Von der Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland sind auch die Weinproduzenten betroffen. Dabei hätten die Winzer gute Chancen, relativ glimpflich davon zu kommen: Mit einer offensiven Marktstrategie für griechischen Qualitätswein. Doch es fehlt am Willen für dringend notwendige Reformen.
Es ist noch frisch an diesem Vormittag, die Sonne ist gerade erst über die Berge gestiegen. Doch herrscht hier bereits seit 6 Uhr reger Betrieb: Die Bauern sind bei der Weinernte. Der Winzer Angelos Rouvalis steht in einem T-Shirt und lässiger Jeanshose vor seinem Betrieb oberhalb eines kleinen Dorfes am Golf von Korinth und wartet auf eine Lieferung Trauben von einem der Hügel. Wegen ihrer gesunden Höhenlage sind diese Anbaugebiete besonders geschätzt.
Qualität im Vordergrund
Endlich treffen die Trauben ein. Die roten Kisten werden sofort in ein Kühlhaus der Kellerei verladen. Hier lagern sie noch ein paar Stunden, damit sie ihr volles Aroma entwickeln können, dann kommen sie in einen Kühlturm und erst dann erfolgt die weitere Verarbeitung. Vom Meer her, das unten am Fuß der Berge wie auf einer Postkarte in tiefem Blau leuchtet, weht eine angenehm frische Briese herauf. Winzer Rouvalis prüft konzentriert aus einem Stahltank den Most, der gerade aus der Presse kommt.
Der Sechzigjährige ist nicht nur für seinen eigenen Betrieb verantwortlich, sondern als Vorsitzender des Griechischen Weinverbandes (SEO) schlägt sein Herz sozusagen für alle Weine im Land. „Wir brauchen anspruchsvolle Weine, die international anerkannt sind“, sagt er.
Pro Jahr werden in Griechenland etwa 3,5 Millionen Hektoliter (HL) Wein produziert. Das Exportvolumen erreichte im Jahr 2011 62,2 Millionen Euro; der Import lag bei knapp 26 Millionen Euro. Veröffentlicht wurden diese Zahlen von der Zentralgenossenschaft für Weinprodukte, die in Griechenland etwa 680 aktive Weingüter und 40 Genossenschaften vereinigt.
Ein besonderer Charakter
Der in Frankreich studierte Önologe Rouvalis hat für seine Weine, die er seit 1994 in der eigenen Kellerei produziert, schon zahlreiche Auszeichnungen bekommen. Einige seiner Flaschenweine reifen bis zu zehn Jahre, ehe sie auf den Markt gelangen. Seine Winzerei erstreckt sich über einen steilen Hang auf insgesamt sechs Stockwerke. Pumpen, so sagt er, würden bei der Produktion nicht eingesetzt, weil das der Qualität schade. Der Verarbeitungsprozess vom Pressen bis zur Lagerung erfolgt lediglich nach dem Prinzip der Schwerkraft – alles fließt von oben nach unten. Die Eichenfässer, in denen der Wein letztlich zur Reife kommt, liegen in der untersten Etage.
Der Sohn eines Rosinenbauern, der immer wieder auch die vieltausendjährige Geschichte des griechischen Weines und die damit verbundenen Traditionen anspricht, ist davon überzeugt, dass der Wein seiner Heimat einen ganz eigenen Charakter hat. Vor allem schwärmt er von den so genannten „Mesoklimata“, das heißt Klimata für bestimmte Landschaftsabschnitte. Die seien für die Weinkultur bestimmend. Geprägt würden sie vom zügigen Übergang zwischen dem Meer und den meist gleich dahinter ansteigenden hohen Bergen. Durch die Wärme könnten die Reben ausgezeichnet reifen, das Meer liefere die nötige Feuchtigkeit und Kühle, der Anbau in einigen hundert Metern Höhe sorge dafür, dass kaum Schädlinge auftreten.
Doch guter Wein muss auch noch gut verkauft werden. Derzeit läuft das erste strategische Marketing-Programm für den griechischen Wein seinem Ende entgegen. Im Vordergrund stehen dabei Qualitätsweine wie etwa jene von der Insel Santorin, aber auch gute Tropfen aus Nemea auf der Nordostpeloponnes, Naoussa in Zentralmakedonien und aus Mandinia in Arkadien. Nun hofft der Winzer, dass auch seine Region auf der Peloponnes, das antike Achaia, in das zweite Programm zur Weinvermarktung aufgenommen wird.
Blind durch die Krise
Griechenland, so erklärt der Fachmann, verfüge lediglich über zwei Prozent der gesamteuropäischen Weinanbaufläche. Die Zukunft des griechischen Winzers könne aus diesem Grund nur qualitativ hochwertiger Wein sein. Der Verkauf in Supermärkten sei hingegen ein absolut unrealistisches Ziel. Die Weinbauer hätten in Griechenland durchschnittlich nur 0,6 Hektar in ihrem Besitz, in Frankreich z. B. seien es 9 Hektar. Erschwerend kämen die bergigen Anbauflächen hinzu, die die Kosten in die Höhe treiben. Der große Vorteil Griechenlands, die Berge, würde aus wirtschaftlicher Sicht zum Nachteil – Traktoren sind bei vielen Anbauflächen nicht einsetzbar. Auch schlechte Infrastrukturen, schwer befahrbare Wege zum Beispiel, würden den Bauern zu schaffen machen.
Was die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise betrifft, so glaubt Rouvalis, dass man jetzt entscheidende Strukturreformen durchsetzen müsse. Vor allem brauche man auch Veränderungen, was etwa das Recht im Weinberg wie auch das Erbrecht betreffe. Es gehe aber auch um die Modernisierung bzw. um die Einrichtung neuer, effektiver Institutionen zur fachlichen Aus- und Weiterbildung der Winzer. Überall sonst auf der Welt gäbe es in Rebbauzonen Berater, Trägerinstitutionen und auch Unterstützung durch den Staat – nicht so in Griechenland. „Wie man es im ganzen Land empfindet, so fühlen auch wir, dass wir die gegenwärtige Krise völlig blind durchqueren“, sagt Rouvalis sichtlich enttäuscht.
Der Vorsitzende des Weinverbandes, dessen Vorfahren sich seit Generationen mit dem Anbau von Korinthen beschäftigt haben, fragt sich deshalb besorgt, „ob es auch Morgen Weinbau in Griechenland geben wird“. In seiner Heimat habe man sich u. a. für das Verbot der Pflanzung neuer Rebstöcke stark gemacht, was völlig widersinnig sei. In den letzten Jahren, so stellt er fest, sei die Hälfte des griechischen Weinbaus durch Vernachlässigung, Landflucht, Brände und zu niedrige Löhne verloren gegangen. Nun bräuchte man eine gerechtere Besteuerung, eine richtige Politik und vor allem auch die Bekämpfung des Schwarzhandels mit Wein ungeklärter Herkunft, der vielerorts als „offener Wein“ angeboten wird.
Chance für Arbeitslose
Was die Herstellung griechischer Qualitätsweine betrifft, so könne gerade die Krise eine wirklich Chance eröffnen. Etwa eine Million Griechen wollen Umfragen zufolge angesichts der rapide steigenden Arbeitslosigkeit aus den Städten wieder zurück aufs Land ziehen. Etwa 30 Prozent von ihnen möchten sich diesen mit dem Weinbau beschäftigen. Zwar werde ein solcher Schritt von der Regierung befürwortet, aber, so Rouvalis, nicht mit Taten unterstützt. Seine Tochter Theodora zum Beispiel ist jetzt 24 Jahre alt. Nach dem Vorbild ihres Vaters hat auch sie Önologie studiert. In seiner Winzerei hilft sie bereits tatkräftig mit. Um noch mehr Erfahrungen zu sammeln, hat sie zunächst in Chile auf einem großen Weingut gearbeitet, anschließend ging sie nach Australien. Und nun absolviert sie noch ein Aufbaustudium in Frankreich. Wenn alles gut geht, ist es nicht ausgeschlossen, dass sie später das Unternehmen des Vaters übernimmt.
Bisher hat der Betrieb die Jahre der Krise seit 2010 recht gut überstanden. Winzer Rouvalis hofft, dass er auch weiterhin gut durchhalten kann. Sein Unternehmen sei quasi ein Familienbetrieb, den er mit vier engen Freunden betreibe. Natürlich habe er zunächst bei sich selbst und dann auch beim Personal die Löhne kürzen müssen, und das in einer Größenordnung von 15 bis 20 Prozent. Der Verkauf an abgefüllten Qualitätsweinen sei in Griechenland seit dem Ausbruch der Krise um 30 Prozent geschrumpft.
Rouvalis kann diese Entwicklung abfedern, weil er gut im Ausland vertreten ist. 150.000 Flaschen mit Qualitätswein werden jährlich vor allem in den USA und Kanada verkauft. Auch China gehört zu den Absatzmärkten.
„Gute-Nacht-Geschichte“
Die Besichtigung in der Winzerei geht ihrem Ende entgegen. Wir stehen wieder draußen in der strahlenden griechischen Herbstsonne. Die Luft duftet nach frisch gepresstem Most und nach Trauben. Ein Arbeiter befüllt gerade einen hohen Stahltank erneut mit Trauben aus dem Kühlhaus. Theodora Rouvalis greift in die Tasten eines kleinen Computer-Displays, über das die Arbeitsgänge koordiniert werden. Hochmodern mutet das an. – Wenn die junge Frau eines Tages das Unternehmen übernehmen sollte, dann wird Griechenland ein anders Land sein. Bleibt zu hoffen, dass sie dann einst ihren Kindern zum Einschlafen abends eine „Gute Nacht-Geschichte“ von einem Krisenland aus längst vergangenen Tagen erzählen kann.
Elisa Hübel
Unsere Fotos (© Griechenland Zeitung / Elisa Hübel) zeigen Stahltanks in denen der Most vergoren wird, ehe er in die Fässer kommt und den Winzer Angelos Rouvalis.