. Eine wahre Fundgrube!
Als wir dermaßen bereichert Galaxidi verlassen, dauert es nicht lange, bis gegenüber die imposante Bergkette der Peleponnes auftaucht. Wir nähern uns der Brücke Rio-Antirrio, einem Bauwerk aus dem Jahre 2004. Wie vier voll aufgetakelte weiße Großsegler sieht diese zweitlängste Schrägseilbrücke der Welt aus. Ein Meisterwerk der Technik, führt sie doch in einem Erdbebengebiet über eine 2,5 Kilometer breite und 65 Meter tiefe Meerenge ohne stabilen Boden. Die Überfahrt ist ein Erlebnis und kostet, das nur nebenbei, 13,40 Euro. Nun sind wir endlich auf der Peleponnes. 
 
Wandeln durch heilige Haine
 
Viel ändert sich zunächst nicht. Das Land hier ist fruchtbar. Wir erblicken die ersten Honigmelonen-Felder unseres Lebens, die wie Felder voller Wackersteine aussehen und an einem Stand kaufen wir zwei Zöpfe Knoblauch gegen böse Geister und für unseren Kochtopf daheim. 
Schließlich kommen wir nach Alt-Olympia, das eingebettet in ein sattes Grün, eine ganz besondere Atmosphäre besitzt. Schon von Weitem sehen wir auf den Hügelkuppen die Sprinkleranlagen, mit deren Hilfe ein weiterer schwerer Waldbrand wie der aus dem Jahr 2007 vermieden werden soll. Nicht auszudenken, wenn die antike Stätte, die jahrhundertelang vergessen und von einer fünf Meter hohen Sandschicht bedeckt war, der Menschheit wieder verloren ginge. Über 1000 Jahre lang wurde in Olympia die Tradition der sportlichen Wettkämpfe gepflegt, die nach ihrer Neubelebung im Jahre 1896 auch heute noch besteht. Vor den Überresten des Hera-Tempels wird jedes Mal die Fackel entzündet und hinausgetragen, wenn irgendwo in der Welt die Olympischen Spiele eröffnet werden. Hier sehen wir zum ersten Mal wahre Touristenhorden, darunter sehr viele Italiener und Franzosen. Natürlich ist der Besuch der beiden bedeutenden Museen Pflicht. Viel wichtiger ist jedoch, durch den heiligen Hain zu wandeln und die Stimmung auf sich wirken zu lassen.
 
Im Erdreich schlafende Riesen?
 
Am nächsten Tag geht unsere Reise weiter durch Messenien. Dieser Teil der Peleponnes ist reich an Zypressen. In Nordgriechenland sieht man diese an eingewickelte Weihnachtsbäume erinnernden hohen Gewächse  nur an Friedhöfen. Sie sind Symbole von Tod und Trauer. Hier ragen sie wie mahnende Zeigefinger von im Erdreich schlafenden Riesen in die Landschaft.
Das Land hier zeigt sich mancherorts außerordentlich fruchtbar und anderswo wieder unwirtlich und karg. Und so erscheinen mir auch die Menschen. Mal voller Herzlichkeit, dann wieder spröd und einsilbig. Die Griechen in diesem Landstrich sind ein kämpferisches Volk. Tripoli war 1821 die erste von den Aufständischen gegen das Osmanische Reich eroberte freie griechische Stadt. Wir lassen sie links liegen und fahren weiter zur Festung Monemvasia, unserer nächsten Station für zwei Tage.
 
 Von Andrea Dimitriadis
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