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Insel-Harmonie in Weiß und Blau

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Die Häuser der Chora wirken intakt, gepflegt und bewohnt. Die Häuser der Chora wirken intakt, gepflegt und bewohnt.

Seit wir oft und immer wieder durch Anafiotika spazieren gegangen sind, das entzückende, winzige Kykladendorf im Herzen Athens, oberhalb der Plaka, unterhalb des Nordosthangs der Akropolis, mit seinen nebeneinander, übereinander, chaotisch, aber sehr harmonisch aufeinander abgestimmten weißen Würfelhäusern, seitdem hat uns der Gedanke beschäftigt, wie wohl das Original aussieht – Anafi.

Als die neue Hauptstadt Athen Mitte des 19. Jahrhunderts einen Bauboom erlebte, kamen viele Bauhandwerker von den Inseln, zum Beispiel aus Anafi. Wegen des Wohnungsmangels errichteten sie ein Dorf, wie sie es gewohnt waren: schmale, verwinkelte Gassen mit gepflasterten, weiß ausgefugten Wegen, Treppen, ummauerten Innenhöfen, niedrigen, kubischen, weißen Häuschen, alles eng zusammen, aber ohne dass einer den anderen stört. Heute ranken Blumen über die Mauern. Katzen streichen herum. Stille, die Großstadt scheint ausgeblendet. So oder ähnlich muss wohl auch das Original sein, dachten wir uns, aber das Original übertrifft alles.

Perfekte Bilderbuch-Kykladeninsel

Chora, das einzige Dorf auf der kahlen, sehr gebirgigen Insel östlich von Santorin, strahlt weiß vor dem grauen Fels. Es zieht sich lang an einer engen Dorfstraße hoch und wird turmgleich getoppt durch ein weißes Kirchlein auf dem alles überragenden Felsen, wo die Venezianer ihre Burg gebaut hatten. Wieso noch eine Festung, wenn doch der gesamte Ort wie eine Burg aussieht? Die Häuser mit Flachdächern oder Tonnengewölben, wie sie anderswo nur bei Kirchen zu finden sind, wirken intakt, bewohnt, gepflegt und geweißt. Wäsche flattert im Innenhof, Oma schnippelt Gemüse für das Abendessen, die Kinder spielen draußen. Kätzchen lungern träge im Schatten. Kleine Kapellen mit durchbrochenen Glockentürmen schmiegen sich an den Fels. Die Kirche des Heiligen Nikolaus bietet vor ihrem eleganten geschwungenen Treppenaufgang einen Platz für Dorffeste. Meerblick und ein lindes Lüftchen sind hier selbstverständlich. Zu fast allen Häusern gehören noch Zisternen und runde Backöfen im Innenhof, deren Schornsteine pittoresk nach oben zeigen. Wie hier alles szenisch ausgestaltet ist, wie Gitter, Türen, Blumentöpfe anmutig zu den geraden wie geschwungenen Mauern komponiert werden, eine einzige Harmonie in Weiß und Blau.

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Häuser und Kirchen mit Tonnengewölben.

Mehr Einheimische als Touristen

Einige Cafés, wenige Restaurants, zwei kleine Läden, eine winzige Bäckerei, eine Verkaufsstelle für Fährtickets, alles Einrichtungen vor allem für die Dorfbewohner, nicht allein für die Touristen. Das war's schon. Doch noch etwas: Eine Ausstellung der wenigen Fundstücke früherer Epochen im Rathaus, kopflose Statuen, Relikte der Geschichte, die von den Minoern, Phöniziern, Dorern bis heute reicht. Im 5. Jahrhundert gehörte Anafi zu Athen, später zu den Römern, die Unliebsame hierher in die Verbannung schickten. Im Mittelalter kam die Insel zu Naxos. Piraten machten den Einwohnern mit ihren häufigen Überfällen zu schaffen, Stoff für Mythen über versteckte Schätze. Venezianer und Türken folgten. Der Anschluss an den neu gegründeten griechischen Staat erfolgte 1832. Also die so oft übliche Abfolge verschiedener Herrschaften, die aber fast keine Spuren hinterlassen haben.
Der Ort ist lebendig. Das Dorfleben funktioniert offensichtlich. Noch überwiegen die Einheimischen die Zahl der Touristen. Es gibt nicht viele, aber sehr angenehme Unterkünfte, wohl alle mit sagenhaftem Blick aufs Meer, im Dorf selbst oder oberhalb der Bucht von Klissidi, wo ein feiner Sandstrand mit schattenspendenden Tamarisken und einer fotogenen, markanten Palmengruppe das Schwimmen zum Vergnügen macht. Wir haben uns für „Apollon Village“ entschieden, wo sich die Häuschen wie in einem Kykladendorf den Hang zum Strand herunterziehen. Absolute Stille, nachts absolute Dunkelheit. So viele funkelnde Sterne sieht man nur da, wo keine elektrischen Lichter die Nacht aufhellen.
Es gibt einige Fans dieser Insel, die mehrmals im Jahr anreisen. Vor einigen Jahren galt Anafi noch als Geheimtipp von Rucksacktouristen, die im Schlafsack oder im kleinen Zelt an einem der schönen Sandstrände kampierten. Einige wenige Robinson-Jünger auf Zeit treffen wir noch an. Die anderen Besucher sind Ruhesuchende, die die absolut authentisch-griechische Insel-Atmosphäre lieben, die Ursprünglichkeit der Insel und die freundlichen Gastgeber, mit denen man leicht in Kontakt kommen kann. Uns fällt auf, dass viele ausländische Gäste Griechisch sprechen können, sich hier offenbar echte Fans Griechenlands sammeln. Ruhe findet man hier auf jeden Fall. Außer Wind und Meer, Vogelgesang und Bienensummen hört man nichts. Stille, Natur, sonst nichts. Der Verkehr beschränkt sich überwiegend auf den Inselbus, der zwischen Hafen und Chora und dem Kloster Zoodochou Pigi pendelt. Der Bus bringt Wanderer an die Ausgangspunkte der hervorragend ausgesuchten und exakt beschilderten Wanderwege. Der leichte Wind macht auf der baumlosen, schattenlosen Insel auch Wanderungen möglich. Mit passendem Schuhwerk und einiger Kondition erschließen sich wunderschöne Pfade unterschiedlicher Länge. Duft von Thymian. Allerlei Kräuter und Gestrüpp, viel mehr wächst hier nicht.

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Einladender Anafi-Strand.

Schwätzchen mit Nonnen

Die Landschaft ist die eigentliche Sehenswürdigkeit, vor allem der weite Blick aufs Meer. Natürlich gibt es Ziele! Mögen es Kirchlein sein, die Reste der antiken Stadt oder das Kloster. Eine Kapelle liegt ganz oben auf dem höchsten Berg, dem Kap Kalamos, folgerichtig Panagia Kalamiotissa genannt. Es liegt eine gute Stunde zu Fuß oberhalb des Klosters Zoodochou Pigi. Das ist nun leichter zu erreichen, sogar mit dem Bus. Die weiße Wehranlage mit der hohen weißen Mauer im Rechteck rund um Kirche und Klosterräume zieht jedes Jahr am 8. September alle Inselbewohner zum Fest hierher. Dicke Bohlen ruhen auf antiken Spolien als Bänke. Hier haben viele Platz. Überall zeigen Säulenreste und Reste von Schmucksteinen an, dass hier früher ein Tempel stand. Und richtig, gegenüber der Kirche stehen noch einige Mauern aus dicht gefügten großen Steinen, Reste eines Apollon-Tempels. Mag die Landschaft rundum noch so vertrocknet aussehen, innerhalb der Klostermauern blüht und grünt es. Zwei Nonnen halten die Anlage in Schuss, nachdem sie lange unbewohnt war. Eine bietet uns freundlich Loukoumia an, so wie es traditionell, früher, üblich war, jetzt aber nicht mehr überall ist. Ein Schwätzchen ist inbegriffen. Die Kirche, ein Schmuckstück, birgt eine sehenswerte Ikonostase und viele alte und neuere Ikonen. Das Auto des Klosters braucht kein Nummernschild. Ein handgemaltes Schild an entsprechender Stelle nennt die Zugehörigkeit zum Kloster, das muss wohl reichen.
Die Hälfte der kleinen Insel, nur zwölf Kilometer lang und sechs Kilometer breit, vor allem baum- und strauchloses Gebirge, gehört der orthodoxen Kirche! Einige wenige Terrassen werden noch bebaut, etwas Wein wächst, aber insgesamt kann die Insel nicht von der Landwirtschaft leben. Noch sind 270 Einwohner gemeldet. Und: Immerhin ist eine neue Schule gebaut worden.

Text und Fotos von Hiltrud Koch

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