Was verbindet mich mit Griechenland?
Sehr viel! 1958 kam ich nach Griechenland, wo ich meinen griechischen Mann kennengelernt und mit ihm dort fast mein ganzes Leben verbracht habe. Eigentlich wollte ich Kindergärtnerin werden, habe aber dann doch den kaufmännischen Beruf erlernt, der dem Wirkungsfeld meines Mannes als Buchhalter sehr entgegenkam. In den folgenden 50 Jahren habe ich dort eine Familie gegründet, von der noch ein Sohn von drei Kindern in Athen lebt. Der andere Sohn konnte sich nicht vom Süden trennen und lebt in Bulgarien. Vor sechs Jahren hat mich meine Tochter nach Deutschland geholt, weil ich inzwischen Witwe war.
18 Jahre verbrachte ich als lebensbejahender Mensch in Athen, dann hatte das Schicksal Anderes mit mir vor: Ich bekam einen Schlaganfall und sitze seither gelähmt im Rollstuhl. Ich arrangierte mich und kam auch mit den unterschiedlichen Mentalitäten zurecht, es gab im täglichen Leben Höhen und Tiefen, aber schließlich hat das Griechentum überwogen und mein ganzes Denken ist griechisch geworden. Hier nehme ich Anstoß an vielen Dingen, Über den deutschen Humor kann ich nicht immer lachen, dagegen wenn ein Lazopoulos auftritt, könnte ich mich kugelig lachen. Sind die Deutschen zu steif, zu ernst? Die Griechen liegen mir einfach mehr durch ihre Freundlichkeit, Unbeschwertheit, ihr herzliches Lachen und die Spontanität.
Wenn ich den blauen griechischen Himmel sehe mit der strahlenden Sonne, habe ich das Gefühl von Freiheit und Freude. Mir klingen noch die zu jeder Gelegenheit passenden Wünsche in der mir geläufigen Sprache in den Ohren: „Kalo dromo“ (guten Weg), „Kali epitichia“ (viel Erfolg), „Kali eleftheria" (Schwangeren wüscht man gute Entbindung). Gibt es freundlichere Grüße? Manchmal rufe ich hier aus Gewohnheit einer genesenen Bekannten „Siderenia„ (gute Genesung) zu, ernte aber nur einen unverständlichen Blick.
Sobald ich griechische Leute höre, wird mir warm ums Herz. Griechische Musik zieht mich an, wo immer ich sie höre. Mein unbefriedigter Griechenlandsinn lässt mich sogar das deutsche Essen ohne die griechischen Zutaten und Gewürze ungewohnt schmecken, die Nachspeisen und Kuchen sind nicht süß genug. Wenn ich da an Baklava oder Pastes denke…
Ich habe einen Extraschrank mit Büchern, die irgendetwas mit Griechenland zu tun haben und die mir heilig sind: alle Kriminalromane von Petros Makaris, Reisebeschreibungen von Fenmor, Märchen und Berichte. Ich habe sogar ein Buch über mein schicksalhaftes Leben geschrieben unter dem Titel „Mein geliebtes Griechenland“. Jede Woche freue ich mich auf die Griechenland Zeitung. Beim Lesen der Lektüre tauche ich in mein unvergessliches Land ein. Ich achte darauf, dass der rege Briefwechsel mit meinen vielen Freunden dort bestehen bleibt.
Es mag alles aus der Ferne strahlender erscheinen, umso mehr tut mir die bedauerliche Lage meiner geliebten Wahlheimat leid. Ein Trost: Die Menschen dort werden sich nie verändern.
Was kann mich da noch mehr mit Griechenland verbinden? Mein Geist ist dort, mein Körper hier.
Brigitte Charalambidou
Dieser Beitrag und die Fotos wurden uns im Rahmen unseres Leserwettbewerbes zum zehnjährigen Jubiläum der Griechenland Zeitung von Brigitte Charalambidou aus Deutschland zugeschickt. Wir möchten uns dafür ganz herzlich bedanken!
