Es ist erst Nachmittag: Obwohl wir Mitte Oktober haben, scheint draußen die Sonne, das Meer weit unter uns glitzert und die Olivenbäume wiegen sich silbern im Wind. Wir betreten den großen Raum bei unseren Freunden oberhalb des Bergdorfes Stavrinides und fühlen uns sofort in eine andere Welt versetzt, denn hier herrscht große Hitze, ausgeströmt von dem blubbernden, zischenden Brennofen, es riecht nach Alkohol und schon bald nach den frischen Loukoumades, die die Hausfrau herumreicht.
Auch wir haben etwas zu essen mitgebracht; vielerlei Salate stehen bereit, es wird fleißig geschnippelt an weiteren Zutaten für Leckereien – man weiß nie, wie viele Leute noch eintrudeln! Natürlich werden wir herzlich begrüsst und umarmt; wir kennen uns seit etlichen Jahren, haben schon oft zusammengesessen und gefeiert, u.a. die Taufe des Jüngsten.
Der lange einfache Tisch erweist sich bald als zu klein, denn immer mehr Menschen strömen herbei. Viele bringen die Maische zum Brennen mit, andere schauen einfach so vorbei und sind stets willkommen. Nun wird improvisiert: Kisten aufeinander gestapelt, drüber mangels Tischtuch Teppiche ausgebreitet, Stühle aus allen Ecken und Enden des Hauses herbeigeschafft. Draußen steht der „Grill“, jemand trägt tatsächlich eine Schweinehälfte an uns vorbei… Die Aussicht auf Koteletts von glücklichen Tieren, die im Freien aufgewachsen sind, lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Selbstverständlich wird der Souma nicht nur frisch gebrannt - Souma ,diese samiotische Köstlichkeit, die an Grappa im Geschmack erinnert, - sondern auch fleißig konsumiert, sobald er die nötige Milde im Alkoholgehalt erreicht hat. „Jamas“, tönt es ringsum! Da der Hausherr auch sehr guten Wein produziert, probieren wir den ebenfalls – herrlich! Mein Tischnachbar holt plötzlich seine Bouzouki hervor, eine Gitarre: alte, traditionelle Lieder werden angestimmt; zum Glück kenne ich viele Texte und singe lauthals mit. Es dauert nicht lange, dann steht der Erste auf und fängt an zu tanzen, manch einer oder eine folgt. Wir fühlen uns so wohl und aufgenommen! Mir kommt wieder einmal der Gedanke, dass ja im Griechischen das Wort „filoxenia“, also Gastfreundschaft, sowohl aus „Freund“ und „Fremde“ zusammen gesetzt ist.
Diese Erfahrung der griechischen Gastfreundschaft dürfen wir, mein Mann und ich, nunmehr seit 30 Jahren geniessen. Wir verbrachten 1985 unseren ersten Urlaub hier und verliebten uns gleich in diese Insel, ein Paradies für uns! Jedes Jahr kamen wir wieder, lernten Land und Leute kennen, wurden Teil „unseres“ Dorfes… Nun sind wir Rentner, haben unser eigenes kleines Haus auf einem Hügel mit Meersicht und leben 8 Monate im Jahr hier – inmitten griechischer Nachbarn, mit denen wir engen, herzlichen Kontakt pflegen und mittlerweile als ihresgleichen akzeptiert und angenommen wurden. Ich kann wirklich sagen: wir leben unseren Traum!
Roehrig
Dieser Beitrag sowie die Fotos wurde uns im Rahmen unseres Leserwettbewerbes zum zehnjährigen Jubiläum der Griechenland Zeitung von Frau Roehring zugeschickt. Wir möchten uns dafür ganz herzlich bedanken!