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Eine Geschichte, die sich wirklich ereignete

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Eine Geschichte, die sich wirklich ereignete
Nach etwa fünf Jahren des Spendensammeln, Auseinandersetzungen mit Behörden und der Hilfe des „Kulturpapst“ konnte die Klosterkirche „Nikolaos“ auf dem Pilion gerettet werden. Durch die zahlreichen Scherflein die Eva Gruber sammeln konnte, wurde die Restauration des Gotteshauses umgesetzt und 2012 fertiggestellt. Die GZ-Leserin erzählt, welche Hürden vor der Rettungsaktion überwunden werden mussten. Heute 
 
Eine große Rolle in dieser Geschichte spielt eine Reisegruppe unter der Führung meiner Freundin und Mitschülerin aus unserem Griechischkurs, Gerda Brumberger. Die Gruppe hatte schon mehrfach den Πήλιον (Pilion) durchwandert. Die Leute waren mir wohlgesonnen, weil ich ihnen als Standquartier das idyllisch gelegene Hotel Ροδιά (Rodia) in Καλά Νερά (Kala Nera) empfohlen hatte. Die Gruppe selbst kennt sich schon viele Jahre. Die Teilnehmer sind zwar noch gut zu Fuß, aber zum Teil nicht mehr ganz jung und verfügen über sehr viel Lebenserfahrung. Darunter sind Experten in Botanik, Geschichte, Kunst und noch vielen imponierenden Wissensgebieten. 
Gerda berichtete mir im Herbst 2007, dass man eine kleine ehemalige Klosterkirche, dem heiligen Nikolaos gewidmet, in dieser wild bewachsenen Gegend gesucht und gefunden habe. Leider sei sie aber augenscheinlich dem Untergang geweiht. Die Schilderung war deprimierend. Ein Baum wuchs z. B seitlich durch das Dach und bot dem Regen, der sich im Winter in irren Mengen über diese Region ergießt, freien Zugang in das Gotteshaus. Gerda hatte sich vom Popen aus Μιλιές (Milies) den Schlüssel besorgt, und die Gruppe war überwältigt von  der Fülle der Fresken, die sämtliche Wände und die Decke bedeckten. Allerdings lösten sie sich teilweise ab, und es zeigten sich größere Löcher in den Wänden mit Blick ins zerstörte Gebälk. Die Gruppe war erschüttert und beschloss zu helfen (!!), um den weiteren Untergang zu unterbrechen. Man wollte Geld sammeln usw. Unter meinen zahlreichen und völlig ungeordneten Schätzen fand ich schließlich ein kleines Büchlein: Ξωκλήσια του Δυτικού Πιλίου (Αγριά 2001).
Darin war über Αγ. Νικολάο (Ag. Nikolao) folgendes zu lesen (etwas gekürzte Übersetzung):
Auf einem kleinen flachen Stück nahe Παυλάκια, einem Gebiet mit Olivenhainen von Μιλιές, befindet sich das Kloster Αγίος Νικολάος. Heut zu Tage führt dorthin ein landwirtschaftlicher Pfad. Es lohnt sich aber, auf  einem Steinweg (καλντερίμι) durch die Schlucht zu gehen, um den Gesang der Nachtigallen zu genießen. Der Weg ist nicht immer bequem, aber er ist bezaubernd. Das Kirchlein wurde ungefähr von 1740 bis  1750 erbaut. Am Anfang, sagt man, habe dem Kloster ein Riesen-Grundbesitz gehört, der fast bis hinunter zum Meer reichte. Das Gotteshaus mit dem leichten Dach, das mit Pilionplatten gedeckt ist, hat wunderbare Fresken, die im Inneren alle Wände und den Nartex bedecken. Die Gestalt des Pantokrators herrscht in der Höhe, während viele weltliche Szenen die vier Wände bedecken. Viele Heilige in voller Größe, mit vielen gut herausgearbeiteten Einzelheiten. Jedes Porträt hat intensive, charakteristische Gesichtszüge. Die dazwischen liegenden freien Flächen sind geschmückt mit blühenden Girlanden oder auch mit umfassenden geometrischen Figuren. Die Vielfalt der Themen ist groß, und trotz aller Zerstörung sind die leuchtenden Farben, die die unbekannten Heiligenmaler verwendeten, erhalten geblieben.
Das allgemeine Desaster hinterlässt überall seine Spuren. Das Kirchlein wurde schließlich geschlossen. Die zuständigen Träger wurden sich über die Schäden klar, und eine Werkstatt wurde beauftragt, einen vorläufigen Schutz der Fresken anzubringen.
Die Denkmalschutzbehörde in Larissa hat damals (2001) versucht etwas zu retten. Man bedeckte einige der Fresken mit Gaze, damit sie sich nicht komplett von den Wänden lösen sollten.
 
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Um ehrlich zu sein: Ich hatte Mitleid mit dieser für meine Begriffe nahezu naiven Gruppe. Die Idee zu helfen schien mir irreal. Geld zu sammeln ist prima, aber die zu erwartenden Kosten wären unermesslich. Aber, nachdem ich hier fast heimisch bin, fühlte ich mich irgendwie verpflichtet und beschloss zu helfen.
Vielleicht könnte mir Κώστας Λιάπης (Kostas Liapis), der von mir hochgeschätzte „Kulturpapst“ im Πήλιον, helfen. Er ist mittlerweile auch schon ein bejahrter Mann. Er hat unzählige Bücher geschrieben, teilweise haben sie sagenhafte Auflagen. Er wurde mit vielen Preisen geehrt, u. a. von der Akademie in Athen,  für ein großes Lexikon der pilioritischen Idiomata, und deren ortsbezogene Zuordnung. Ein großartiges Werk, das ich besitze, in das er mir eine sehr ehrende Widmung schrieb. Der örtliche Unterschied der Dialekte ist hinsichtlich meiner laienhaften und unbedeutenden Meinung eine Folge der hoch interessanten Geschichte der Besiedlung des Pilions. Während der türkischen Besetzung, die Jahrhunderte dauerte, wanderten heimlich aus bedrohten Gebieten komplette Dorfgemeinschaften mit Kind und Kegel zum Pilion, dessen Höhen damals urwaldähnlich unbesiedelt waren. Sie kamen bei Nacht und Nebel, die Hochtäler waren von unten, wo die Türken wohnten, nicht einzusehen.  Sie kultivierten den Boden, bauten Häuser und es ging ihnen gut. Natürlich entdeckten sie eines Tages die Türken. Diese waren die Landesherren und verlangten Steuern.  Die Steuer für Grundstücke die einem ansässigen Türken gehörtem wurde χάσια genannt, die Grundstücke die der „Krone“, der türkischen Regierung in Konstantinopel  zu Eigen waren, der Πολη, wurde βακούφια genannt. Diese wurden  zu Gunsten wohltätiger Zwecke, bzw. Institutionen (Mekka, Medina) verwendet. Die Einwanderer bauten wundervolle Häuser, waren sehr fleißig und waren in gewissem Grade reich. Die Bevölkerung war – wiederum ist das wieder meine unmaßgebliche Meinung – eigentlich nicht bedrängt, aber sie begannen türkische Dörfer zu überfallen wie z.b.1823 , als die als streitsüchtig bekannten Agiorgier Άνω Λεχόνια , ein rein türkisches Dorf überfielen und mit Kind und Kegel verbrannten.  Eigentlich ist es nicht  verwunderlich, dass die Türken darauf heftig reagierten.
Μιλιές dagegen war ein geistiges Zentrum ersten Ranges, mit Schule und Bibliothek, in der man noch heute Physikbücher in französischer Sprache bewundern kann. Die führenden Köpfe dort hatten im Ausland studiert (vor allem Paris, Wien), sie brachten die Idee der Aufklärung nach Griechenland. Man bezeichnete sie als „Lehrer der Nation“. Einer von ihnen wurde der erste „Kultusminister“ im von den Türken befreiten Griechenland.
 
Kehren wir zurück zu Λιάπις. Inzwischen kommt er auch in die Jahre, ist jedoch ständig als Herausgeber aktiv. Ich betrachte mich als eine Freundin. Ihm berichtete ich die von dem Vorhaben der Gruppe, der rührenden Geschichte,  fragte, ob ich vielleicht einen Leserbrief an die Zeitung des Kreises ΕΚΠΟΛ genannt  Μαγνησία schreiben könnte, um alles zu schildern. Vielleicht finden wir einen Mäzen, der helfen könnte. Liapis war sehr angetan und riet mir, den Brief bis zum Jahresende zu senden, dann könne er ihn in der Frühjahrsausgabe einfügen.
So schrieb ich ihn und sandte ihn rechtzeitig ab. Ich unterschrieb ihn nicht, sondern die Leiterin Gerda Brumberger und noch ein paar aus der Gruppe. Ich wollte ja nur helfen.
1) Die Dimitriis, (Vettern) vor allem Daniil, waren die Autoren der „Neueren Geographie“, ein unglaublich großartiges Werk, gewissermaßen ein Produkt der Aufklärung, z. B. auch der Versuch, es in einer Volkssprache zu schreiben (1790). Sie schrieben nicht nur geographische Fakten, sondern berichteten auch über 
Charakteristika der entsprechenden Bevölkerung. Ich empfehle: Daniel Philippidis. Es lohnt sich.
 
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Fremde und wir
 
Das Phänomen, dass uns ausländische Freunde diskret auf unerfreuliche Dinge in unserer Gegend aufmerksam machen, die eigentlich unser eigenes Eingreifen erfordern, um sie in Ordnung zu bringen, ist alt und ereignet sich häufig. Die Themen, die von unseren wohlgesinnten Freunden berührt werden, sind meist kultureller und auch gravierender Art für die wir selbst bei einer Konfrontation mehr oder weniger alle verantwortlich sind. Sowohl der Staat als auch der normale Bürger. Eine solche charakteristische und richtig verstandene Intervention wurden dem Schriftleiter der Magnesia von einer Gruppe Deutscher, die in den Jahren 2006 und 2007 zu Fuß den Pilion durchforschten, gesandt. Lesen Sie die leicht korrigierte Mitteilung:
 
München, 3. Januar 2008
 
Im Pilion entdeckten und bewunderten wir viele wunderbare Sehenswürdigkeiten. Kürzlich hatten wir die Gelegenheit, das Kirchlein Agios Nikolaos in der Gegend von Milies aufzusuchen. (Anmerkung des Redakteurs: Es handelt sich um das alte Kloster Ag. Nikolaos des Alten in Pavlakia). Bereits von außen erkannten wir großen Schaden, denn es wuchs Gebüsch auf dem Dach der Kirche. Im Inneren wurden wir total überrascht, als wir die großartigen und wundervollen Fresken aus dem 18. Jahrhundert mit Szenen des Heiligen entdeckten. Aber der Zustand der Kirche war schrecklich. Viele Fresken lösten sich tatsächlich von den Wänden.
Vielleicht findet sich ein Experte, der in Ihrer Zeitung einen Artikel schreiben kann, der überzeugend die Einmaligkeit dieses Kleinods schildert und die Aufmerksamkeit der Bewohner dieser Gegend weckt.
Wer weiß, vielleicht finden sich Mäzene, die bei der Wiederherstellung helfen, denn tatsächlich bräuchte es mehrere. Für das berühmte Milies wäre es ein weiterer stolzer Schatz.
Einen kleinen finanziellen Beitrag könnten wir leisten.  
Wir wissen, dass auch nur eine kleinere Ausbesserung, geschweige denn eine komplette Wiederherstellung einer Kirche weder leicht noch etwas ist, was man mit wenig Mitteln bewerkstelligen kann und bei weitem die Möglichkeiten der Einwohner übersteigt.
Wir versuchen nur eine Anregung zu starten mit vorsichtiger z. B. der Entfernung der hineinwachsenden Gewächse. Ein Anfang führt vielleicht zu weiterem.
Wir danken dem Δημήτρης Αναγνωστού,  der uns die Gelegenheit bot, die Kirche zu besuchen und seiner Frau Doris, die exzellente Photographien machte. Wir wohnten im Hotel Rodia in Kala Nerá.
 
Wir wollen den Beleg veröffentlichen, dieses anrührenden Interesses unserer fremden Freunde, und hoffen, dass die Dinge, die die damalige verantwortliche befreundete Άσπα Ντίνα, Vorsitzende des Amtes für Byzantinische Archäologie, die damals Kenntnis hatte von diesem Problem, und vor ca. 20 Jahren mit Hilfe dieses Amtes Tüll/Gaze anbringen ließ, um die Fresken zu schützen, - eine Reaktion hervorrufen...
 
Text und Fotos von Eva Gruber
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