Etwas raue Stimme, weit ausladende Gestik und viele bedeutungsvolle Pausen. Die Blätter auf dem Pult werden regelmäßig zurechtgerückt. Kostas Karamanlis in Aktion: Er verhalf am 7. März 2004 als Spitzenkandidat der konservativen Nea Dimokratia (ND) im zweiten Anlauf zum lang ersehnten Sieg und zur Mehrheit im griechischen Parlament.
Darauf hatte die ND 11 Jahre lang auf der Oppositionsbank warten müssen. Im Herbst 2007 rief er vorverlegte Wahlen aus und gewann sie trotz der vorangegangenen verheerenden Waldbrände auf der Peloponnes. Und im Oktober 2009 provozierte er erneut einen vorverlegten Urnengang, den er gegen Jorgos Papandreou von der PASOK verlor. Währedn der Amtszeit von Karamanlis wurde jedoch auch ein weiteres „Fundament“ gelegt für die schwere Wirtschafts- und Finanzkrise, die folgen sollte.
2004 nutzt Karamanlis seine zweite Chance
Im Olympia-Jahr 2004 – exakt im September – feierte Kostas Karamanlis erst seinen 48. Geburtstag. Die konservative ND lenkt er aber bereits seit 1997. Damals puschten den Jungpolitiker einige Parteibarone in die vorderste Reihe, und mit gerade 40 Jahren übernahm er als neuer ND-Chef die nicht leichte Aufgabe, die Konservativen von der Oppositionsbank zu befreien. Alle Hoffnungen der Funktionäre und Anhänger lasteten bei den Parlamentswahlen 2000 auf den Schultern des etwas bullig wirkenden Parteichefs. Trotz der damaligen Niederlage gegen Kostas Simitis von der PASOK – die allerdings knapp war – blieb das Sägen am Stuhl des Parteivorsitzenden aus. Allein das Alter, aber auch der klingende Name waren Attribute, die eine zweite Chance rechtfertigten. Ein Zeichen dafür, dass Karamanlis nicht unbedingt gerne verliert, war 2000 die Weigerung, dem Wahlsieger Simitis per Handschlag zu gratulieren.
Karamanlis und der jetzige Chef der großen Oppositionspartei, Jorgos Papandreou, haben eines gemeinsam, beide gehören Politikerdynastien an, die zusammen seit Jahrzehnten in Griechenland mit das Sagen haben.
Vergleiche mit den jeweiligen Vorfahren werden wohl wegen deren Übergröße kaum gezogen. Der gleichnamige Onkel von Kostas, Konstantinos Karamanlis, war Ministerpräsident in den 60er und 70er Jahren, Gründer der ERE und der ND sowie langjähriger Staatspräsident. Karamanlis der Ältere, wenn auch aus dem kleinen Dorf Proti Serron in Nordgriechenland stammend, legte sich im Laufe der Jahre „aristokratisches" Verhalten zu. Kostas ist zweifellos umgänglicher und tritt populärer auf. Er blieb einfach und meidet Extreme. In einem Interview mit der Tageszeitung „Ta Nea" meinte er, dass „Menschen, die zu Extremen neigen, psychische Probleme haben" müssten.
Ein klassischer Typ und musikalisch
Karamanlis jr. zeigt wenig Faible für Modisches und zieht Maßgeschneidertes in klassischem Stil bei seinen Anzügen vor. Zum gestandenen Auftreten gehört unverzichtbar auch das Komboloi (griechisches „Gebetskettchen"). Damit einher geht auch eine gewisse Distanz zu neuen Technologien: Sucht man unter „karamanlis.gr" erscheint „The page cannot be displayed“ (Stand: 2014). Umfragen bestätigen Karamanlis’ Volksnähe. Zufrieden mit den kleinen Freuden des Lebens – „einem Lächeln, einem Sonnenuntergang bei einem Glas Ouzo" – ist er von Natur aus darauf bedacht, nicht aus dem Rahmen zu fallen. Abgeleitet davon wohl auch seine Präferenzen in Sachen Musik. Karamanlis liebt Volksbarden wie Stelios Kazatzidis und Grigoris Bithikotsis, die Werke seines (Partei)Freundes und Komponisten Stavros Xarchakos sowie jene von Manos Chadzidakis. Es heißt, dass aber Jazz und Soul sowie schottische traditionelle Musik ebenfalls den akustischen Geschmack von Karamanlis treffen.
Angeregt von Noten und Gesang übt er sich nicht selten selbst im Singen, wenn er mit einer „parea" (Runde von Freunden) unterwegs ist, in der im Idealfall auch gute Witze zu hören sind. Tanzen sieht man ihn hingegen nicht. Der ND-Präsident unternimmt keine künstlichen Versuche, sich als Intellektuellen zu präsentieren, was aber literarische Neigungen nicht ausschließt: Neben griechischen Autoren (z. B. Ioanna Karystiani) beeindrucken ihn die Werke von Leo Tolstoi, Erich Maria Remarque, Ernest Hemingway, Mika Waltari oder Paolo Colhoe. Schwere Sympathien hegt Karamanlis schließlich für das runde Leder, vor allem dann, wenn der Hauptstadt-Verein Panathinaikos am Ball ist.
Vom Jura-Studenten zum „Schweigegelübde“
Kostas Karamanlis wurde im September 1956 geboren. Nach dem Abitur absolvierte er ein Jura-Studium in Athen, das er 1979 abschloss. Darauf folgte ein Wirtschaftstudium am Deree College (1980) sowie zwei Masters der Fletcher School of Law and Diplomacy der Uni Tufts in Boston (1980-84) mit einer Dissertation in Diplomatiegeschichte.
Von 1984 bis 1989 war Karamanlis Rechtsanwalt; er lehrte politische Wissenschaften und Diplomatiegeschichte am Deree College und verfasste ein Buch über „Eleftherios Venizelos und die griechischen Außenbeziehungen 1928-32". Im Juni 1989 zog er als Abgeordneter der ND in Thessaloniki ins Parlament ein; danach abermals im November 1989, 1990, 1993 und 1996. Er war u. a. Vizepräsident der Europäischen Volkspartei. Kostas Karamanlis spricht Englisch, Französisch und auch etwas Deutsch.
Der schärfste Einschnitt für Karamanlis auf politischer Ebene war sicher seine Wahl zum ND-Vorsitzenden 1997, als er sich u. a. gegen den jetzigen Minister für Bauten, Umwelt und Öffentliche Ordnung, Georgios Souflias, durchsetzte. Privat kam die Wende für den Junggesellen 1998 durch seine Hochzeit mit der charmanten Natasa Pazaiti. Sie gilt als ökologisch engagiert und kunstinteressiert und soll Kostas von der eher profanen Freizeitgestaltung wieder mehr zu Veranstaltungen anderer Art – wie Theater, Konzerte usw. – „entführt" haben. Die wenigen freien Stunden, als er Premier war, verbrachte Karamanlis meist in seinem Sommerhaus im ostattischen Rafina. Dort spazierte er seit 2003 nicht mehr allein mit seiner Natasa die Strandpromenade entlang, sondern zeigt stolz seine Zwillinge – ein Mädchen und einen Buben.
Seit Oktober 2009 hat er wieder mehr Zeit für die Familie. Er unterlag bei den damaligen Parlamentswahlen seinem Herausforderer Jorgos Papandreou. Seither ist er zwar konstant im Parlament vertreten (Stand: 2014), seither schweigt er jedoch auch beharrlich. Am Ende seiner Regierungszeit betrug das staatliche Defizit mehr als 15 Prozent.
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