Unsere direkten Nachbarn in Deutschland sind ein griechisches Ehepaar mit zwei erwachsenen Kindern. Die Familie kam vor ca. 25 Jahren nach Deutschland, sowohl Mutter als auch Vater fanden sofort Arbeit. Sie lebten zuvor in der Nähe von Thessaloniki auf dem Land und hatten dort kein Auskommen mehr und wollten ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten.
Die Jahre vergingen, die Kinder wurden erwachsen, die Tochter verliebte sich in Griechenland und blieb dann auch dort. Der Sohn wollte es ebenfalls in Griechenland versuchen und sich ein Taxi kaufen. Das Ganze liegt ca. 5 Jahre zurück. Vater und Mutter beschlossen, ihrem Sohn beim Aufbau eines Taxigeschäftes zu helfen und vereinbarten, ihre guten Jobs aufzugeben und wieder nach Griechenland zurückzugehen. Dann kam die Krise! Nichts funktionierte mehr so, wie man es sich vorgestellt hatte, und so kamen unsere Nachbarn, um viel Geld und manche Illusion ärmer, wieder zurück nach Deutschland. Auch jetzt fanden sie glücklicherweise alle sehr schnell Arbeit.
Seit einiger Zeit wird Griechenland wieder von einer heftigen Auswanderungswelle erschüttert. Mittlerweile haben bereits 427.000 Griechen ihr Land verlassen. Die jährliche Auswandererzahl steigt stetig. Da es sich hauptsächlich um junge Akademiker und gut ausgebildete Facharbeiter handelt, sprechen Experten von einer "verlorenen Generation". Wen wundert es, wenn man liest, daß fast jeder zweite junge Mensch in Griechenland arbeitslos ist. Zwei Auswanderungswellen hat Griechenland bisher schon erlebt, die von 1907 bis 1917 mit 400.000 Auswanderern und diejenige in den sechziger und siebziger Jahren mit ca. 100.000 Menschen. Da Griechenland mit dem Aufbau von neuen Technologiestandorten gerade erst beginnt, schmerzt es natürlich besonders, wenn die hochqualifizierten Arbeitskräfte aus dem Land gehen. Viel Geld fließt von Seiten der EU. Warum nicht auch Geld in die Zukunft des Landes geben? Projektideen gibt es genügend. Wenn man jetzt nicht dementsprechend handelt, wird sich Griechenland in einigen Jahren teure qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland einkaufen müssen. Der knapp 30-jährige Sohn unserer Nachbarn würde liebend gern in seiner Heimat arbeiten, aber natürlich nur, wenn er einen vernünftigen Arbeitsplatz angeboten bekommen würde.
Christiane Dalbeck, Pylos
Unter Foto (© Griechenland Zeitung / Eleni Kougionis) entstand bei einer Kundgebeung vor dem Syntagma-Platz.