Griechenland/Korfu. Korfu oder Kerkyra ist für Griechen eine der beliebtesten Osterdestinationen. Die mit natürlichen Schönheiten reich beschenkte ionische Insel übt gerade im Frühling, wo alles zu neuem Leben erwacht, besondere Anziehungskraft aus: Alles grünt und blüht.
Die Hauptstadt der Insel hat einen ganz eigenen Charakter und ist mit ihren zweistöckigen Herrenhäusern im venezianischen Stil von besonderem architektonischem Interesse. Die engen gewundenen Gassen zwischen hohen, manchmal siebenstöckigen Bauten, laden zum Spaziergang ein - zum Verweilen die zahlreichen Plätze. Ein Aufstieg zu der über der Stadt gelegenen venezianischen Festung lohnt allemal, wird man doch mit einer einzigartigen Aussicht belohnt.
Wer aber nicht nur Frühlingserwachen und mediterrane Natur genieίen, sondern auch etwas von den in aller Welt bekannten orthodoxen Ostertraditionen erleben möchte, dem sei geraten, Korfu-Stadt in der Karwoche zu besuchen. Die Zeit vom Palmsonntag bis zum Ostersonntag wird im Griechischen „I Megali Evdomada“ (Die Groίe Woche) genannt.
In Korfu lebt am Palmsonntag ein alter Brauch auf. Man erinnert dabei an denselben Tag im Jahre 1630, als die Insel vor der Pest gerettet wurde. Die Pest wütete damals in Groίbritannien, Mitteleuropa bis weit nach Italien herunter. Griechenland hatte an manchen Grenzpunkten mit der Seuche zu kämpfen, konnte sie aber abwenden. Eine Prozession mit den Gebeinen des Heiligen Spyridon zieht am Palmsonntag in Begleitung der 15 (!) philharmonischen Orchester der Insel durch die Straίen.
Im Stadttheater (Dimotiko Theatro) wird am Karmittwoch (Megali Tetarti) um 20.30 ein schon traditionelles Konzert kirchlicher Musik aufgeführt. Am Gründonnerstag werden in der katholischen Kathedrale „Duomo“ die 12 Evangelien gelesen. 12 Kerzen brennen zu Beginn, je eine wird nach Beendigung jedes einzelnen Evangeliums gelöscht. In den orthodoxen Kirchen Korfus umhäckeln die Frauen das traditionelle „Gaitani“ aus weiίem Baumwollstoff. Der άberlieferung nach müssen sie während der Rezitation der Evangelien mit der Arbeit innehalten. Am Gründonnerstag darf nach dem ersten Glockenschlag mit dem Färben der Ostereier begonnen werden, dem Symbol der ewigen Wiederkehr des Lebens. In Referenz an das jüdische Pascha-Fest dürfen sie nur rot gefärbt werden. Am Karfreitag steht dann der Epitaph, die Kreuzabnahme Christi auf dem Programm. Als erstes kommen die Epitaphe der „Panagia tis Spiliotissas“ und des „Pantokratoras“ gegen 14 Uhr aus den jeweiligen Kirchen, es folgen nach und nach alle übrigen Kirchen bis hin zur letzten Prozession der Kathedrale. Diese findet um 22 Uhr statt. Alle Prozessionen werden von je einem Chor und einem philharmonischem Orchester begleitet. Es werden Banner, groίe Kerzen und Laternen mitgeführt, die jungen Mädchen tragen Körbe voller bunter Blumen, die sie auf die Straίe werfen. Am Abend werden auf der Mouragia, dem Weg, den der Epitaph der Kathedrale nimmt, in regelmäίigen Abständen groίe brennende Kerzen aufgestellt, eine lange leuchtende Reihe bildend.
Zu hören sind dabei das Adagio von Albinoni, gespielt vom Alten Philharmonischen Orchester (rote Uniformjacken); die Marcia Funebre von Guiseppe Verdi spielt das Mantsaros-Orchester (blaue Uniformjacken) und das Kapodistria-Orchester führt die Elegia Funebre, die Sventura von Mariani und den Trauermarsch von Chopin auf.
Der Epitaph der Kirche des Heiligen Spyridon kommt als letzter erst am Samstag morgen um 9 Uhr aus der Kirche. Historischer Hintergrund ist die Tatsache, daί die Venezianer im Jahre 1574 sämtliche religiöse Prozessionen an anderen Tagen auίer am Karsamstag verboten hatten. Vor dem Rathaus beginnt das Alte Philharmonische Orchester mit den traurigen Tönen des Hamlet von Faccio, wird dann abgelöst von dem Philharmonischen Orchester Mantsaros mit Calde Lacrime von Michelli, um mit der Marcia Funebre der Eroica von Beethoven, gespielt vom Kapodistrias-Orchester, zu enden.
Um 11 morgens Uhr feiert die Kathedrale die erste Auferstehung Christi. Tausende von Menschen nehmen daran teil. Man sollte früh genug dasein, um sich einen Platz zu suchen. άberall sind die Balkone mit Fahnen geschmückt. Gleichzeitig beginnen die Einheimischen mit einem alten, für Unwissende nicht ganz ungefährlichen, Brauch: sie werfen mit Wasser gefüllte Amphoren aus Ton von den Balkonen; teilweise riesige Amphoren, die um die zehn Liter Flüssigkeit fassen. Der άberlieferung nach soll dieses Brauchtum ebenfalls auf die venezianische Herrschaft zurückgehen. Die Venezianer praktizierten zu Neujahr einen ähnlichen Brauch. Sie warfen alte Dinge aus dem Fenster, damit ihnen das neue Jahr, neue Dinge bringen möge. In Korfu wurde dieser Brauch variiert und in die Osterzeit verlegt. Es wird allgemein behauptet, er referiere auf eine Zeile des Karfreitags-Tropario, die in etwa lautet: Oder ich werde sie zerstören, wie tönerne Gefäίe.
Auf dem Platz des alten Handelzentrums der Stadt „Pinia“ wird ein halbes mit Wasser gefülltes Faί aufgestellt, das mit Palmen- und Myrtezweigen und bunten Bändern geschmückt wird. Verbunden mit einem guten Wunsch wirft man eine Münze hinein. Die letzte Auferstehungsmesse findet um Mitternacht in der Agia Paraskevi–Kirche statt. Mit Trommelschlägen und einem beeindruckenden Feuerwerk wird das groίe Ereignis gefeiert. Im Anschluί bewegen sich die Musiker sehr schnellen Schrittes und gleichzeitig ihre Instrumente spielend durch die Stadt, gefolgt von der singenden Bevölkerung, die bis in die Morgenstunden hinein feiert. (sak)