Ok, der Stress war jedes Jahr um diese Zeit ähnlich. Doch dieses Jahr hatte es dem Eierkorb den Boden herausgehauen.
Glücklicherweise ist das griechische Osterfest dieses Jahr erst Anfang Mai – fünf Wochen später als in Deutschland. Blieb also genug Zeit, um keine übereilten Entscheidungen zu treffen und nach Mitteln und Wegen zu suchen, um es nicht zu offensichtlich wie Flucht aussehen zu lassen.
Doch wie konnte es überhaupt soweit kommen?
Der Job eines normalen Osterhasen besteht ja darin, heimlich, frühmorgens Eier und Weihnachtmänner in die dafür bereitgestellten Nester zu legen. Das mit den Weihnachtsmännern hatte er vor zwei Jahren herausgefunden, als sich von einem „Schokoladenhasen“ das Papier gelöst hatte und darunter noch die rote Mütze und der weiße Bart vom Nikolaus zum Vorschein kamen. Ihm war es egal, zumal er sowieso nicht mit ansehen konnte, wie den Hasennikoläusen ohne Skrupel schon vor dem Frühstück die Ohren abgebissen wurden.
Doch dieses Jahr kam es noch schlimmer. Mehrmals wurde er beim „Eierlegen“ von morgens um 4 Uhr aus der Disco heimkehrenden Teenies überrascht, die sich einen Mordspaß daraus machten, ihn an Ohren, Beinen und Schwänzchen haltend auf Selfies zu bannen.
Noch ehe er sich aus dem Staub hoppeln konnte, war er schon so was von durch die ganze Welt „gepostet“, dass ihm klar war, dass es so beschaulich wie früher nie mehr sein würde.
Und wenn man sich erst einmal verhoppelt hat, kommt es oft richtig mohrrübendick. Er hatte noch ein paar Eier im Korb und die sollten nur noch nette Menschen bekommen. Er hatte irgendwo aufgeschnappt, es gäbe in der Nähe ein paar Salatfisten. Das hörte sich doch gut an, denn neben Mohrrüben gab es noch eines für das er sogar sterben würde – für Salat.
Allerdings wäre es fast wirklich dazu gekommen, als er versuchte, den Salatfisten ein paar Schokoladeneier ins Nest zu legen. Sie hatten ihm schon eine kleine Sprengstoff-Kiepe auf den Rücken geschnallt, Damit sollte er in den Dom zum Ostergottesdienst hoppeln.
Als sie auf die Dynamitstangen zur Tarnung noch Hasenohren und Zähnchen malten, konnte er sich „Gottseidank“ davonschleichen.
Ostermontag in Dresden: Von einer Fahnenschwingenden und „Hasylanten raus“ brüllenden Menge fast überrannt, hatte er die Hasenschnauze gestrichen voll. „Hasylant“ – bisher hatte ihn so noch keiner genannt beziehungsweise bebrüllt. Aber er hatte begriffen: Die mögen keine Hasylanten.
Hier wollte er nicht mehr länger bleiben.
Von Kollegen hatte er gehört, dass es in Griechenland dieses Jahr Anfang Mai eine Menge Jobs, zumindest für Osterhasen gab.
Außerdem gäbe es dort im Moment ein großes Hasylantentreffen. Das hörte sich doch wunderbar an. Doch wie sollte er dort hinkommen?
Die Balkanroute war für Hasylanten ja dicht, also blieb nur noch Italien. Da jetzt einige Schlepper Hasylanten mit kleinen Flugzeugen nach Italien brachten, konnte er sicherlich … dachte er … eh die leer zurückfliegen.
Er kratzte also alle Eier, die er noch hatte zusammen und bestach einen von den Schleppern, der recht vertrauenswürdig aussah.
Nicht dass er misstrauisch geworden wäre, als er hörte, wie der Schlepper in einem Telefonat mit seiner Mutter fragte, wie viele von den kleinen Zwiebeln man für einen Hasenbraten brauchte, aber irgendwie war Fliegen sowieso nichts für Hasen und so schnappte er sich eine große Plastiktüte als Fallschirm und sprang aus dem Flugzeug, als die griechische Küste in Sicht war.
Da habe ich ihn dann das erste Mal getroffen. Zufrieden und in Sicherheit und so viele nette Menschen hatte er auch schon kennengelernt.
Allerdings hatte er noch keine von den anderen Hasylanten gesprochen. Die waren alle in einem großen „Gehege“ eingefangen worden, warteten dort, bis sie wieder zurückgeschickt würden. Sie sahen alle sehr unglücklich aus, und da er sich das nicht länger ansehen wollte, machte er es wie viele andere Politiker in Europa und kümmerte sich lieber um sich selber.
So allein in der Fremde suchte er nach etwas Vertrautem. Auf vielen Mauern und an Häusern hatten er den Schriftzug „chryssi avgi“ gelesen oder so ähnlich. Da er damals auf dem 2. Bildungsweg das Hasenabitur gemacht hatte – Altgriechisch und Latein –, da ahnte er, was das heißen könnte, und das machte ihn neugierig.
Chryssi war klar, das war Gold, aber avgi, avri, …?
Klar, da plötzlich schoss es ihm förmlich durch den Kopf, Eier, avga … Es heißt Goldene Eier! Für einen Osterhasen eine ergreifende, verheißungsvolle Fährte, hoffte er.
Um es kurz zu machen. Es war ein Desaster. Nichts mit goldenen Eiern, kleine, verschrumpelte – eher wie alte Walnüsse hatten die alle. Und auch sonst stimmte fast nichts, von dem was die erzählten, und Hasylanten wie ihn, mochten die auch nicht.
Ihm war klar geworden – auch in Griechenland darfst Du nicht alles glauben, auch wenn man es manchmal lieber möchte.
Jetzt kommt erst mal Ostern, da hat er alle Hände voll zu tun. Aber danach hat er ja frei, und er weiß noch nicht, was er dann machen wird.
Er versteht ja nur sehr wenig von dem, was da so wirklich passiert in der Welt – vielleicht macht er einfach nix – oder er geht in die Politik … mal sehn.
Text und Foto: Hans Groß