Login RSS

Impfung ohne AMKA: Eine wahre Geschichte von Behörden, Friseuren und anderen Zuständigen in Griechenland

  • geschrieben von 
Foto (© ek) Foto (© ek)

Eigentlich bin ich es satt, über COVID-Impfungen zu lesen, zu hören oder gar zu schreiben. Und eigentlich will ich auch niemanden schlecht machen. Und eigentlich ist ja auch alles gut. Ist es? Wie so oft hierzulande, weiß man nicht recht, ob man lachen oder weinen soll. Und hier ist also meine wahre Geschichte zu dem Thema: Mein zweites Zuhause ist hier, in Athen. Hier habe ich (Privatversicherte) seit gut 20 Jahren mein griechisches Leben, mein Haus, meine Freunde – und keine AMKA, also keine Sozialversicherunsnummer. Also war die Freude groß, als verkündet wurde, dass hier Residierende, falls gewünscht, auch ohne AMKA zur ihrer COVID Impfung kommen könnten.

Ohne Termin geht gar nichts

Nach Errichtung der Plattform www.emvolio.gov.gr sah ich mich also schon im März darin um, um mich, sobald meine Altersgruppe an der Reihe wäre, sofort anzumelden. Die Plattform war schließlich nach einer Abänderung Anfang April so gestaltet, dass man sich auch als nicht-AMKA-Inhaber zur Impfung anmelden konnte. Ich leiste also am 9. April der Aufforderung Folge, Namen, Daten inkl. Steuernummer (AFM bzw ΑΦΜ) einzugeben und bekomme eine automatische Antwort: „Ihr Ansuchen wurde erfolgreich entgegengenommen, wir werden Sie nach Prüfung Ihrer Angaben kontaktieren.“
Dann war eine Woche lang Funkstille. Mittlerweile erkundigte ich mich telefonisch beim Bürgerservice KEP, ob sie mir mit der Ausstellung einer AMKA-Nummer behilflich sein könnten. Keineswegs, war die Antwort, ich benötige eine Europäische Bürgerkarte, um ansuchen zu können. Wo ich die bekäme? Bei der Fremdenpolizei, erfuhr ich.
Also versuche ich, bei der Fremdenpolizei anzurufen, um einen Termin auszumachen. Abgehoben wird nicht. Ich weiß nur eines: Ohne Termin kann man da nicht hin. Der Landessprache mächtig, suche ich mir aus dem Internet die Bedingungen heraus, die man braucht, um zu einer Europäischen Bürgerkarte zu kommen und beginne mit dem Sammeln der nötigen Papiere.
Gleichzeitig aber läuft doch meine Anmeldung bei der Impfplattform selbst! Der mühsame Versuch, Informationen über der Verbleib meiner Anfrage einzuholen, erschließt mir endlich zwei Telefonnummern beim E-Regierungszentrum für Sozialversicherung (ΗΔΙΚΑ), wo aber selbst nach beharrlichen Versuchen niemand abhebt. Also schicke ich eine elektronische Anfrage an www.idika.gr.
Einige Tage verstreichen, keine Antwort. Schließlich wird meine Geduld belohnt. Jemand hebt das Telefon ab. Ich erfahre von einer sehr genervten Dame, dass mein Anruf umsonst gewesen sei, jene Stelle sei nicht zuständig, ich solle mich an die Sozialversicherungskasse EFKA wenden. Ich versuche es. Keiner hebt ab.

Alle guten Dinge sind drei

Mittlerweile wird weiterhin in den Medien verkündet, dass auch AMKA-lose Impfwillige zu ihrem Recht auf ihren Stich kommen. Also starte ich am 21. April eine neuerliche Anmeldung auf der Plattform (meine Altersgruppe ist längst dran). Erfolg!!!??? „Ihr Ansuchen wurde erfolgreich entgegengenommen, wir werden Sie nach Prüfung Ihrer Angaben kontaktieren.“ Meine zweite Anmeldung schien entgegengenommen worden zu sein – ein Zeichen wohl, dass die erste irgendwo unterging.
Es erreicht mich die (nun nicht mehr neue) Information, dass nunmehr ein Gesetz verabschiedet worden sei, dass AMKA-lose sich impfen lassen können. Außerdem sei bekannt, dass die Plattform für solche Fälle nicht funktioniert, und man arbeite daran.
Meine Freundin, als (griechische) Rechtsanwältin mit den hiesigen Verhältnissen vertraut, schreibt an den Vizeminister des Ministeriums für E-Government … und schildert meinen Fall. Daraufhin bekommen ich ein Schreiben mit dem überflüssigen Inhalt, dass ich „auch ohne AMKA in der Plattform www.emvolio.gov.gr um einen Impftermin ansuchen könne“. Allerdings enthält dieses Schreiben keinerlei telefonische Kontaktmöglichkeit.
Da offizielle Stellen für Informationen nicht zugänglich sind (Telefonnummern sind fast nicht auffindbar, und wenn, werden sie nicht bedient; mit E-Mails ist es dasselbe), bin ich außer meinem eigenen Gutdünken guten Ratschlägen von lieben Freunden ausgesetzt. Also folge ich dem Rat, zur Sicherheit eine dritte Anmeldung zu starten. Automatische Antwort: „Ihr Ansuchen wurde erfolgreich entgegengenommen, wir werden Sie nach Prüfung Ihrer Angaben kontaktieren.“ Meine dritte Anmeldung schien entgegengenommen worden zu sein – was war mit den ersten beiden geschehen?
Meine liebe Rechtsanwaltsfreundin erhielt nun einen Anruf von besagtem Ministerium mit der Beschwerde, ich hätte das System blockiert.
Also schreibe ich genau auf, wann ich welches Ansuchen gestellt habe. Dieses Schreiben erhält die Dame im Ministerium, um der Sache nachgehen zu können.

Mit dem Friseur zur Fremdenpolizei

Und nun endlich zu meinem talentierten Friseur Antonis. Der gestrige Friseurbesuch entwickelte sich nämlich in eine unerwartete Richtung. Ich erzählte ihm von meiner Impf-Odyssee. Ich bin noch mitten im Redefluss, da ruft er einen guten Freund an, der bei der Fremdenpolizei arbeitet. Der gibt ihm den Rat, ich solle gleich kommen. Ohne einen Augenblick zu zögern, macht sich Antonis daran, seinen Laden zu schließen: „Wir fahren jetzt zur Fremdenpolizei“. Keine Widerrede. Ich sause schnell noch nach Hause, um meine Papiere zu holen. Antonis chauffiert mich zur Fremdenpolizei. Der Wachebeamte hält sein Temperaturmessgerät in der Hand (wir haben ja COVID-Vorschriften) und weist den selbstbewusst auftretenden Antonis (er ist Kreter) und mich damit in Richtung Haupteingang – ohne Temperatur zu messen. Nach zehn Minuten stehen wir vor der für EU-Bürger zuständigen Stelle. Termin für die EU Bürgerkarte, so erfahren wir, gibt es keinen vor September. Ach wirklich??? Wie komme ich dann zu meinem AMKA, wo doch KEP mich an die Fremdenpolizei verwiesen hat? Nach kurzer Beratung unter Kolleginnen, die meine sorgfältig zusammengestellten Papiere offenbar gütig stimmen, gibt es doch auf einmal einen früheren Termin, nämlich den 30. Juni. Hurra!
Antonis bringt mich nach Hause, beteuert mir, er würde nichts lieber tun, als mich auf meinem nächsten Ausflug zur Fremdenpolizei zu begleiten, und überhaupt: Wann immer ich etwas brauche, solle ich mich an ihn wenden. Und macht sich auf den Weg zur Arbeit.
Wieder zu Hause, folge ich einer Eingebung und setze ich mich an den Computer, gebe meine Daten in der Webseite www.amka.gr ein und – starre auf meine funkelnagelneue AMKA Nummer.
Am Abend desselben Tages bekomme ich von www.emvolio.gov.gr eine SMS, auf Englisch: meine AMKA-Nummer sei nun verfügbar. Nun kann ich es mir also aussuchen, denn ich komme mit beiden AMKA-Nummern auf die Impfplattform. Allerdings werden je nach verwendeter Nummer (beide eindeutig auf meine Identität ausgestellt) zwei verschiedene Impfstationen angeboten.

Marion Hoffmann, Athen, 14. Mai 2021

Nach oben

 Warenkorb