Zwischen dem Platz der Verfassung (Syntagma) und dem Platz der Eintracht (Omonia) liegt das europäische Athen, im Gegensatz zur griechischen Plaka und dem orientalischen Monastiraki.Die Architekten dieses Stadtteils waren mit dem bayerischen Königspaar nach Griechenland gekommen und hatten nur zu gern die Gelegenheit ergriffen, klassische Architektur mit deutschen Variationen zu vereinen.
Das Zentrum der klassischen Welt war die Akropolis. Ein langer, gerader Boulevard sollte von dort zu einem neuen Palast am Omoniaplatz führen - die heutige Athinasstraße - und ein anderer hatte, von großzügig angelegten Plätzen und Parkanlagen umgeben, das Olympiastadion zum Endpunkt. Wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten zwischen den Architekten und den anderen Verantwortlichen sollte der Palast dann am Syntagmaplatz errichtet werden. Aber die finanziellen Mittel reichten nicht aus, um auch noch den Omoniaplatz auszubauen. (Diese Erklärung wurde und wird übrigens schon seit der Antike für alle ungelösten Probleme im Städtebau abgegeben.) In diesem Bezirk verlaufen lange Boulevards, die an Paris erinnern, anstelle kleiner, sich windender Sträßchen für Esel und hoi polloi (Fußgänger). Die Grenzen bilden der Zappion, der Syntagma- und der Omoniaplatz. Die Stadioustraße erreichte übrigens nie das Stadion, sondern endet am Syntagma.
Das Durcheinander von Straßennamen
Wenn Sie lieber Schildern vertrauen als Menschen von den Lippen ablesen, geben wir Ihnen hier ein paar Tipps:
Die Eleftheriou-Venizelou-Straße heißt überall Panepistimou- oder Universitätsstraße; die Stadiou ist eigentlich die Churchill-Straße, aber niemand nennt sie so; und nach der Roosevelt Straße zu fragen ist sinnlos, weil die Athener Akadimias sagen.
1834 hatte Athen 5.000 Einwohner. Heute sind es über 6 Millionen, und dazu kommen noch 2 Million Autos und 200.000 Motorräder. Um den Lärm einzudämmen, hat man in der Innenstadt Fußgängerzonen angelegt. Die Voukourestioustraße mit ihren Juweliergeschäften und die Boutiquenstraße Valaritou bilden zusammen einen der elegantesten Einkaufsbezirke. Auf der Panepistimoustraße zwischen den Nebenstraßen Kriezoutou und Amerikis sind Griechenlands Top Goldgeschäfte, Lalaounis und Zolotas, zu Hause.
Gönnen Sie sich eine Erfrischung in der legendären Ouzerie Apotsos im Säulengang auf Nr. 10. Weiter südlich haben in der Voukourestioustraße gepflegte schwarze Mietlimousinen die Fußgänger verdrängt. Gegenüber, am Rande des Säulenganges, finden Sie das Brasilianische Kaffeegeschäft aus dem Jahr 1932. Hier ist auch die Paket Post und das Athener Festivalhaus neben anderen Kinos und Theatern.
In der Amerikisstraße können Sie weitere vier Theater besuchen, außer dem den einzigen Rembetika-Klub im Zentrum, den Christlichen Verein junger Frauen (engl. YWCA), die Athenäum-Konzerthalle und zwei englische Buchläden. Die Gebäude der Stadiou-, Akadimi as- und Panepistimoustraße sind unterschiedlich. Hier gibt es neben 'einfacheren' Ausführungen mit Gipssäulen und Simsen auch die drei "Tempel der Gelehrsamkeit" in der Panepistimou Straße. Sie wurden von den Gebrüder Hansen in den Jahrzehnten nach dem Unabhängigkeitskrieg entworfen. Hans Christian Hansen zeichnete auch die Pläne für die Universität mit ihrem an mutigen Brunnen im Hof und der Wen deltreppe. Die bunten Fresken mit den klassischen Motiven hinter den Säulen am Eingang sind nachts oft beleuchtet.
Der atemberaubend schöne Vortragssaal mit einer wunderbar bemalten Decke und einem Porträtfries hinter einer Glastür, ist sehenswert. Auf dem Universitätsgelände hat die Polizei keine Amtsgewalt. Daher ist es Schau platz zahlreicher Demonstrationen. Die Rückseite des Gebäudes ziert politisches Graffiti. Theofil Hansen war der Architekt der Akademie der Wissenschaften, deren Seitenflügel mit bunten Friesen und zwei Säulen mit Statuen von Apollo und Athene dekoriert sind. Vor dem Gebäude unterstreichen Sokrates und Plato die intellektuelle Autorität der Akademie. In der einfachen, aber ein drucksvollen Nationalbibliothek (auf der linken Seite, auch von Theofil Hansen) finden sich Bücher in vielen Sprachen.
Am östlichen Ende der Panepistimoustraße sehen Sie die Augenklinik, die 1845 von H.C. Hansen entworfen wurde, ein graurotes, großes Gebäude aus der Endzeit des Neoklassizismus. Weiter in Richtung Syntagma erhebt sich die Römisch-Katholische Kirche St. Denis - Agios Dionysios Areopagita, die Athens Schutzheiligem geweiht ist.
Hinter den drei Gebäuden der "Gelehrsamkeit' liegen die Akadimias Straße und der laute, überfüllte Busbahnhof. Auf der anderen Seite der Akadimiasstraße steht das Kulturzen trum von Athen. Das derzeitige Pro gramm umfaßt: Kunst, Handwerk, EDV, Schach, Psychologie und Selbsterfahrung sowie Gymnastik. Die Lehrsäle verteilen sich auf mehrere solcher Zentren in der Stadt - aber überall ist der Unterricht kostenlos. Das Kulturzentrum fördert auch Vorträge, Theateraufführungen, Foto- und Poesiewettbewerbe, Filme und Seminare.
Im Keller werden Sie durch ein Theatermuseum geführt, das mit Nachbildungen der Umkleideräume berühmter griechischer Schauspieler in ihren bekanntesten Rollen, einer Plakatsammlung und einer Bibliothek mit Nachschlagewerken aufwartet. Seit diese Gegend neuerdings zur Kulturzone ernannt wurde, wird das kürzlich restaurierte, auffallend rosafarbene Palamasgebäude für Ausstellungen und Vorträge genutzt.
Die Koraistraße zwischen der Universität und der Stadioustraße ist eine weitere Fußgängerzone mit Bänken, Grünanlagen und gelegentlich einer Ausstellung mit Plastiken.
Im Süden, in der Stadioustraße, ist der Klafthmonosplatz, ein kleiner Park mit Restaurant und Cafe Offiziell heißt er Platz des 25. März (Pl. 25 Martiou), weil hier 1821 die Griechen ihren ersten Unabhängigkeitstag feierten. Seit 1879 wird er jedoch Platz des Weinens und Wehklagens genannt. Entlassene Beamte und andere Arbeitslose trafen sich hier in schwerer Zeit in einem Cafe und beklagten ihr hartes Schicksal.
In der Stadioustraße kann man Monatskarten für die Busse kaufen und im Sommer, während des Athener Festivals, auch Eintrittskarten. Das imposante Museum der Stadt Athen liegt auf der anderen Seite des Platzes in der Paparigopouloustraße. König Otto und Königin Amalia lebten in ihrer Jugend- zeit vorübergehend hier, bis der Palast fertig gestellt war. Das Mobiliar entspricht immer noch den Ansprüchen eines Regenten. Der grüne, damastbezogene Thron sieht wie ein eleganter Sessel aus, die Wände aus handbemaltem Gips geben die Originaldekoration wieder, die man im ersten Stock auf einem Fries immer noch erkennen kann. Im Untergeschoß gibt es ein Modell von Athen aus dem Jahr 1842, auf dem ganz deutlich zu sehen ist, daß es in der Panepistimou-Straße nur die Universität gab, zwei Häuser und die königlichen Ställe. Die Akadimias Straße existierte damals noch gar nicht.
Im angrenzenden Haus sind Originalwerke von Künstlern aus jener Zeit aus gestellt.
Auf keinen Fall übersehen sollten Sie den Haufen antiker, behauener Steinblöcke in einer Ecke des Klafthmonosplatzes: Es handelt sich dabei um die Überreste der alten Stadtmauer, die Themistokles im Jahr 490 v.Chr. erbaut hatte. In den Kellerräumen in der Dragatsanioustraße Nr. 6, zwischen den Elektrogeschäften, ist ein sorgfältig aufbewahrter und restaurierter Teil dieser Mauer ausgestellt. Hinter dem Platz steht ein zeitgenössisches Gebäude der Kapnikarea, die Kirche des Heiligen Theodor. Sie stammt aus dem 111. Jh. und wurde schon hundert Jahre später aus Steinen und Ziegeln mit kufischen Ornamenten nachgebaut.
Die Eleftherios-Venizelos-Geijächt nisausstellung in der Christiou-Lada Straße. 2 ist dem Ministerpräsidenten (1898-1935) gewidmet, der eine bewegte Karriere hinter sich brachte, die Russische Revolution, die Balkan- krise, den Ersten Weltkrieg, den Krieg mit der Türkei und den Völkertausch überlebte und schließlich unter der Regierung von Metaxas endgültig
emigrierte. Um die Ecke können Sie den Parnassosvortrags- und Konzertsaal besichtigen. Im OTE Telefonamt in der Stadiou-Straße 15 werden Auslandsgespräche vermittelt.
Nach der Kirche St. Georg Karystos (1845) kommen Sie zu dem Platz, auf dem eine bronzene Reiterstatue des Kolotronis - "Der Alte Mann von Morea", eines Helden der Revolution - vor dem Historischen Nationalmuseum Wache steht. Die Inschrift lautet: 'Reite weiter durch die Jahrhunderte, tapferer General, und zeige den Menschen überall, daß Sklaven befreit werden können." Ganz in der Nähe finden Sie ein futuristisches Gebilde aus Erde und Kakteen, das ein Zeitmesser sein soll. Allerdings kann man erst ab dem dritten Stockwerk des angrenzenden Hauses etwas ablesen.
Das Museum ist im früheren Parlamentsgebäude beheimatet. Auf seinen Stufen wurde 1905 Theodor Deliyannis ermordet, der dreimal als Ministerpräsident amtiert hatte.
Heute können Sie sich dort durch Bücher, Kostüme und Drucke über die neue griechische Nation informieren. Im Nachbarhaus lädt ein reizendes, hinter Büschen verstecktes Cafe zu einer Pause ein.
Außerhalb des offiziellen Kulturgeländes stoßen Sie auf den Melathron Ilion,
den Palast von Ilium, der 1878 für Heinrich Schliemann, den Entdecker von Troja und der Schätze von Mykene, erbaut wurde. Ernst Ziller, der den Präsidentenpalast baute und das Stadion ausgrub, fertigte den Entwurf an. Das Schliemann-Haus soll ein numismatisches Museum werden, wenn nicht vorher noch Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verantwortlichen entstehen und der Plan aufgegeben wird.
Der Omoniaplatz, der älteste Platz Athens, wurde ursprünglich einfach der Nordrand genannt. In den Jahren nach König Ottos Entthronung (1857) lieferten sich zwei politische Gruppen - Wegelagerer, wenn man es genau nimmt -‚ eine aus den Bergen und eine aus der Ebene, blutige Schlachten, bis sie schließlich einen Schwur der Eintracht (Omonia) ablegten. Unter der Regierung von König Georg 1. lockte der Platz mit seinen neu errichteten Brunnen, den Palmen und Hotels, in denen eine Militärkapelle Operettenmusik spielte, wieder ein zahlreiches Publikum an.
Im 20. Jh. schrumpfte der einstige Vergnügungspark zu einer Reihe billiger Cafes zusammen, und in den 70er Jahren war er zu einem heißen, staubigen Marktplatz mit 'verschlampten' Geschäften geworden. Acht wichtige Verkehrsstraßen treffen im Kreisverkehr zusammen, und es ist gar nicht so einfach, die Orientierung zu behalten und in die richtige Richtung zu fahren.
Erst kürzlich wurden einige alte Brunnen ausgewechselt und frische Palmen gepflanzt. Ein Monument aus Glassplittern, das einen Olympialäufer symbolisieren soll, nimmt den Ehren platz ein. Das Bretania Kafenion bewirtet Sie mit einer Auswahl der besten Joghurtsorten Athens. Die große Apotheke, Bakakos, führt sämtliche in Griechenland hergestellten und erhältlichen Medikamente.
Unterirdisch führen Sie die Passagen der Metro an Uhrengeschäften, einem Postamt, Banken und an unzähligen Gruppen miteinander diskutierender Männer vorbei. Die Rolltreppen versagen häufig ihre Dienste.
Die Kioske am Omonia bieten eine große Vielfalt an ausländischen Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, Tabaksorten, Süßigkeiten und populären Herrenmagazinen. Nordöstlich des Platzes können Sie in den Gebäuden des Kaufhauses Minion alles nur Erdenkliche erstehen. Hier ist auch der Kaningos-Platz mit den Endstationen vieler Buslinien. Der Platz wurde nach George Canning benannt, dem englischen Premierminister zur Zeit des griechischen Unabhängigkeitskrieges. Auf dem kleinen Platz an der
Ecke Gladstonos-/ Kaningos-Straße sollten Sie unbedingt ein Souvlaki probieren.
Am Omonia-Platz stehen viele Hotels, die größtenteils bei der Nationalen Griechischen Tourismusorganisation nach der ihr eigenen, mysteriösen Einteilung in A-D registriert sind. Allerdings sind es nicht nur Familienhotels. Im Empfangsraum halten sich vor wiegend Damen auf, die die Kleidung ihrer eigenen Töchter zu tragen scheinen. Eine einfache Kasse dient als "Rezeption', gezahlt wird stundenweise.
Außer den zahlreichen Gebäuden mit staatlichen Behörden werden Sie auf diesem Platz noch ganz andere Dinge sehen: Herren, die nach Damengesellschaft Ausschau halten, Damen, die einen Herrn suchen und die unvermeidlichen Diskussionsgruppen, die an der Intensität ihrer Debatte, den nachhaltig geschwungenen Zeitungen und der Menschentraube zu erkennen sind. Wenn Sie den quadratischen Platz um runden - im modernen Griechenland ist das geometrisch möglich - kommen Sie in die Agiou-Konstandinou-Straße. Lassen Sie das Nationaltheater in einer Seitenstraße hinter sich und suchen Sie in einem Bogengang ein Cafe in dem sich griechische Zigeuner ein musikalisches Stelldichein geben. Man kann sie schon aus einiger Entfer nung am Klang der Klarinetten, Geigen und tambourlakia (kleine Trommeln) erkennen.
Manolis
Unser Foto (© Griechenland Zeitung / Melanie Schümer) zeigt den Omonia Platz.