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Dimitris Bagnionas: Der Grieche, in dem ein Italiener steckt

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Dimitris Bagnionas: Der Grieche, in dem ein Italiener steckt

Ein pinkfarbenes Schild am Ortseingang von Sykia, einem kleinen Ort an der Südspitze der Sithonia/Chalkidiki verweist auf eine Eisdiele. DIVA steht da in lateinischer,weißer Schrift - "Gelato artigianale" und ein Pfeil weist den Weg etwa 50 Meter geradeaus und dann rechts. Ein echter Italiener im Hinterland der Chalkidiki? Und tatsächlich: In einem Eckhaus direkt an der alten Platia, inmitten von alten Häusern mit abblätterndem Putz und einer zugenagelten "Pantopoleia" leuchtet divenhaft, neonhelles Licht aus einem modernen Eckgeschäft.

Die Tür ist offen, der Laden leer - kein Wunder es ist fast ein Uhr in der Nacht und nur die Neugierde hat uns in die Gasse geführt. Die Eisbehälter allerdings sind gut gefüllt: Erdbeer, Schokolade, Zitrone - aber auch ausgefallenere Sorten wie blaues Schlumpfeis, Cheese Cake, Paradiescreme oder Kirsche. Aus dem Lautsprecher dröhnt laute Musik, Pharrell Williams singt: "cause I´m happy" und mit einem freundlichen "kalispera" kommt der Chef hinten aus dem Eislabor - er hat gerade die letzte Fuhre Eis für morgen dekoriert und in die Gefriertruhe verfrachtet. Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden, erklärt er und deshalb müssten wir noch kurz warten. Wir warten gern, denn belohnt werden wir mit köstlichen Eiskreationen. Italienisches Eis?

Der Eismann heißt Dimitris Bagionas, ist 28 Jahre alt und gebürtiger Grieche. Seine Mutter allerdings ist - Französin. Aha. Also kein Italiener. Das Image aber stimmt und es verkauft sich gut, denn irgendwie ist Dimitris - wie so viele Griechen - überall in Europa ein bisschen zu Hause.

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Vier Jahre schon probiert und entwickelt er in seinem Eislabor aus, was schmeckt. 40 verschiedene Sorten hat er im Angebot und beliefert mittlerweile Hotels und Gastronomien auf der ganzen Chalkidiki.


Geboren in Sykia, aufgewachsen in Frankreich, kommt er 2006 zusammen mit seiner Famlie in sein Heimatdorf zurück. Er macht eine Ausbildung zum Patissier, arbeitet in Luxus Hotels in Porto Carras, Marmaras und Nikiti. Zuletzt in einer italienischen Eisdiele in Sarti. Das bringt ihn auf den Geschmack, das Eis weckt den Italiener in ihm. Dimitris will fortan nur noch das Eine: seine eigene Eismanufaktur!

2011 ist es dann soweit: Der junge Mann eröffnet DIVA. Ein Geschäft mit 50 Quadratmetern im Erdgeschoss seines Elternhauses, direkt an der alten Platia von Sykia. Eine moderne Eisküche mit Eismaschine, Froster, Kühltruhen und einem Laden mit Straßenverkauf. Die Krise nimmt gerade so richtig an Fahrt auf, die Banken geben dem Jungunternehmer keinen Kredit - aber Dimitris lässt sich nicht abhalten. Seine Mutter unterstützt ihn, verkauft in Frankreich ihr Haus. Auch sein Vater steigt mit ein, übernimmt die Auslieferung. Dimitris will es schaffen. Er will Erfolg und dafür arbeitet er hart. Morgens um 8 Uhr, wenn der Milchliferant kommt, steht er auf. 50 bis 100 Liter pro Tag müssen verarbeitet werden, je nach Auftragslage. Abends weit nach Mitternacht holt er die letzte Fuhre aus dem Froster.

Zuerst bereitet er das Eis vor. Für seine persönliche Lieblingssorte "Lemoni" wäscht Dimitris am Morgen 40 Zitronen, er schält sie, presst sie, stiftet die Schalen. Aus dem Saft macht er Sirup, einen Teil der Schalen galciert er für die Dekoration. Dimitris verwendet für alle Sorten ausschließlich natürliche Aromen, beteuert er. Dann werden Sahne, Zucker und Fruchtsaft verrührt. Die Milch wird in einer Maschine auf 40 Grad Celsius erhitzt und pasteurisiert. Dann erst kommen die Zutaten hinzu und die cremige Masse wird unter ständigem Rühren auf 9 Grad Celsius heruntergekühlt. Die Eismaschine braucht eine dreiviertel Stunde dafür. Danach kommt das Eis in den Froster. Am Ende stehen 15 Eisbehälter mit je 4,5 Kilo Speiseeis auf dem Tisch - mit leichter, schneller Hand verziert er die Creme kunstvoll mit Sirup und ein paar Zitronenschalen - dann ab in die Truhe...

Dinmitris tänzelt auf den Rythmus der Musik aus der Eisküche, singt: "cause I´m happy" - und ich glaube ihm sofort. "Das war´s für heute mit dem Eis", lacht er und zieht seine Konditorenmütze ab. Jetzt noch die Verwaltung. Dimitris geht die Bestellungen für den nächsten Tag durch, bereitet Etiketten vor, plant, organisiert und räumt auf.

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35 Eistruhen hat er mittlerweile vermietet, die er täglich mit DIVA Eis beliefert. Sie stehen überall auf der Sithonia in Sarti, Nikiti, Porto Koufu und Marmaras - einige davon sogar in Thessaloniki. In diesem Jahr hat er für die Saison drei Teilzeitangestellte eingestellt, einen Patissier, eine Putzfrau und eine Verkäuferin.

Es ist spät geworden. Seine Mutter kommt dazu und bestätigt: "mehr als 4-5 Stunden Schlaf bekommt er nicht in der Saison". Von Mai bis Oktober arbeitet Dimitris sieben Tage die Woche quasi rund um die Uhr. Anders geht es nicht, sagt er, denn der Laden brummt. Auf der Straße zieht eine Gruppe lachender, junger Leute Richtung Disco vorbei. Ob er nichts vermisst, frage ich den jungen Mann in dem Moment. "Nein", sagt er und seine dunklen Augen blitzten auf "la glace c´est ma vie" sagt er auf französisch und wieder glaube ich ihm sofort. Dieser junge Mann hat einen Traum- und er will ihn verwirklichen. Er will sein kleines Eislabor in Sykia ausbauen zu einer großen Manufaktur. Schon jetzt könnte er expandieren, die Auftragslage würde eine zweite Eismaschine auslasten. Die aber kostet 40 000 Euro und wir haben Sommer 2015. Die Banken sind geschlossen, die Kassen leer, niemand hier gibt einen Sou.

Bis hier hin haben seine Eltern ihr Vermögen in die Firma gesteckt aber die weiteren Entwicklungschancen stehen schlecht, sagt seine Mutter. Dimitris ist optimistischer: "die Geschäfte laufen gut, ich wurde bereits als Jungunternehmer ausgezeichnet, schaffe Arbeitsplätze", resümiert er seinen Erfolg. Er will sein kleines Unternehmen früher oder später ausbauen,  "hier in Griechenland, in Sykia", betont er, "aber wenn es nicht geht, dann mache ich den Job auch woanders", sagt er auch und lacht selbstbewußt.

Im Herbst wird Dimitris nach Italien reisen - Fortbildung in einer echten italienischen Eisdiele in Rimini.
Hoffentlich treffen wir ihn nächstes Jahr wieder - hier in Sykia, Griechenland!

Stefanie Heutmann

Dieser Beitrag und die Fotos wurden uns im Rahmen unseres Leserwettbewerbes zum zehnjährigen Jubiläum der Griechenland Zeitung von Stefanie Heutmann zugeschickt. Wir möchten uns dafür ganz herzlich bedanken!

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