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Drei Tage auf dem Heiligen Berg

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Drei Tage auf dem Heiligen Berg
Eine Reise in eine andere Welt Auf dem östlichsten der drei Finger der Halbinsel Chalkidiki, im Nordosten Griechenlands, liegt der Heilige Berg Athos; Mönchsland seit mehr als tausend Jahren. Frauen ist seit jeher der Zutritt verboten.
Chalkidiki, im Nordosten Griechenlands, liegt der Heilige Berg Athos; Mönchsland seit mehr als tausend Jahren. Frauen ist seit jeher der Zutritt verboten. Männer nicht orthodoxen Glaubens bekommen nur nach längerer Vorbereitung ein Diamonitirion – eine Zutrittserlaubnis.

Von Joachim Kary

Kräftig und taktvoll schlägt ein Mönch mit einem Holzhammer auf ein Chirosimandro, ein großes Klangholz. Kurz darauf setzten die Glocken der nahen Kirche ein. Gemeinsam mit den hölzernen Klängen verbinden sich die Töne der Glocken zu einem lauten Takt, der die Gläubigen zum Gottesdienst ruft. Die ersten Pilger stehen auf, ziehen sich an und gehen schnellen Schrittes in die Kirche. Andere schlafen noch ein bisschen weiter. Doch spätestens mit dem Ende des Glockengeläutes haben alle den Schlafsaal verlassen. Es ist drei Uhr morgens. Gemeinsam mit den Pilgern verlasse ich den Schlafsaal des Klosters Koutloumousiou. Dieses Kloster, im Zentrum der Mönchsrepublik Athos gelegen, ist die letzte Station meines Aufenthaltes auf der Halbinsel. Zwei Tage zuvor war ich mit der Axion Esti, dem Pilgerschiff, der einzigen Verbindung zwischen dem weltlichen Ort Ouranopoli und Daphni, dem Hafenort der Mönchsrepublik, eingereist. Vier Tage, maximal drei Nächte, dürfen Besucher nicht-orthodoxen Glaubens den Agion Oros, zu Deutsch: „Heiligen Berg", wie das Mönchland auch genannt wird, bereisen. Die Einreise ist streng geregelt. 100 orthodoxen Pilgern und nur zehn Männern anderer Religionsgemeinschaften ist es pro Tag erlaubt, die Halbinsel zu betreten. Um das Diamonitirion, eine Art Visum, zu bekommen, muss man sich etwa zwei Monate vor der Reise bei dem Pilgerbüro in Thessaloniki anmelden und einen Einreisetermin vereinbaren.

Die Tage sind von Arbeit und Gebet bestimmt

Das Diamonitirion berechtigt auch zur Übernachtung in den Klöstern. Bei jedem Klosterbesuch müssen die Besucher das Dokument dem Archontaris, dem Gastmeister eines jeden Klosters, vorweisen. Zur Begrüßung erhalten daraufhin die Pilger meist ein Glas Wasser, ein Glas Ouzo und eine Süßigkeit. Noch bevor mir im Kloster Kutlumusiu mein Schlafplatz gezeigt wird, erklärt mir der Archontaris den Tagesablauf, der für die Mönche von Gebet und Arbeit bestimmt ist. Gegessen wird nur zweimal am Tag. Im Zentrum eines Tages stehen die Gottesdienste. Jeden Abend und jeden Morgen beten die Mönche gemeinsam mit den Pilgern. Sehr eindrucksvoll sind die Gottesdienste in den zumeist kleinen, dunklen Kirchen. Auch wenn ich von den Gesängen und den Gebeten nichts verstehe – die Atmosphäre in den Kirchen ist jedes Mal beeindruckend.

Aufenthalt im Kloster Simonos Petras

Angereist bin ich zum Athos alleine. Aber wirklich allein ist man in der Mönchsrepublik nie. Bereits auf der Fähre von Daphni nach Simonos Petras, dem wohl eindrucksvollsten Kloster der Halbinsel, habe ich die erste Bekanntschaft gemacht. Gemeinsam mit Philipp, einem spanischen Manager, der sich auf dem Athos von Stress und Alltag der Arbeitswelt erholen will, besteige ich den 280 Meter hohen Felskegel, an dem das Kloster zu kleben scheint. Um die kühne Lage des Klosters dreht sich eine Gründungslegende: Ein Einsiedler namens Simon habe ein Licht über dem Felsen leuchten sehen. Das Licht deutete er als Zeichen, dort oben ein Kloster zu bauen. Simon wagte jedoch nicht, ein Kloster direkt auf dem Felsen zu gründen, so begann er etwas abseits mit dem Bau. Nacht für Nacht stürzte der Bau wieder ein. Daraufhin entschloss er sich doch, wie das Licht ihm befohlen hatte, das Kloster auf dem Felsen zu errichten. Seine Mithelfer kündigten ihm jedoch den Dienst, da sie sein Vorhaben für unmöglich hielten. Zum Abschied ließ Simon, so berichtet die Legende, seinen Arbeitern Brot und Wein reichen. Beim Besorgen der Speisen und der Getränke stürzte sein Diener Isaias in die Tiefe. Noch während die Männer versuchten, den Diener zu bergen, kam dieser ohne einen Tropfen Wein verschüttet und ohne ein Brot verloren zu haben, unverletzt zu den Arbeitern zurück. Aufgrund dieses Geschehnisses entschlossen sich die Arbeiter, gemeinsam mit Simon das Kloster doch zu bauen.

Kloster Dionyssiou: Bauliche Kühnheit ist beeindruckend

Mit der Besteigung des Berges zum Kloster Simonos Pertras ist mein Tagesziel, das Kloster Dionysiou, lange noch nicht erreicht. Über einen schmalen Pfad führt der Weg zunächst am Kloster Grigoriou vorbei. Neu renoviert liegt es auf einer kleinen Klippe direkt über dem Meer. Da ich jedoch bis abends – bei Sonnenuntergang werden sämtliche Klosterpforten geschlossen – beim Kloster Dionyssiou sein muss, kann ich nur kurz den Innenhof sowie das Katholikon, die zentrale Kirche des Kloster mit seinen zwei berühmten Ikonen besichtigen.Das Dionysiou-Kloster, mein Nachtquartier, zählt wohl zu den bekanntesten Klöstern des Athos. Auch hier ist die bauliche Kühnheit beeindruckend. Auf einem 60 Meter hohen Felsblock steht das Kloster direkt am Meer. Gerade noch rechtzeitig komme ich zum Gottesdienst an. Als nicht orthodoxer Reisender darf ich jedoch die Messe nicht besuchen. In einem Vorraum darf ich daher den Gesängen und den Gebeten lediglich zuhören.Nach dem Gottesdienst gibt es Abendessen. Die Mahlzeiten sind immer etwas Besonderes. Gemeinsam mit den Mönchen essen die Pilger im Refektorium, dem Speisesaal des Klosters, einfache Speisen wie Suppen, Gemüse und Obst. Vor und nach der Mahlzeit wird gebetet. Während des Essens liest ein Mönch aus der Bibel vor – es wird nicht gesprochen. Die Zeit für das Essen ist beschränkt. Es dauert genauso lange wie der Mönch aus der Bibel vorliest. Aus diesem Grund ist bei dem Essen auch meist große Eile geboten.

Die Pilgerreisen haben verschiedene Gründe

Abends bleibt dann aber genügend Zeit, um mit den anderen Gästen in Kontakt zu kommen. So erfahre ich, dass die Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen nach Athos pilgern. Nur die wenigsten Besucher kommen aus Neugierde, touristischem Interesse oder wegen wissenschaftlicher Studien. Die meisten pilgern auf die Halbinsel aus spirituellen Gründen. Mike, aus Australien, erzählt, dass er den Tsunami an Weihnachten 2005 miterlebt und nur knapp überlebt hatte. Um seine Erlebnisse und Erinnerung zu verarbeiten, hat er seinen Beruf in Australien gekündigt und verbringt nun mehrere Wochen in den Klöstern. Ein anderer Pilger erhofft sich Heilung für ein körperliches Leiden. Auch viele Jugendliche besuchen den heiligen Berg, der zu einem der wichtigsten Wallfahrtsorte der orthodoxen Kirche zählt.In der Mönchsrepublik gibt es nur eine größere Straße. Sie führt von Dafni zur Inselhauptstadt Karyes. Alle anderen Wege sind noch so urtümlich, dass sie nur mit Geländefahrzeugen wie Unimogs und Jeeps befahren oder zu Fuß begangen werden können. Das wichtigste Verkehrsmittel ist nach wie vor das Schiff. Täglich fährt es die Küste entlang und bringt die Mönche, Pilger und Arbeiter zu den Klöstern. Mit der Fähre geht es am nächsten Tag auch zurück nach Dafni. Von dort kämpft sich ein alter Bus langsam die kurvige Straße nach Karyes hoch. Karyes ist die einzige „Stadt" auf dem Athos. Hier gibt es mehrere Wohnhäuser und Geschäfte, eine Taverne sowie einige Läden mit Devotionalien. Unweit von Karyes, inmitten von Gärten mit Blick auf den 2027 Meter hohen Berg Athos, liegt das Kloster Koutloumousiou, die letzte Station meiner Reise. Heute leben dort noch 95 Mönche, damit zählt das Kloster zu den größeren Anlagen der Halbinsel. Nach einer kurzen Nacht und dem sechsstündigen Morgengottesdienst geht es wieder zurück zum Hafenort Dafni. „Der Berg wird dir Kraft geben", flüstert mir ein Pilger zum Abschied beim Betreten der Fähre zu, die mich zurück ins weltliche Griechenland bringt. – Als ich in Thessaloniki mit seinen bebenden Verkehrsadern und den vielen, hektisch erscheinenden Menschen bin, glaube ich, in einer anderen Welt zu sein.

©Griechenland Zeitung, erschienen in Ausgabe Nr.79 vom 02.05.2007

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