Im April ging es von Thirassia, der kleinen Schwester von Santorini, abends mit der Aqua Spirit über Santorini nach Anafi. Um 19 Uhr sollte die Fähre von dem trostlosen Hafenort Riva in Thirassia ablegen. Gab es tagsüber noch blauen Himmel und Sonnenschein, so zogen pünktlich zur Abfahrt dunkle Wolken auf .
Trotz Wind und Regen legt die Aqua Spirit pünktlich im Agios Nikolaos auf der Kykladeninsel Anafi an. Die kleine Insel ist knapp 40 Quadratkilometer groß und hat 300 Inselbewohner. Die Hälfte von Anafi befindet sich im Besitz der Griechisch-Orthodoxen Kirche und war zwischen 1935 und 1942 ein Verbannungsort für politische Gefangene.
Die schwere Klappe war schon fast unten, aber man merkte bereits, dass da irgendetwas nicht stimmte. Die Klappe ging wieder hoch, die Fähre schaukelte ordentlich und der Aqua Spirit legte nach einigem Hin und Her 20 Minuten später an einem anderen Kai an.
Durch den Sturm gab es auf Anafi Stromausfall, es regnete und war stockdunkel. Man musste sich im Dunkeln erst einmal am Hafen orientieren. Mit einem kleinen Inselbus ging es dann nach Hora, wo in einigen Häusern Kerzen brannten.
Auch die Abfahrt nach einigen Tagen gestaltete sich ähnlich. Abends legte der Aqua Spirit pünktlich in Agios Nikolaos an. Aufgrund des Sturmes lief der Aqua Spirit aber wieder aus und ankerte über Nacht auf offener See vor der Westküste von Anafi. Morgens hatte die Fähre Probleme beim Anlegen, es wehte immer noch ordentlich. Die Bordklappe schlug immer wieder auf die Kaimauer und hob sie bis zu einem halben Meter. Man musste bei einem günstigen Moment auf die Klappe springen.
Am nächsten Tag gab es im Minimarkt nur Kohl und ein paar Zwiebeln. An diesem Zustand änderte sich auch über die Tage nichts mehr. Also gab es Kohlsuppe bei Kerzenlicht, wie nach dem 2. Weltkrieg in Schleswig Holstein.
Verhungern musste man aber nicht, in Hora hatten ein Bäcker und die Taverne „Liotrivi“ auf. Hier konnte man gut und günstig essen. In der Taverne lernte ich auch ein Ehepaar aus Luxemburg kennen, die 1982 das erste Mal Anafi besucht haben. Damals wurde man noch ausgebootet, und es gab noch keine Straßen auf der Insel.
Für den kleinen Hunger zwischendurch gab es zwei Pita-Läden. Die eine Pita-Bude funktionierte auch als Kafenio. Hier trafen sich abends die Alten und tranken eine Menge Wein. Auch aß ich hier öfters eine gute Pita-Souflaki und trank meinen Raki. Ein uriges Kafenio sucht man leider vergebens auf Anafi.
Die Tavernen „To Steki“, „Alexandra“, „Anemos“ usw. hatten alle im April noch zu. Nur zwei bis drei Cafés hatten schon geöffnet.
Die Orte
Außer dem Hafenort Agios Nikolaos und dem Hauptort Hora (Chora) gibt es nur noch ein paar kleine verstreute Weiler wie Psathi und Stavros.
Der Hafenort Agios Nikolaos machte im April einen sehr trostlosen Eindruck, im hinteren Teil links standen einige Gebäude wohl schon längere Zeit leer und waren in einem schlechten Zustand. Das Elektrizitätswerk am Ende der Straße machte ein Höllenlärm. Hier möchte ich nicht Urlaub machen. Vielleicht sieht es in der Hauptsaison ein wenig freundlicher aus, gut möglich. Ende April hatte hier noch alles geschlossen. Auf Anfrage hatten die Tavernen aber geöffnet, und es gab sehr leckere Fischsuppe.
Sehr schön ist es am benachbarten Sandstrand Postkartenmotiv Klissidi. Hier gibt es oberhalb des Strandes ein paar einfache kleine Unterkünfte ohne Küche. Die Taverne „I Magarita“ von 1984 hatte auch immer mal wieder für ein paar Stunden auf. Der Sandstrand mit einigen Bäumen lockt im Sommer einige Wildcamper an. Zum Entspannen und für einen Badeurlaub ist Klissidi der beste Ort auf der Insel.
Das autofreie Hora hat mich nicht so überzeugt, hier war es mir von den Häusern her zu modern und neu – das Alte und Urige hat irgendwie gefehlt. Ein optischer Höhepunkt wie in anderen Hauptorten der Kykladen, z. B. das ganz oben ein Kloster oder altes Kastell steht, fehlt. Das Einzige Kykladen-Typische sind die Farben Weiß und Blau. Es gibt auf den Kykladen sicherlich idyllischere und urigere Hauptorte als Hora in Anafi. Ist natürlich aber alles eine Geschmacksache.
Was ich auch nicht so schön fand, war, dass bei den meisten Unterkünften, die im Osten von Hora liegen, nur vormittags die Sonne schien und es abends in den Unterkünften sehr frisch war. Auch die Sonnenuntergänge konnte man leider nicht von den Terrassen beobachten.
Die Bewohner von Hora waren zurückhaltend, aber dennoch sehr freundlich.
Oberhalb vom Roukounas-Beach findet sich auch noch eine kleine Ansammlung von Häusern. Über der Insel liegen noch um die 50 Häuser und Höfe verstreut. Zum Teil sehr abgelegen und ohne Strom.
Land und Leute
Anafi befindet sich nicht auf den Hauptverkehrsrouten der Fährlinien. Selbst in der Hauptsaison wird Anafi nur zweimal die Woche angefahren. Bis in den Juni finden sich nur wenige Touristen auf der Insel ein. Ende April waren um die zehn Touristen auf Anafi.
Tagsüber sieht man höchstens fünf Autos rumfahren und einige Mopeds, die rumknattern. Der Inselbus fuhr im April noch nicht. Kein Wunder, dass die Tankstelle nur dreimal wöchentlich für eine Stunde am Abend auf hatte. Es herrscht absolute Ruhe auf Anafi.
Wandern
Nichts „Fremdes“ stört das Auge bei den Wanderungen durch die unberührte Landschaft, nur Kirchen sieht man immer und überall. Die Bergwelt ist rau und abweisend. Es gibt keinen einzigen Baum in der Bergwelt. Nur in Küstennähe gibt es mal einen kleinen Olivenhain und ein paar vereinzelte Palmen. Hin und wieder sieht man ein kleines Weinfeld. Viel gibt der Boden nicht her.
Der Blick auf die Berge Kalamos (396 m), Vighla (581 m, der höchste Berg) und Drapanos (493 m) ist wunderschön. Auch das grüne Hinterland von Hora, zwischen den Weilern Psathi und Stavros und dem Berg Toubari (414 m), sind wunderschön fürs Auge. Auf den Toubari sieht man jeden Tag einen Hirten mit seinen Tieren. Nur seine Anweisungen und Befehle sind in dieser schönen unberührten Natur zu hören. Immer wieder sieht man Ansammlungen von alten verfallenen Gebäuden.
Unser Foto zeigt den Monostiri Beach und den Kalamos Berg
Der Höhepunkt des Anafi-Aufenthaltes ist sicherlich die Wanderung vom Kloster Zoodochou Pigis zum markanten und fotogenen Berg Kalamos mit der Gipfelkapelle Panagia Kalamiotissa im äußeren Südosten der Insel.
Bei meinen Wanderungen habe ich außer einem Einheimischen auf seinem Esel niemanden angetroffen.
Roukounas-Beach statt Golden-Beach
Schöne Sandstrände liegen wie an einer Perlenkette zwischen Agios Nikoalos und dem Berg Kalamos. Ein Trampelpfad führt vom Hafen von Strand zu Strand und immer am Meer entlang.
Der mehrere hundert Meter lange „Postkarten-Idylle“-Sandstrand Roukounas würde wohl auf den meisten Kykladen-Inseln „Golden-Beach“ heißen. Am Roukounas-Strand findet man Unterkünfte und Tavernen vor, hier ist das allerdings Fehlanzeige. Von anderen griechischen Inseln kennt man auch, dass sogar sehr abgelegene Strände bewirtschaftet werden. Selbst Liegen und Sonnenschirme sucht man an Anafis‘ Stränden vergebens. Man kann nur hoffen, dass es so bleibt und sich nicht der Profit gegen die Schönheit der Natur durchsetzt. Vielleicht hilft es, dass die ganze Ecke unter Naturschutz steht.
Die Sandstrände an der Südküste sind in der Hauptsaison bei Wild-Campern sehr beliebt. Da kann es schon mal eng werden. In der Vor-und Nachsaison hat man die Strände ganz für sich alleine. Die Strände im Norden sind rauer und wilder.
Fazit
Anafi steht für Ruhe, Abgeschiedenheit und eine karge, unberührte Landschaft.
Wer eine kleine ursprüngliche und ruhige Kykladen-Insel abseits der „Großen“ wie Paros, Naxos oder anderen sucht, ist auf Anafi richtig.So schrieb mir eine Bekannte: „eine Insel zum Abschalten und Runterkommen“.
Text und Fotos von Clemens Glismann