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Eine Reise durch Epirus: ein noch zu entdeckendes Juwel (Teil1)

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Eine Reise durch Epirus: ein noch zu entdeckendes Juwel (Teil1)

Die Propellermaschine scheint plötzlich nur noch leise zu schweben: Das Flugzeug der Olympic Air, im trüben Athen gestartet, hat sich gerade über eine Hügelkette geschwungen und gleitet nun durch die weithin aufgebrochene Wolkendecke auf eine Ebene hinab, in deren Mitte ein großer runder See in der untergehenden Sonne wie das Auge des Polyphem leuchtet: Wir befinden uns im Anflug auf Ioannina, der Hauptstadt von Epirus.

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Griechenland mehr zu bieten hat als Sonne, Meer und Inseln. Eine touristisch allerdings immer noch als Geheimtipp geltende Region ist Epirus im äußersten Nordwesten des Landes. Die Region wird im Norden von der albanischen Grenze (wo auch die nördliche Hälfte der historischen Region Epirus liegt), im Osten vom Pindosgebirge (mit dem zweithöchsten Berg Griechenlands, dem 2637 Meter hohen Smolikas), im Westen vom Ionischen Meer (mit seinem großen Fährhafen Igoumenitsa) und im Süden vom Ambrakischen Golf begrenzt. 

Dabei ist Epirus mit einer abwechslungsreichen Natur beschenkt, es finden sich neben schönen Küstenabschnitten mit pittoresken Städtchen wie etwa Parga und Sivota viele Wälder und Flüsse sowie mit dem Pindos eine beeindruckende Gebirgsregion. So reich Epirus an Natur auch ist, so arm ist die Provinz ökonomisch betrachtet. Und gerade hier mögen wachsende Touristenzahlen Abhilfe schaffen, denn die Region eignet sich hervorragend auch für diejenigen, die neben Sonne, Strand und Meer vielfältige Aktivitäten suchen, z. B. Wandern, Biken, Reiten, Gleitschirmfliegen sowie alle denkbaren Wassersportarten, und die, gegebenen Falls, auch hochinteressante kulturelle Stätten entdecken möchten.
Der heutige griechische Teil der Region Epirus fiel erst mit den Balkankriegen 1912/13 vom Osmanischen Reich an Griechenland zurück. Im Zweiten Weltkrieg galt die Gegend als stark umkämpft, und auch hier kam es zu Gräueltaten der Wehrmacht an der Zivilbevölkerung als Vergeltung für Widerstandsaktionen, z. B. in Kommeno und Paramythia.

Traditionelle Läden für Silberkunsthandwerk

Wirtschaftliches Zentrum der Provinz Epirus ist mit etwas über 100.000 Einwohnern Ioannina. Die Universitätsstadt – Studenten machen ein Viertel der Bevölkerung aus – liegt auf einer fruchtbaren Hochebene knapp 500 Meter über dem Meer am Westufer des Pamvotida-Sees. Während sich der moderne Teil mit seinen vielen Geschäften, Tavernen und pfiffigen Kneipen, seinen Museen, Theatern und Kinos äußerst quirlig zeigt, scheint man in eine andere, ruhigere Welt zu gelangen, wenn man durch eines der wuchtigen Tore in den Bereich der alten Festung eintritt und durch deren enge Gassen schlendert. Dort findet man einige traditionelle Läden für Silberkunsthandwerk und in einer kleinen Seitenader den Eingang zum Vorhof der jüdischen Synagoge; aus den beiden jüdischen Vierteln der Stadt deportierten die Deutschen 1944 knapp 2.000 Juden in Vernichtungslager.
Geprägt wird die Festung von der 1618 erbauten Aslan-Pascha-Moschee, in der sich heute ein kleines Stadtmuseum befindet, und von der großflächigen Zitadelle Its-Kale mit ihren vielen osmanischen Baudenkmälern, die z. T. auf alte byzantinische Konstruktionen aufgesetzt wurden; überhaupt sind die Spuren der fast 500 Jahre währenden Osmanenherrschaft in der Stadt noch deutlich zu sehen. Sehenswert sind in Its-Kale das an der Stelle des früheren Palastes von Ali Pascha stehende Byzantinische Museum und die 1795 errichtete Fetichie-Moschee gleich neben der Grabstätte Ali Paschas.
Ali Pascha? Das Geschichte Ioanninas ist eng mit diesem Namen verknüpft. Tependeli Ali Pascha (1741-1822) war albanischer Herkunft und machte sich als osmanischer Pascha für die Regionen des heutigen Albaniens und Nordgriechenlands nahezu unabhängig von der Hohen Pforte, der osmanischen Regierung also, die ihn 1822 denn auch ermorden ließ – was uns kurze Zeit später anschaulich dargestellt werden sollte.

Dieses Foto von GZ-Autor Thomas Plaul zeigt die 1795 gebaute Fetichie-Moschee in der Zitadelle Its-Kale, rechts die Hänge des Pindos.

Im zweiten Teil dieser Reportage berichtet Thomas Plaul über den See von Ioannina.

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