Weg frei für den Großkredit
Nach dem
Treffen mit den Parteichefs hatte Ministerpräsident Loukas
Papadimos eine weitere Beratung mit seinem Finanzminister und
stellvertretenden Regierungschef Evangelos Venizelos, mit
Arbeitsminister Jorgos Koutroumanis sowie mit den Vertretern der
Troika. Diese Unterredung dauerte bis 6.00 Uhr morgens. Nun hat
Venizelos die Aufgabe, die in Athen getroffenen Vereinbarungen
heute Abend in Brüssel beim Treffen der Eurogruppe vorzustellen.
Dem studierten Rechtswissenschaftler dürfte klar sein, wie viel auf
dem Spiel steht. Erst wenn sich die Europäischen Partner und die
Internationalen Geldgeber mit den Fortschritten Griechenlands
zufrieden zeigen, erhält das östliche Mittelmeerland einen zweiten
Großkredit in Höhe von mindestens 130 Mrd. Euro. Damit wäre Athen
vor einem am 20. März drohenden Bankrott gerettet.
Jeder fünfte Grieche von Armut bedroht
Doch
der Preis ist hoch. Das bereits „blutende“ griechische Volk muss
sich mit einer Kürzung der Mindestlöhne um 22 % abfinden.
Neueinsteiger unter 25 Jahren müssen sogar mit 32 % weniger
Einkommen rechnen. Nach offizieller Lesart ist all dies einer
Verbesserung der griechischen Wettbewerbsfähigkeit geschuldet.
Kritiker verweisen hingegen darauf, dass vor allem der jungen
Generation jede Hoffnung auf Unabhängigkeit und eine bessere
Zukunft genommen wird. Selbst Vertreter der Arbeitgeber fragen
sich, warum ihr Vorschlag, vor allem bei Gutverdienern und bei den
Sozialabgaben zu sparen, nicht angenommen wurde.
Nun wird befürchtet, dass immer mehr Griechen unter die
Armutsgrenze rutschen. Dem Europäischen Statistikamt (Eurostat)
zufolge waren bereits vor zwei Jahren 20,1 % der Griechen von einem
solchen Szenarium bedroht. Damit liegt Griechenland in der EU der
27 auf Platz 6 der Negativstatistik. Berücksichtigt man das bereits
seit zwei Jahren laufende Sparprogramm und die sich immer mehr
vertiefende Rezession, dann dürfte sich die Armuts-Bilanz für die
Hellenen weiter verschlimmern. Ein Indiz dafür ist vor allem die
steigende Arbeitslosigkeit. Diese lag im November 2011 bei 20,9 %.
In einigen Monaten des Jahres 2011 sollen pro Tag um die 1.000
Arbeitnehmer ihren Job verloren haben.
Schuldenschnitt auf gutem Weg
Nun müssen auch
weitere 15.000 Staatsdiener damit rechnen, dem Heer der
Arbeitslosen zugeteilt zu werden. Diejenigen, die bei öffentlichen
Betrieben (DEKO) arbeiten, verlieren ihre bisherige Unkündbarkeit.
Außerdem befürchten viele Griechen, dass staatliche Firmen nun an
ausländische Investoren zum „Schnäppchenpreis“ verkauft werden. Im
ersten Halbjahr 2012 sollen mindestens sechs Staatsunternehmen Euro
zu Geld gemacht werden, man erhofft sich Einnahmen von 19 Mrd.
Euro. Positiv reagierten hingegen viele Hellenen auf die
Entscheidung, das Steuersystem zu vereinfachen. (Text: GZeh, Foto:
Eurokinissi)