Sifnos im Herbst. Auch die Kykladeninsel mit ihren malerischen Dörfern steht ganz im Zeichen der Pandemie. In den Gassen des Kastro oder am Strand von Faros begegnet man Fläschchen mit Desinfektionsmitteln, Masken und Abstands-Hinweisen. Und trotzdem kommt die Nachricht: Die abendliche Fähre nach Piräus fällt aus. Crew-Mitglieder wurden positiv getestet, und nun zieht das Schiff ohne Passagiere zurück nach Athen. Aber gibt es Schöneres, als auf einer Insel in der Ägäis zu stranden?
Ganz im Norden von Sifnos liegt Cheronissos. Man sagt, es sei erst wenige Jahrzehnte her, dass der Ort einer der abgelegensten der griechischen Inselwelt war. Nur mit einem stundenlangen Ritt über den alten Eselspfad oder per Boot gelangte man zu den Bewohnern, Verwandte brachten Dinge des täglichen Bedarfs aus Apollonia oder vom Hafen Kamares. Heute ist Cheronissos besser erreichbar, und da wir nie da waren, brausen wir nun spontan auf einem altersschwachen Roller hinauf. Er ächzt gegen Wind und Steigung an. Kurz vorm Sonnenuntergang sind wir da. Fernab vom Trubel. Und dann finden wir ihn ganz unerwartet. Den alten Töpfer Kostas in seinem Steinhaus am sturmzerzausten Meer, in dem er lebt und arbeitet. Kein Mensch scheint im Dorf zu sein, nur er, wie er da steht hinter seiner offenen Werkstatttür. Er bittet uns herein und strahlt, überrascht vom späten Besuch. Kostas ist ein herzlicher Geschichtenerzähler, ein lebendes, lachendes Denkmal in einem archaischen Raum. Er sammelt seinen Lehm und feuert den Brennofen mit Holz. Er ist ein Zauberer, Erfinder der unmöglichsten Tiegel und Gefäße, die er uns stolz vorführt, während er aus seinem Leben erzählt: Becher, die sich leeren, wenn sie zu voll werden, und Karaffen, die keine Öffnung haben. Oder doch? Wäre die Fähre gekommen, hätten wir uns nie getroffen. Und als wir im Dunkeln durch den Wind zurückfahren, erinnern wir uns wieder daran, was einfaches Glück ist.
Text und Foto: Christian Klenke