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Pleite und doch Reich - Ein Souvenir aus Griechenland

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Pleite und doch Reich - Ein Souvenir aus Griechenland

Urlaub in einem kleinen Haus in Sikia, einem Dorf auf der Chalkidiki in Griechenland – 3 Kilometer vom Meer entfernt. Die Bewohner leben von Fischfang, Landwirtschaft, Viehzucht und in bescheidenem Maß von Tourismus. Hier leben etwa 2400 Griechen, gehen zur Schule, zur Arbeit und am Sonntag in die Kirche. Die Alten sitzen in der Taverne, spielen Tavli und trinken Ouzo, die Jungen ohne Arbeit spielen Flipper oder Billard im Café.

Unser Nachbar ist Fischer. Er steht jeden Morgen um 5 Uhr auf, fährt mit seinem Boot, dem Kaiki raus auf´s Meer, kommt mit Thunfisch, Brassen und Schwertfischen zurück. Wir haben Anfang Juli 2015, die Banken sind geschlossen, die Händler können seinen Fang nicht bezahlen, die Netze bleiben leer. Panajotis kommt früher als sonst zurück, geht stattdessen in seinen Garten. Auf die Felder vor dem Dorf. Dort züchtet er Tomaten, Gurken, Auberginen, Bohnen, Zwiebeln und Salat. Geld hat er keins im Moment und trotzdem kommt er abends reich nach Hause. Wir treffen ihn und seine Familie. Feiern den Moment, teilen das Essen. Es gibt frischen Fisch, eingelegte Peperoni und Salat. Alles von seiner Hände Arbeit erwirtschaftet. Panajotis und seine Frau Thomai haben zwei Söhne und vier Enkelkinder. Alle sind da und alle feiern mit. Panajotis lacht viel, wirkt zufrieden trotz aller wirtschaftlichen Sorgen. Er fragt nicht nach viel Geld, er fragt nach Ertrag, sagt sein Sohn. Mein Vater liebt, was er tut. Das macht ihn glücklich.

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Yannis und seine Frau Andrea sind Goldschmiede. In Sarti einem der größten Touristenorte der Region betreiben sie einen Laden, YIAN, handgemachter Silberschmuck – von Reiseführern wie Marco Polo und Dumont als herausragend gelobt. Die Geschäfte laufen trotzdem schlecht. Kein Geld von der Bank, kein Material, keine Produktion, kein Verkauf – dafür höhere Steuern,  und eine Vorauszahlung für das nächste Jahr. Ein Fixum unabhängig vom realen Umsatz! Eine geplante Befreiung für Unternehmen mit weniger als 12 000 Euro Jahresumsatz wurde im Zusammenhang mit den jüngsten Sparauflagen der EU gerade wieder vom Tisch gefegt. Seit Beginn der Krise 2010 haben die beiden 70 Prozent ihrer Kundschaft verloren. Der Laden wirft gerade noch so viel ab, dass die Unkosten, Renten und Krankenversicherung zu bezahlen sind. Das ist wichtig. Denn beide sind über 60, die ersten Krankheiten deuten sich an. Wenn sie den Laden schließen müssen, ist es vorbei sagt Yannis, dann haben wir keine Krankenversicherung  mehr. Deshalb sitzt Andrea weiterhin jeden Tag in ihrem Geschäft. Von 12 Uhr Mittag bis Mitternacht ist sie für potentielle Kunden da. Yannis hilft nur noch bei Bedarf. Er kann es nicht ertragen, für nichts zu arbeiten. Er entscheidet, sein Land intensiver zu bewirtschaften.

Gemüse, Obst, Wein, Oliven auf fünf Hektar – alles selbst gezüchtet, vom Samen an. Hier auf den Feldern mit Blick auf den heiligen Berg Athos schenkt die Natur seiner Arbeit den Wert, den er schätzt: guter Ertrag.  So viel, dass es zum Überleben für ihn und seine Frau reicht. Verkaufen will er sein Gemüse nicht. Die Arbeit kann mir hier keiner bezahlen, sagt er. Auf dem Wochenmarkt in Sikia kosten die Tomaten 1 Euro das Kilo, wenn sie sehr reif sind 50 Cent. In den Supermärkten werden Tomaten aus Italien angeboten – häufig noch billiger. Da verschenkt er lieber sein Gemüse oder tauscht es gegen Öl und Honig. Ob er es bedauere, seinen Beruf als Goldschmied nicht mehr ausüben zu können, will ich wissen. „Nein“, sagt er, “das hier“ - und er weist mit ausladender Handbewegung über sein Land oberhalb der Meeresbucht von Sikia, “das ist mein Traum seit ich 20 bin“. Und so liegt für ihn in der Krise auch eine Chance.

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Kinder, Freunde und Verwandte, die zu Besuch nach Sikia kommen, reden vom Paradies. Sie kommen aus Thessaloniki und Athen. Aus den Städten, in denen Menschen an Banken anstehen und an Suppenküchen. Aus Städten, in denen sich in den letzten 5 Jahren 7000 Menschen vor Verzweiflung das Leben genommen haben. Aus Städten, in denen die Krise zur Katastrophe geworden ist. Sie reden vom Paradies und meinen nicht die traumhafte Landschaft. Sie meinen den Reichtum der Natur, der die Landbevölkerung ihr bescheidenes aber glückliches Leben führen lässt - sie in gewisser Weise unabhängig macht von Korruption und Sparpolitik.


Voller Respekt reden die Städter hier von den Menschen auf dem Land, voller Achtung von der Arbeit auf dem Feld. Voller Ehrfurcht reden sie von der Natur, voller Dankbarkeit vom Ertrag.


Die Krise schärft den Blick für das Existentielle. Das Land ist pleite und doch reich an Wertschätzung für das Wesentliche! Und genau das ist unser Urlaubssouvenir:  Achtung und Respekt vor Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit produzieren, was am Leben hält. Eine Achtung, die jeder von diesen wertvollen Menschen verdient. Unabhängig von der Frage, wer bezahlt den Preis!

Stefanie Heutmann

Dieser Beitrag sowie die Fotos wurden uns im Rahmen unseres Leserwettbewerbes zum zehnjährigen Jubiläum der Griechenland Zeitung von Frau Stefanie Heutmann zugeschickt. Wir möchten uns dafür ganz herzlich bedanken.

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