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Paros, ein Juwel der Kykladen

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Paros, ein Juwel der Kykladen

Die Weiße Insel zwischen gestern und morgen: Paros ist auf den ersten Blick eine Ägäisinsel wie viele andere auch. Weiße Häuser, die oft auf kargem, bergigem Gelände gebaut sind. Hier und da eine Windmühle. Schöne Strände, oft mit feinem Sand, manche auch steinig. Kristallklares Wasser, das, je nach Laune, wie blaues oder graues oder türkisfarbiges Glas schimmert. Aber Paros versucht auch, seinen ganz eigenen Charakter zu bewahren. Deswegen zieht die Insel auch viele Touristen an, die nicht nur schöne Reisekoffer mitbringen, sondern auch eine große Portion Neugierde und sich gerne mit der Natur befassen.

Der Ankunft eines Schiffes haftet selbst auf gut angelaufenen Inseln noch immer etwas Besonderes an. Früher waren es vor allem Neuigkeiten, die die Schiffe von weither brachten. Heute sind es noch immer Zeitungen, Pakete, dringend benötigte Handelsgüter, Baumaterialien, die erwartet werden – und im Sommer vor allem Touristen. Bereits im Hafen von Parikia raunen private Vermieter mit konspirativer Stimme: „Thelete ena domatio?" – „Suchen Sie ein Zimmer?" – „You want a room?"Hinter der alten Windmühle, die man schon vom Schiff aus erkennen konnte, beginnt die Altstadt. Die Gassen sind hier so schmal, dass sich Autos von selbst verbieten. Selbst mit dem Motorrad ist kein Durchkommen, immer wieder werden die Höhenunterschiede durch Stufen unterbrochen – am besten, man lässt die Maschine stehen und geht mal zu Fuß!

Zu Fuß durch Parikia – ein Weg durch die Zeit

Der Weg durch die Altstadt ist ein Weg durch die Zeit. Sozusagen auf Schritt und Tritt stößt man auf ein lebendiges Über- und Durcheinander von mindestens 2.500 Jahren Geschichte. In mittelalterlich anmutenden Häuschen sind schicke Cafés untergebracht; selbst die Filiale einer bekannten Supermarktkette ist in einem solch alten Haus vortrefflich etabliert. Dann stößt man beim Spaziergang völlig unvermutet auf Säulenreste und behauene Marmorteile aus antiker Zeit, die in die alte Stadtmauer oder in den Turm aus dem Mittelalter eingearbeitet sind. Und scheinbar hinter jeder zweiten Ecke wartet ein altes, verwinkeltes Kirchlein aus byzantinischer Zeit, das rund 1.000 Jahre Geschichte mit sich trägt. Auf den Stufen vor ihren Häusern sitzen ältere Frauen und häkeln und stricken an ihren Deckchen, Pullovern und Schals. Hier in Parikia, der Inselhauptstadt, könnte man getrost den ganzen Urlaub verbringen, nur um zu schauen. Doch eine Insel zieht einen immer an andere Orte, mit magischer Kraft fordert sie dazu auf, all ihre Schönheiten zu entdecken, alle Winkel zu erforschen.

Bei den Surfern Fisilani am Golden Beach Strand

Von Parikia ein Abstecher direkt hinüber auf die andere Inselseite, auf die Ostseite, zum Golden-Beach-Strand. Es handelt sich um eine mehrere hundert Meter lange Bucht mit Sandstrand. Einige kleine Hotels, einige Strandbars. Gegenüber das kleine, unbewohnte Felsen-Inselchen Drionissi, etwas weiter östlich ist Makronissi zu sehen, ebenfalls eine kleine Felseninsel, irgendwo dahinter liegt Naxos. Hier, am Golden Beach, ist der Surfer Thodoros Fisilani zu Hause. Doch wir finden ihn nicht am Strand, sondern in einer Art Werkstatt, Bar oder Wohnstätte, direkt neben der Tankstelle, in der Nähe des Ortes Dryos. Im Hof des Anwesens liegen einige Surfbretter umher, einige ausgerollte Segel und komplette Riggs stehen in der Ecke. Hier wird noch gesägt, geschruppt, gefegt, zusammengeschraubt; die Vorbereitungen für die neue Saison laufen auf vollen Touren. Es ist kein Klischee, wenn man denkt, alle Surfer sind braun gebrannt und stämmig. Nein, es ist Realität: Breitschultrig und gut gebräunt sitzen uns Thodoros und Stefanos Leoneti Fisilani gegenüber. Stefanos ist 20 Jahre alt, wie sein Onkel Thodoros ein gebürtiger Pariote. Er ist einer der Erfolg versprechendsten jungen Surfer Griechenlands. Er ist zweifacher griechischer Jugendmeister und hat im vorigen Jahr u.a. in der Türkei den zweiten Platz bei den Senioren der Balkanländer belegt. Die Aufsicht über sein Training hat sein Onkel Thodoros. Dieser beschäftigt sich bereits seit 1975 mit dem Surfsport und war damit wohl einer der ersten in Griechenland. Warum ist Paros bei den Surfern so beliebt? „Surfer lieben schöne Gegenden", sagt Fisilani. „Und natürlich den Wind. Auf Paros gibt es immer Wind. Und es ist nicht so verbaut, es ist alles noch ziemlich ursprünglich. Und: Auf Paros kann man an allen Stränden surfen. – Und abends kann man sich gut unterhalten." Ich wende ein, dass Paros in den letzten Jahren auch von anderen griechischen Ägäis-Inseln mächtig Konkurrenz erhalten hat, was das Surfen betrifft, von Karpathos etwa, von Rhodos, Mykonos, Naxos …" Das schon, meint Fisilani. „Selbst auf Paros gibt es mittlerweile vier, fünf organisierte Surfzentren." Dennoch will er sich nicht beklagen: im Sommer hat er um die 1.500 bis 2.000 Kunden, die entweder das Surfen bei ihm lernen wollen oder sich auch einfach nur ein Brett ausleihen. Außerdem organisiert Thodoros Fisilani auch noch Wettkämpfe. In diesem Jahr ist wieder ein „Rund um die Kykladen"-Wettbewerb geplant. Und für 2010 wollen die Parioten sogar versuchen, die Weltmeisterschaften auf die Insel zu bringen. Und was macht ein Surfer wie Thodoros im Winter? „Dann halte ich mich gewöhnlich in Maui, in Hawaii auf. Dort gibt es die richtig großen Wellen, das liebe ich! Auf Paros gibt es diese Riesen-Wellen im Jahr leider höchstens vier, fünf Mal …"

Bei einem preisgekrönten Weinbauern bei Naoussa

Auf einer Insel kennt jeder jeden. Thodoros empfiehlt uns, bei einem seiner besten Freunde vorbeizuschauen. Er bewirtschafte ein Weingut, das bereits seit mehreren Generationen besteht. Rein biologischer Anbau. Mehrere Preise habe er dafür bekommen. Das Gut befindet sich in der Nähe von Naoussa. Nichts wie hin. Mit dem Motorrad dauert die Fahrt vielleicht 20 Minuten. Kurz nach Noussa finden wir das Gut, in einer Kurve, nahe am Meer. Wir tuckern in den Hof hinein, wo es im Moment ausschaut wie auf einer Baustelle. Später erfahren wir, dass hier einige Fremdenzimmer entstehen. „Agro-Tourismus" ist das Schlüsselwort, dem sich wohl auch preisgekrönte Weinbauern auf die Dauer nicht entziehen können. Wir sitzen bei Jorgos Moraitis im Wohnzimmer und verkosten einige seiner Lieblingsweine. Für einen davon wurde er im vorigen Herbst hoch dekoriert. Sein Wein „Krasi tou Nisiou 2006" – „Wein von der Insel 2006" erhielt im November in Athen die Goldmedaille beim II. Wettbewerb der Weine aus biologischem Anbau. Nach der Verkostung machen wir noch einen Rundgang durch den Weinkeller. Hier lagern die Rotweine in Fässern aus amerikanischer Eiche, die wiederum auf Zypressenholz-Stämmen ihren Standort gefunden haben. – Moraitis, das bemerkt man auf den ersten Blick, ist nicht nur Wein-, sondern auch Wasserfan. Überall begegnet man kleinen Brunnen, Quellen und Springbrunnen, die Harmonie und gleichzeitig Frische verbreiten. Diese Harmonie, so der groß gewachsene, schlanke Weinbauer, sei das Geheimnis seiner Weine. Und der Rest, so meint er, „ist einfach Sorgfalt und Erfahrung" – nachweislich beschäftigt sich seine Familie bereits seit 1888 mit dem kommerziellen Weinbau.

Zu Besuch in der Vereinigung der Genossenschaften

Die nächste Etappe unserer Reise ist Naoussa. Am Hafen, der wohl einer der malerischsten in ganz Griechenland ist, dösen die Fischkutter in der Mittagssonne. Es riecht nach Fisch. Wir setzen uns in eines der Cafés, mit Blick auf die Kutter. Aus den Lautsprechern tönt spanische Schlagermusik. Es gibt die üblichen Getränke, die in etwa das Athener Preisniveau haben: ein einfacher griechischer Kaffee „Ellinikos" kostet 2 Euro, dann geht's aufwärts. Frappé 3 Euro; Mokatsino 4,50 Euro, die Flasche Martini 80 Euro. Spätestens an den Preisen merkt man, dass die Insel eine erstklassige Touristendestination geworden ist. Das bestätigen uns auch der ehemalige Präsident der Vereinigung der Genossenschaften von Paros, Nikos Tsigonias, und der Direktor, Nikos Kritikos. Die bereits 1929 gegründete Vereinigung setzt sich zusammen aus zehn Genossenschaften. Außer Wein stellen sie auch Molkereiprodukte her; auf Paros gibt es ca. 1.800 Kühe. In der eigenen Molkerei wird die Milch zu Graviera, Kefalotyri, Yoghurt und anderen Produkten verarbeitet. In geringerem Umfang wird Olivenöl gepresst, das meiste davon nur für den Hausgebrauch. Schwerpunkt ist die Weinproduktion; die Genossenschaftsvereinigung verfügt über eine moderne Kellerei und Abfüllanlage, die mit einer Kapazität von 3.500 Tonnen für die Insel fast ein bisschen überdimensioniert ist.

Keine Wein-Tankzüge mehr nach Deutschland

„Auf ca. 550 Hektar bauen wir auf der Insel Wein an. Das entspricht einer Jahresproduktion von ca. 1.000 Tonnen", erklären Tsigonias und Kritikos. Eigentlich wird alles davon in Griechenland abgesetzt. Die Zeiten, wo man noch mit Tankzügen nach Deutschland lieferte, um den dortigen Wein mit griechischem Most zu verschneiden, sind vorbei. „Die meisten Weine auf Paros", so die Genossenschafter, „entstammen einem biologischen Anbau". Das sei auf der Insel gut möglich, weil das Klima auf Paros eine Schädlingsbekämpfung mit Chemikalien überflüssig macht: Während der Reifezeit tagsüber trockene Hitze und in der Nacht Feuchtigkeit, die vom Meer herangetragen wird. Eines der besten Weinanbaugebiete ist heute z.B. Lefkes, wo in Höhenlagen und auf sehr kleinen Anbauflächen ein qualitativ hochwertiger Wein erzeugt wird. Die beiden Hauptsorten, die angebaut werden, sind der Malvasia (Weißwein) und der Madlaria (Rotwein). Daraus werden sehr körperreiche Weine mit relativ hohem Alkoholgehalt gekeltert.

Trotz allem: „Wir geben die Landwirtschaft nicht auf"

„In den letzten 25 Jahren ging die Anbaufläche um mehr als die Hälfte zurück. Da, wo früher Weinberge waren, stehen jetzt Hotels." Die Grundstückspreise bewegen sich auf einem Niveau, das die finanziellen Erträge, die durch die Landwirtschaft erzielt werden, „eher lächerlich" erscheinen lässt. „Sicher", so Tsigonias, könne man den Tourismus so gestalten, dass auch die Landwirtschaft davon profitiert. Zum Teil habe man es geschafft, Touristen z.B. in die Wein- oder Olivenernte einzubeziehen. Seine Kritik: „Auf Paros stand das Modell der intensiven touristischen Entwicklung – wie auf allen Kykladeninseln – im Vordergrund." Dadurch sei die Landwirtschaft deutlich ins Hintertreffen geraten. „Ein Zurück gibt es nicht mehr. Aber die Genossenschaftsvereinigung bietet einen Ausweg, falls der Tourismus mal nicht mehr so florieren sollte." In gewisser Weise käme dieser Strategie auch die Mentalität der Parioten entgegen: „Der Insulaner liebt sein Land, er hat auch eine sehr enge Bindung zur Landwirtschaft. Das gibt er nicht so einfach auf."

Tourismus: Motor der Entwicklung auf der Insel

Auch die Gemeindeverwaltung von Paros ist daran interessiert, eine Symbiose zwischen Tourismus und Landwirtschaft zu finden. „Agrotourismus" heißt das Schlüsselwort. Die Verantwortliche für Tourismus, Maria Trevyza-Frantzi, stellt dazu fest: „In den nicht-touristischen Monaten beschäftigen sich sehr viele Einwohner mit der Landwirtschaft. Andererseits leben doch alle auf der Insel vom Tourismus: die Handwerker, die Bauunternehmer, die Banken … Der Tourismus ist eindeutig der Hauptfaktor der Entwicklung auf Paros." Viele neue Hotels seien in den letzten Jahren entstanden, auch aus dem Ausland sei investiert worden. „Paros gehört heute nach Mykonos und Santorin zu den drei ersten Touristik-Destinationen auf den Kykladen." Vieles habe sich nicht zuletzt durch den Tourismus auf der Insel verbessert. „Paros ist die erste Kykladeninsel mit einer zentralen, modernen Mülldeponie. Immer mehr Ortschaften werden an biologische Kläranlagen angeschlossen. Und momentan bauen wir an einem neuen Flughafen, auf dem auch größere Maschinen mit bis zu 52 Sitzplätzen landen können." Man wolle aber vor allem auf Qualität und nicht auf Masse setzen.

Jan Hübel

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