Milia: Kleines Paradies für Ökotouristen Von Thomas Plaul Sie stehen in der rustikalen Küche und wirbeln mit langstieligen Holzlöffeln in großen Schüsseln herum, in denen die weiße Masse immer fester wird: Spyros und Jorgos bereiten eine Quarkmischung zu, die sie ihren Gästen heute Abend zusammen mit einem Fleischgericht servieren werden. Spyros und Jorgos sind die Eigentümer von Milia, einer kleinen Siedlung in den Bergen Westkretas, die sich dem Ökotourismus verschrieben hat.
Das Dorf Milia gab es bereits im späten Mittelalter und verwaiste Mitte des 17. Jahrhunderts, als es von der Cholera heimgesucht wurde. Seitdem verfiel der Ort, lediglich im Zweiten Weltkrieg diente er einigen Familien aus den nahe gelegenen Dörfern als Versteck vor den Deutschen. 1982 fassten die Väter bzw. Schwiegerväter von Spyros und Jorgos den Entschluss, die Siedlung wieder instand zu setzen und ihre schützende Hand über die sie umgebende Natur zu halten. Denn Brände, Überweidung, Verkarstung und Bodenerosion sowie die Austrocknung der Quellen hatten diesem wunderschönen Flecken Land arg zugesetzt. Also wurde der Boden wieder kultiviert und Bäume gepflanzt; heute finden sich auf dem ca. 120 Hektar großen Land neben Kastanienbäumen, Platanen und Eichen auch wieder Oliven-, Birn- und Johannisbrotbäume. 1991 begannen dann die Restaurierungsarbeiten an den alten Bauernhäusern des Dorfes selbst, und dort, wo die morschen Gemäuer nicht mehr zu retten waren, baute man neue Häuser unter Verwendung der alten Stein- und Holzmaterialien.
Mehr als traditionelles Ambiente
Heute werden in Milia insgesamt 13 Zimmer vermietet, die in den kleinen Häuschen untergebracht sind und zwischen zwei bis vier Gäste beherbergen können. Ausgestattet sind sie sehr einfach, mit Metallrahmen- oder Holzbetten, Sitzbänken, offenen Kaminen und an den Wänden alte Gebrauchsgegenstände, die man bei den Restaurierungsarbeiten gefunden hat. Lampen gibt es nur an der Zimmerdecke und im Bad (in dem dank der Solaranlage warmes Wasser fließt), ansonsten gelangt die mittels eines Generators, einer Sonnen- und einer Windanlage erzeugte Elektrizität ins Haupthaus, wo sich u.a. das Restaurant befindet.
„Öko-Luxus" wird hier also nicht geboten, die Betreiber von Milia betonen, dass sie es ernst nehmen mit dem Ökotourismus, dass sie mehr wollen als nur die Unterbringung in traditionellem Ambiente und biologisches Essen. Milia folge nämlich einem Gesamtkonzept, erläutert Jorgos, das der Geschichte des Ortes und den kretischen Traditionen genauso gerecht werden möchte wie dem natürlichen Lebenszyklus der Natur. So sind auf der Speisekarte stets nur diejenigen Gemüse- und Früchtesorten zu finden, die saisonbedingt geerntet werden können. Nur weniges wird „importiert", Wein und Bier etwa, ansonsten ist Milia weitgehend autark. Und fast alles wird auch wiederverwertet. So dienen natürliche Abfälle den Ziegen, Schafen, Schweinen und Hühnern als Futter, die wiederum liefern Milch, Fleisch, Häute und Wolle.
Regionalen Eigenheiten zuwenden
Das Konzept scheint aufzugehen: Als Milia vor gut zwölf Jahren die ersten Gäste begrüßte, waren es vornehmlich Griechen, die hier ein paar schöne Wintertage verbringen wollten. „Also haben wir uns auch ein wenig um das Marketing gekümmert", erzählt Jorgos lächelnd. Mit den ersten Berichten über das Projekt in ausländischen Zeitungen kamen dann auch im Sommer Touristen nach Milia, damals wie heute sind es v.a. Franzosen, Engländer, Amerikaner, Deutsche, Italiener und Gäste aus Skandinavien, die hier einen etwas anderen Urlaub genießen möchten. Wobei niemandem die Zeit lang werden dürfte, da Milia nur knapp 60 km von Chania und damit nicht weit von den Sehenswürdigkeiten und Stränden im Westen bzw. Südwesten Kretas entfernt ist. Darüber hinaus laden die umliegenden Berge zu Wanderungen und Fahrradtouren ein. Oder aber man sitzt auf den kleinen Terrassen der an einem Berghang gelegenen Häuser und hört einfach hinein in die Stille dieses wunderbaren Ortes und freut sich auf den Abend, wenn es zum Abendessen bei Kerzenlicht geht. Im Restaurant hat man dann die Wahl zwischen diversen Köstlichkeiten, zu denen ein mit dem oben erwähnten Quark gefülltes Kaninchen aus dem Backofen genauso gehört wie ein Kastanien-Kartoffel-Stifado. Und wer sich danach noch nicht in sein Häuschen verkriechen will, der kann im Aufenthaltsraum die Zeit mit Spielen oder Musikhören verbringen.
Jorgos, Spiros und die anderen sechs bis zehn Mitarbeiter in Milia, die hier je nach Saison arbeiten, glauben, dass sich ihr Konzept auch in Zukunft bewähren wird. Denn sie sind der Überzeugung, dass der Tourismus in Griechenland sich heute wieder regionalen Eigenheiten zuwenden müsse, will er im Zuge der Globalisierung, die ja auch die Tourismusbranche bestimmt, überlebensfähig bleiben. Hotelbauten wie an der Nordküste Kretas fänden sich schließlich überall auf der Welt, meint Jorgos, und man wird irgendwann begreifen müssen, dass die Zerstörung der natürlichen Umgebung und einer über Jahrhunderte gewachsenen Kultur das jeweils Besondere eines touristischen Zieles zum Verschwinden bringt. „Deshalb werden wir auch nicht den Fehler begehen und Milia immer größer werden lassen. Wir haben ein Limit, das durch das Potenzial unserer Böden und unserer Tierhaltung vorgegeben wird."
Mögen Milia und seine fantastische Umgebung weiterhin von dieser Selbstbescheidung profitieren – und natürlich auch seine Gäste!
Informationen:
www.milia.gr.
E-Mail-Adressen: ,
Telefon/Fax: 0030.28210.46774, 0030.28220.51569.
Postanschrift: Restored Settlement of Milia, 73012 Vlatos, Kissamos, Chania, Kreta, Griechenland.
Zu erreichen ist Milia von Chania bzw. dem Hafen Souda aus über die Nationalstraße in Richtung Kissamos (Kastelli). Dort folgt man der Straße Richtung Elafonissi bis zur Ortschaft Vlatos, wo man die Straße in Richtung Milia verlässt (alles sehr gut ausgeschildert). Von dort sind es noch ca. 4 km, wobei die letzten beiden Kilometer über eine ungeteerte, aber gut befahrbare Straße führen. In Milia lässt man das Auto auf einem Parkplatz außerhalb der Siedlung stehen, allein zum Gepäckausladen kann man die 150 m nach Milia hineinfahren.
Von Chania aus fahren auch Busse nach bzw. über Vlatos (vorher in Milia anrufen, dann kann man Sie dort abholen): Täglich außer samstags und sonntags 12.45 Uhr, im Sommer auch um 9.30 Uhr (Richtung Elafonissi).
Griechenland Zeitung
Foto: © Griechenland Zeitung / Melanie Schümer, Chania