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Ausflugsziel vor den Toren Athens – Die Insel Ägina ist alles andere als eine graue Maus

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Der Aphaia-Tempel Der Aphaia-Tempel
Die Insel Ägina, mitten im Saronischen Golf gelegen, wird von Athen-Besuchern gern als Ziel eines Ausflugs gewählt. Kunstkennern ist bekannt, dass die wertvollsten Stücke der Münchner Glyptothek, die so genannten Ägineten, vom berühmten Aphaia-Tempel von eben dieser Insel stammen. Der Tempel, genauer die beachtlichen Teile, die vom Bauwerk aus der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends stehen, sind allemal den Besuch wert. Aber auch für entspannte oder aktive Urlaubstage ist Ägina ein lohnendes Ziel.
 
Zugegeben: Ägina hat nicht den Ruf mancher Trauminsel unter den Kykladen. Sie ist aber auch nicht die graue Maus, für die manche sie aus Unkenntnis halten. Man findet größere Strandabschnitte, viele kleine, oft von bizarren Felsen eingerahmte Badebuchten. Man findet Hotels, Ferienanlagen und private Unterkünfte. Für Wanderungen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, bietet sie sich an. Wer „klettern“ will, kann den höchsten Punkt im Saronischen Golf, den Oros (532 Meter), von der Ortschaft Marathonas aus besteigen. Nirgendwo in Europa gibt es mehr Pistazienbäume zusammenhängend als auf Ägina. Je nach Witterung werden hier zwischen drei und fünf Prozent der Welternte erzeugt. Pistazien, abgepackt in 250- oder 500-Gramm-Beuteln, gibt es nicht nur in Geschäften oder dem Kiosk der Erzeugergenossenschaft am Hafen, sondern selbst am heiligsten Ort der Insel, dem Kloster des Asketen Nektarios.
 
Auf der Mole grüßt ein weißes Kirchlein
 
Mehr als die Hälfte der etwa 13.000 Inselbewohner lebt im Hauptort Ägina. Lebhaftes Treiben empfängt den Besucher, der, von Piräus kommend, im Hafen einläuft. Tavernen, Geschäfte, Bars reihen sich an der Hafenpromenade aneinander. Wer frisches Obst möchte, braucht nicht nach einem Geschäft zu suchen. Zwei Schiffe, von Reiseleitern aus Athen als „Floating Fruitmarket“ angepriesen, bieten alles, was die Argolis, der Obstgarten Griechenlands, hervorbringt.
Auf der Mole grüßt das weiße Kirchlein des heiligen Nikolaus vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Am Südende der Promenade sind die Türme der Panagitsa-Kirche zu sehen. Wahrzeichen der Stadt aber ist am entgegengesetzten Ende der Hafenbucht die Kolona, die einzige aufrecht stehende Säule in einem großen archäologischen Park mit Zeugen der Besiedlung seit etwa 4000 vor Christus. Auch das Archäologische Museum ist in diesen Park eingezogen. Erstaunt sieht der Besucher an zahlreichen Modellen, dass die antike Stadt, bewohnt seit mykenischer Zeit, meterdicke wehrhafte Mauern hatte. Der Haupttempel war Apollon geweiht. Ruhe strahlt der Innenhof des Museums aus. In der Mitte duften Rosen und Zitronenblüten. Grabstelen sind an die Mauern gelehnt. Auf den meisten dieser Platten sind drei Figuren abgebildet. Der oder die Tote wird von einem Überlebenden verabschiedet, ein Kind oder der treue Hund vervollständigen die Gruppe. Im Museum fällt ein übermannshoher Pythos auf. Das Gefäß kann nie zum Transport von Wein oder Öl gedient haben. Es muss innerhalb der alten Mauern hergestellt worden sein. Da der Ton andere Eigenschaften besitzt als das lokal verwendete Material, wird angenommen, dass ein Wanderarbeiter die ihm vertraute Erde mitbrachte.
 
Hafenmole Ag. Nikolaos
Die Hafenmole von Ägina mit dem Kirchlein des hl. Nikolaus
 
Ein Tempel für die Fruchtbarkeitsgöttin
 
Die Häuserfront am Wasser besticht durch viele Gebäude aus klassizistischer Zeit, vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Einige sind allerdings in den Obergeschossen stark renovierungsbedürftig. Aber im Erdgeschoss herrscht das Leben. Einheimische weisen den Besucher stolz darauf hin, dass Ägina noch vor Nafplion als erste neugriechische Hauptstadt gelten kann. Von 1827 bis 1829 residierte hier Ioannis Kapodistrias als erster Regent des erst teilweise befreiten Landes. Seine Statue in Hafennähe erinnert ebenfalls daran. Wer sich als Tagestourist den Aphaia-Tempel ansehen will, kann das nicht nur mit dem Taxi tun. Der öffentliche Bus nach Agia Marina, der zweitgrößten Ortschaft, macht einen Schlenker bis vors Eingangstor. Wer wenig Zeit hat, kann den gleichen Bus zurück nehmen. Nach 30 Minuten ist er wieder am Eingang. Wer sich in Muße umsehen will, überschlägt einen Bus. Nur drei Kilometer lang ist der gewundene Fußpfad nach Agia Marina, von wo aus man ebenfalls zurückfahren kann. Eine Fruchtbarkeitsgöttin Aphaia wurde auf dem Hügel schon verehrt, als es noch keine Tempel gab. Ein erstes Gebäude aus Stein wurde um 570 vor Christus errichtet, noch ohne Säulenumgang. In die Jahre zwischen 510 und 480 fällt die Errichtung des jetzigen Tempels. Jene Zeit markiert einen Wendepunkt in der griechischen Kunst, den Übergang von der Archaik zur Klassik. Das war am Tempel eindeutig ablesbar: Die Skulpturen des Westgiebels waren noch im älteren Stil geschaffen, während den Ostgiebel frühklassische Arbeiten zierten.
 
Abenteuerliche „Flucht“ der Ägineten
 
Im Jahre 1810 wurden die Skulpturen von deutschen und englischen Archäologen entdeckt. Die Kunde, dass sie versteigert werden sollten, drang bis nach München. Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I., ein Sammler von Antiken und bekennender Philhellene, schickte seinen Kunstagenten Johann Martin von Wagner auf die Reise, mit viel Geld ausgestattet. Das war 1812. Griechenland gehörte damals noch zum Osmanischen Reich. Den Entdeckern schienen die wertvollen Figuren auf Ägina oder in Athen nicht sicher. Die Kunstwerke wurden deshalb in das von England regierte Zante, also auf die Insel Zakynthos geschafft. Dorthin reiste Wagner auf mühevollen Wegen. Als er auf Zakynthos ankam, war die Enttäuschung groß. Die Giebelfriese waren inzwischen in die britische Kolonie Malta verbracht worden. Zeichnungen seien in Athen zu finden, erfuhr Wagner. Immerhin wurde ein Vertrag mit dem königlichen Gebot unterzeichnet und in Athen bestätigt. Großes Interesse zeigte auch der englische Ausgräber Charles Robert Cockerell, der seinen Vater in London beschwor, Geld aufzutreiben. Die dortige Regierung zögerte, Bayern kam zum Zug, zahlte 70.000 Florint, nach heutigem Wert etwa eine Million Euro.
Auf abenteuerlichen Wegen reisten die Skulpturen nach Italien, über Neapel nach Rom. Dort unterhielt Dänemarks bekanntester Bildhauer, Bertel Thorvaldsen, eine Werkstatt. Er restaurierte die Ägineten, ersetzte Fehlendes durch neue Marmorteile. Um die Gliedmaßen an den Originalen zu befestigen, ging er ziemlich brutal vor, schlug Altes ab, um Neues anzubringen. Im vorigen Jahrhundert wurden die Figuren deshalb in München „entrestauriert“. München weiß, was es an den Figuren hat. Im Erläuterungstext der Glyptothek heißt es: „Nirgends sonst wird der einschneidenste Epochenwechsel der antiken Kunstgeschichte so anschaulich dokumentiert wie hier. Das macht die Ägineten zum wohl bedeutendsten uns erhaltenen Monument der griechischen Kunst.“ In Griechenland sieht man andere Aspekte. In einer Broschüre der Inselverwaltung heißt es: „1811 stahlen der Engländer Cockerell und der Deutsche von Hallerstein die Skulpturen der Giebelfriese und schmuggelten sie außer Landes.“
 
Küstendorf mit besten Fischtavernen
 
Bekanntester Urlaubsort der Insel ist Agia Marina im Osten. Die Bucht ist von Bars und Tavernen gesäumt. Im Ort gibt es viele Hotels. Dass man zu schnell zu hoch hinaus wollte, bezeugen unfertige große Anlagen am Ende der Bucht. Wassersport ist gut möglich. Ein Volleyballnetz ist sogar im Wasser verankert. Gute Bademöglichkeiten gibt es auch bei Marathonas an der Westseite der dreieckigen Insel oder im Norden bei Souvala.
Beliebtestes Ausflugsziel für Pilger ist die imposante Klosterkirche des heiligen Nektarios. Nonnen führen die Gäste durch das nebenan gelegene Kloster Agia Triada, das der 1961 heilig gesprochene Wundertäter neu gegründet hatte.
Nur 500 Meter entfernt ist ein weiteres Ausflugsziel zu finden, Paleochora. Aus Furcht vor Piraten verließen die Bewohner im 9. Jahrhundert die Gegend um den Hafen und siedelten sich in 350 Meter Höhe im Inselinneren an. Rund tausend Jahre blieb Paleochora Hauptstadt der Insel. Zweimal wurde sie zerstört, 1537 durch den türkischen Korsaren Chaireddin Barbarossa und 1654 durch die Venezianer. Beide Male wurde die Stadt wieder aufgebaut, erst 1826 verlassen. Die Überreste von Häusern, vor allem von 30 Kirchen sind am Berghang verstreut. Durch hohes Gras und Gestrüpp kann man sich einen Weg bahnen. In der Blütezeit soll der Ort 365 Kirchen gehabt haben. In einigen sind Reste von Fresken des 13. bis 18. Jahrhunderts zu sehen.
Als schönstes Fischerdorf gilt Perdika. Der Bus bleibt am Ortseingang. In dem Küstendorf findet man die besten Fischtavernen. Man kann am Wasser entlang bummeln und den Fischern zusehen oder zwischen den Häusern auf erhöhtem Plateau. Etwas zu essen oder zu trinken gibt es überall, der Blick aufs Meer und die kleine Insel Moni ist gratis. Insgesamt ein ungetrübter Genuss.
 
Der „Hauptheilige“ der Insel Ägina
 
Nektarios ist einer der jüngsten Heiligen der Orthodoxen Kirche. In den Kanon der verehrungswürdigen Väter im Glauben wurde er von Patriarch Athinagoras am 20. April 1961 aufgenommen. Geboren wurde er als Anastasios Kephalas am 1. Oktober 1846 in Sylebria (türkisch Silivri) in der Nähe von Konstantinopel im heute türkischen Ost-Thrakien. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Als Lehrer ging er 1866 nach Chios. Mit 30 trat er dort als Mönch ins Kloster Nea Moni ein. Bei der Diakonenweihe 1879 erhielt er den Namen Nektarios. Das Kloster schickte ihn nach Athen zum Studium, wo auch seine schriftstellerische Tätigkeit begann.
Sein weiterer Weg führte ihn nach Alexandria in Ägypten. Als guter Administrator und begabter Prediger wurde er 1889 von Patriarch Sophronios von Alexandria zum Bischof der Kyrenaika geweiht, heute im Osten Libyens gelegen. Seine Beliebtheit erweckte Neider. Sie verbreiteten das Gerücht, er strebe das Patriarchat an. Sophronios verbannte ihn ohne Anhörung. Mehrere Jahre wirkte er als Aushilfsgeistlicher auf Euböa, bevor er 1894 zum Direktor des Priesterseminars in Athen berufen wurde. Zehn Jahre später bat ihn eine Gruppe von Nonnen von der Insel Ägina, für sie ein Kloster zu gründen. Er weihte es der Heiligen Dreieinigkeit.
1908, mit 62 Jahren, bat er um die Entbindung von seinem Direktorat und zog sich in sein Kloster auf Ägina zurück. Hier wirkte er unermüdlich als Autor, Prediger, Seelsorger, Beichtvater, aber auch als Arbeiter beim Bau oder im Garten. Schon zu seinen Lebzeiten waren viele Gläubige überzeugt, der asketisch lebende Mönch habe ihnen zur Heilung bei Krankheiten verholfen. 1920 wurde er gegen seinen Willen wegen eines Prostataleidens in ein Hospital nach Athen gebracht. Dort starb er am Abend des 8. November. Angeblich geschah gleich nach seinem letzten Atemzug ein Wunder. Die Schwester, die dem Leichnam das Leibchen auszog, legte das Kleidungsstück auf das Nachbarbett, in dem ein Gelähmter lag. Der spürte daraufhin, dass er geheilt war und konnte nach Hause gehen.Andere bezeugten ebenfalls Heilungstaten, so dass der Ökumenische Patriarch ihn 1961 heilig sprach. Zu seinem Gedenktag wurde der 9. November bestimmt, der Tag nach seinem Tod.
Sein Freund Sawas bestattete ihn 1920 im Hof des Klosters und malte die erste Ikone. Die riesige Kirche, die heute weithin sichtbar die Besucher grüßt, füllt sich an Gedenktagen. Für die Besucher sind Gästehäuser errichtet. Andachten von Pilgergruppen finden fast täglich an einem Grabmal statt. Im Jahre 1998 hob der Patriarch von Alexandria und ganz Afrika den Bannspruch seines Vorgängers auf und bat den Heiligen, der besonders bei Krebsleiden angerufen wird, um Vergebung.
 
Ziel der Pilger ist das Kloster des NektariosSMALL
Das Kloster des Nektarios

 

Text und Fotos von Konrad Dittrich
 
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